Gemeinsamer Kampf aller von Arbeitsplatzabbau betroffenen Betriebe dringend notwendig
Trotz strömendem Regen, trotz Kurzarbeit und Homeoffice sind am Mittwoch 14.7.2020 3.500 Beschäftigte der Bosch-Standorte Stuttgart-Feuerbach und Schwieberdingen dem Aufruf von Betriebsrat und IG Metall für eine „Kette der Solidarität“ für die Verteidigung der 20.500 Arbeitsplätze gefolgt. Unter Einhaltung der Corona-Abstandsregelungen zog sich die Menschenkette kilometerlang um das Gelände der Feuerbacher Konzernzentrale.
Von Ursel Beck, Stuttgart
Bosch-Manager: 30% zu viel Beschäftigte an Bord
„Es wird derzeit von der Firmenseite nur über Sparmaßnahmen und Personalabbau gesprochen. Das hat zur Folge, dass große Teile der Belegschaft um ihren Platz im Unternehmen und ihr Einkommen bangen“, so der stellvertretende Betriebsratsvorsitzende des Werks Feuerbach, Axel Petruzzelli. Bereits im Jahr 2019 hatte die Bosch-Konzernführung angekündigt 1.600 Arbeitsplätze an den Standorten Feuerbach und Schwieberdingen bis Ende 2021 abzubauen. Inzwischen würden die Chefs sogar davon, dass 30% zu viel Beschäftigte an Bord seien, berichteten Kolleg*innen. Auch die Zahl der Ausbildungsplätze soll reduziert werden. Im Bereich der Fertigung dient das Auslaufen des Verbrenners als Argument für den Abbau von Arbeitsplätzen, in den Zukunftsbereichen Entwicklung und IT die zu hohen Lohnkosten für die Verlagerung in Niedriglohnländer. Die große Frage ist, was passiert mit den Arbeitsplätzen nach Auslaufen der Kurzarbeit. Der zweite Bevollmächtigte der IG Metall Stuttgart, Martin Röll machte in einem Pressegespräch die Ansage: „Wir wollen mit allen durch die Krise. Niemand soll seinen Arbeitsplatz verlieren“. Wie das erreicht werden soll, steht nach der Aktion am Mittwoch völlig in den Sternen. Es gab keine Kundgebung bei der Aktion. Die Beschäftigten sind genauso ratlos und verunsichert in den Betrieb zurückgegangen wie sie herausgekommen waren. Die Konzernleitung machte gleichzeitig deutlich, dass an Arbeitsplatzabbau kein Weg vorbeiführe.
IGM: Arbeitszeitverkürzung mit Lohnverlust
Die IGM fordert die Anwendung der 1994 im Pforzheimer Abkommen ausgehandelten Abweichung vom Flächentarifvertrag. In diesem Tarifvertrag Beschäftigung (TV Besch) kann die Arbeitszeit bis auf 30 Stunden ohne Lohnausgleich abgesenkt werden. Bereits vor Corona wurde für einige tausend Beschäftigten in Feuerbach und Schwieberdingen die Arbeitszeit ohne Lohnausgleich von 40 auf 36, von 38 auf 36 Stunden bzw. von 35 auf 32 bei entsprechendem Lohnverzicht reduziert. Eine ähnliche Regelung nach dem TV Besch wollen Betriebsräte und IG Metall auf die Fertigung und andere Bereiche ausweiten. Die Rede ist von einer 4-Tage –Woche. Darüber verhandele man mit der Geschäftsleitung und wolle noch vor den Sommerferien zu einem Abschluss kommen. Und so könnte es dazu kommen, dass nach den Lohneinbußen durch Kurzarbeit noch höhere Lohnverluste auf die Beschäftigten zukommen und dennoch ein Teil der Arbeitsplätze „sozialverträglich“ über vorzeitige Verrentung und „freiwilliges Ausscheiden“ abgebaut wird. IGM-Führung und Betriebsräte sind weit entfernt die Kampfkraft zur Verteidigung der Arbeitsplätze einzusetzen. Das hat sich vor Kurzem am Bosch-Standort in Schwäbisch Gmünd gezeigt. Hier haben Betriebsräte und IG Metall Anfang Juli dem Abbau von fast 1.900 der insgesamt 4.700 Arbeitsplätze bis Ende 2026 zugestimmt. Der vereinbarte Ausschluss von betriebsbedingte Kündigungen wird von IG Metall und Betriebsräten genutzt die Arbeitsplatzvernichtung von einer Niederlage in einen Erfolg umzudeuten. Im Werk Bietigheim bei Stuttgart wird die Produktion ins Ausland verlagert. Hier verlieren Ende 2021 270 Beschäftigte ihren Job. Im Bremer Bosch-Werk werden bis Ende diesen Jahres 370 Kolleg*innen ihren Arbeitsplatz verlieren, weil die Fertigung nach Ungarn verlagert wird.
