Moria – eine kapitalistische Tragödie

CC BY-SA 4.0, https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0/, Picture by Faktengebunden

Geflüchtete aufnehmen – Fluchtverursacher sollen zahlen

Als am 9. September die Bilder der Brände auf Moria um die Welt gingen, haben diese viele entsetzt und auf die Straße getrieben. Die Situation war schon am Anfang des Jahres katastrophal. Dann kam die Pandemie und obendrauf jetzt der Großbrand, der das komplette Lager zerstört hat. Die Situation auf Moria ist aber kein Unfall, sondern die bittere Realität für Geflüchtete in der EU.

von Caspar Loettgers, Mainz

Die Umstände, unter denen die Menschen in den Lagern auf den griechischen Inseln leben müssen, sind erschreckend. Und dennoch blieben die herrschenden Politiker*innen tatenlos, solange es ging. Die Verantwortung für den Brand und die anhaltende Notlage liegt deshalb bei der Bundesregierung und der EU – egal wer das Feuer in Moria letztlich gelegt haben.

Jetzt schlafen Menschen tagelang auf der Straße, ohne ausreichende Nahrungsmittel oder Sanitäranlagen. Die griechische Polizei versucht die Menschen in das neu gebaute Lager Kara Tepe zu treiben und spontane Protestzüge der Geflüchtete aufzulösen. Das neue Lager ist aber ein Moria 2.0 und nicht zuletzt ein Paradies für Krankheiten, die sich mit rasanter Geschwindigkeit ausbreiten..

Lager evakuieren!

Die Sol sagt: Jetzt müssen alle Menschen aus den Lagern evakuiert werden! Die Kapazitäten, um die Menschen aufzunehmen, wären da. Wir fordern die kostenlose, dezentrale Unterbringung und medizinische Versorgung der Geflüchteten – finanziert durch die Gewinne der Rüstungsindustrie und Fluchtverursacher. In Deutschland alleine stehen über 600.000 Wohnungen leer. Diese sollten sofort beschlagnahmt werden und allen Bedürftigen zur Verfügung gestellt werden. Dazu gehören auch Menschen, die durch die Corona-Krise obdachlos geworden sind oder es vorher schon waren.

Es muss endlich Schluss gemacht werden mit dem Dublin-III-Abkommen. Menschen sollten im Land ihrer Wahl einen Asylantrag stellen dürfen. Es braucht endlich eines wirkliches Asylrechts für alle Menschen, deren Leib und Leben aufgrund von politischer und gewerkschaftlicher Betätigung, nationaler oder ethnischer Zugehörigkeit, sexueller Orientierung, Geschlecht, Krieg, Umweltzerstörung und sozialer Not, durch staatliche und nicht staatliche Verfolgung gefährdet sind.

Wer es bis nach Deutschland schafft, stellt schnell fest, dass er oder sie von Seiten des Staates nicht mit offenen Armen aufgenommen wird. Menschen mit Migrationshintergrund erfahren rassistische Diskriminierung und Ausgrenzung. Migrantinnen sollen arbeiten gehen, kriegen aber keine Mittel für eine vernünftige Ausbildung oder ihr Abschluss wird nicht anerkannt. Für viele bleiben nur Jobs mit Hungerlöhnen übrig. Aufgrund der Wahlgesetze besitzen viele Migrantinnen auch überhaupt keinen Einfluss auf die Entscheidungen, die ihr Leben direkt betreffen. Als Sol sind wir daher der Meinung, dass alle rassistischen Sondergesetze für Migrant*innen sofort abgeschafft gehören. Alle die ihren Lebensschwerpunkt in Deutschland haben, sollten ein uneingeschränktes Wahlrecht haben.

Heuchelei

Die Zusage der Bundesregierung, 400 Familien aufzunehmen, ist Ergebnis der spontanen Proteste von unten und dennoch nur ein Tropfen auf dem heißen Stein. Für die Tausenden, die noch im Lager bleiben, wird die Situation noch dramatischer. Der Umgang mit den Geflüchteten entlarvt die so oft bemühten „humanitäre Werte“ der EU und der verschiedenen pro-kapitalistischen Regierungen als reines Gerede. Von ihnen ist keine Hilfe zu erwarten. Doch Heuchelei können auch die Grünen, die sich jetzt profilieren wollen aber für zahlreiche Asylrechtsverschärfungen gestimmt haben und deren Schwesterpartei gerade in Österreich beweist, dass Geflüchtete keine wirkliche Hilfe zu erwarten haben, wenn sie an der Regierung ist.

Die rot-grüne Regierung in Schweden will sogar das Asylrecht weiter einschränken. So soll in Schweden eine dauerhafte Aufenthaltsgenehmigung zukünftig nur noch bei einem ausreichenden Einkommen und Sprachkenntnissen erteilt werden. Die Logik hinter der Politik der schwedischen Regierung ist eine einfache Rechnung. Man möchte gute und billige Arbeitskräfte, die sich leicht in den Arbeitsmarkt einbinden lassen und keine Kosten verursachen. Diese Logik hat ihren Ursprung in unserer kapitalistischen Gesellschaft und ist grundsätzlich dieselbe, die auch die Bundesregierung in Deutschland leitet. Menschen werden als Arbeitskraft gesehen, die man ausbeuten kann. Menschen ohne Berufsausbildung und Sprachkenntnis fallen nur als „Belastung“ an. Das Ergebnis dieser Rechnung wird uns nun auf den griechischen Inseln präsentiert.

Organisieren statt appellieren!

Was in Moria passiert, ist eine Tragödie des Kapitalismus – doch sie ist nicht die einzige. Millionen Menschen fliehen vor Armut, Umweltzerstörung und Kriegen, die dieses Profitsystem des Wettbewerbs um Absatzmärkte und Einflusssphären zu verantworten hat. Wir dürfen und können uns nicht auf die herrschenden Politiker*innen verlassen, die sich diesem System verschrieben haben. Verbesserungen im hier und jetzt fallen nicht vom Himmel, sondern werden erkämpft, wie es das Nachgeben der Bundesregierung bei der Zahl der aufzunehmenden Flüchtlinge gezeigt hat. Nötig ist internationale Solidarität mit den Geflüchteten und der Kampf gegen Fluchtursachen und für genügend bezahlbaren Wohnraum, höhere Löhne und Arbeitsplätze für alle. Als Sol beteiligen wir uns an den Moria-Protesten und organisieren regelmäßige Treffen in zahlreichen Städten, auf denen wir gemeinsam über den Kampf gegen den Kapitalismus und Rassismus diskutieren und Aktionen organisieren. Wenn du unsere Ideen gut findest, dann nimm Kontakt mit uns auf und werde aktiv für eine sozialistische Demokratie.

Unser ausführliches Programm zum Thema „Flucht“ findet sich hier: https://solidaritaet.info/2015/09/schutz-und-solidaritaet-fuer-alle-fluechtlinge-fluchtursachen-bekaempfen/

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