Branchenweiter aktiver Streik statt aktive Mittagspause
In diesen Tagen jagt eine Horrormeldung aus den Autobetrieben die nächste. Daimler hat die Zahl der zu vernichtenden Arbeitsplätze auf mittlerweile 20.000 erhöht und droht trotz zugesagter und mit Zugeständnissen der Belegschaft erkauften Beschäftigungssicherung bis 2029 mit betriebsbedingten Kündigungen. Darüber hinaus sollen erkämpfte Rechte, wie die Steinkühlerpause und Zulagen, gestrichen werden. Nicht nur bei Bosch, sondern in der gesamten Zulieferindustrie droht die massenhafte Vernichtung von Arbeitsplätzen. Wenn es dabei bleibt, dass Produktionsverlagerung in Niedriglohnländer kampflos hingenommen wird und auf Arbeitsplatzvernichtung nur mit einer „aktiven Mittagspause“ reagiert wird, haben die Konzerne nichts zu befürchten, aber hunderttausende Kolleg*innen und Kollegen werden ihre Existenzgrundlage verlieren. Es ist höchste Zeit, dass sich nicht jede Belegschaft isoliert einmachen lässt und die IG Metall in den Kampf-Modus umschaltet. Die Forderung nach Arbeitszeitverkürzung ist richtig. Aber die Kolleginnen brauchen den vollen Lohnausgleich. Wenn die Konzernchefs meinen, sie könnten das nicht bezahlen, ist das kein Argument für Lohnverzicht, sondern für die Forderung nach Übernahme der Konzerne in Gemeineigentum. Dann können die von den Belegschaften erwirtschafteten Gewinne und Gewinnrücklagen zur Finanzierung von Arbeitszeitverkürzung und für Investitionen in ökologisch und gesellschaftlich sinnvolle Produktion herangezogen werden.
IGM-Führung braucht innergewerkschaftliche Opposition
Auf allen Ebenen betreibt die IGM-Führung Co-Management. Mit der Forderung nach einer Prämie für den Verkauf von Verbrennern hat sie sich zum Chef-Lobbyist für die Profitinteressen der Autokonzerne gemacht. Eine neue Qualität von kapitalistischem Krisenmanagement bedeutet der jetzt von IG Metall und IG BCE gegründete und mit ein paar hunderttausend Euro Startgeld aus der Gewerkschaftskasse der IGM ausgestattete Hilfsfonds für die Zulieferindustrie namens Best Owner Consulting GmbH (BOG) mit dem ehemaligen Chef der KFZ-Sparte von Bosch, Bernd Bohr und dem ehemaligen Chef der Bundesagentur für Arbeit, Frank-Jürgen Weise als Geschäftsführer. Erklärtes Ziel der Gewerkschaftsspitzen ist es bei Konzernen und Vermögenden Geld aufzutreiben. Mit einem Topf von mindestens 500 Millionen Euro soll die drohende Insolvenz von Zulieferern abgewendet werden und den Konzernen ihre Lieferketten gesichert werden.
Höchste Zeit, dass von der Basis ein radikaler Kurswechsel eingefordert wird. Initiativen dafür gibt es durch den Metallertreff in Stuttgart (metallertreff@yahoo.de) das „Zukunftsforum Stuttgarter Gewerkschafter“, das Krisenbündnis Stuttgart http://krisenbuendnis-stuttgart.org/ und auf bundesweiter Ebene die „Vernetzung für kämpferische Gewerkschaften“ https://www.vernetzung.org/ Das Krisenbündnis ruft für Samstag 18.7.2020 unter dem Motto „Wir bezahlen nicht für ihre Krise“ zu einer Demonstration aufruft. Vor Daimler, Porsche, Mahle und auch bei der Menschenkette bei Bosch Feuerbach wurden insgesamt 3.000 Flyer verteilt, der die Kolleg*innen zur Demo am 18.7. aufruft. Auf der Rückseite des Flyers wurde die Politik der IGM-Führung kritisiert und ein Offener Brief an den Vorstand der IG Metall abgedruckt.
Mitglieder der Sozialistischen Organisation Solidarität in Stuttgart haben das sozialistische Programm für die Autoindustrie “Arbeitsplätze und Klima retten” angeboten, welches im März 2020 bei Manifest erschienen ist und hier bestellt werden kann: https://manifest-buecher.de/produkt/arbeitsplaetze-und-klima-retten/