Von der Corona-Krise in die Wirtschaftskrise
Seit März herrscht Ausnahmezustand. Die Virus-Angst ging um und versetzte einen Großteil der Bevölkerung in eine Art Schockstarre. Doch der wirkliche Schock wird für Millionen noch kommen, wenn die kapitalistische Wirtschaftskrise durchschlägt. Es ist dringend, dass Gewerkschaften und LINKE sich auf den nötigen Widerstand zur Verteidigung des Lebensstandards der Arbeiter*innenklasse rüsten.
Von Sascha Staničić, Sol-Bundessprecher
Während des Lockdowns überschlugen sich die Politiker*innen der etablierten Parteien und auch so manche Unternehmensleitung in Danksagungen für die „Held*innen“ in den Krankenhäusern, Supermärkten, Lagerhallen und den Transportern der Paketlieferdienste. Man rieb sich verwundert die Augen angesichts der Tatsache, dass dieselben Damen und Herren über Jahre das Gesundheitswesen kaputt gespart hatten und für die schlechten Lohn- und Arbeitsbedingungen eben dieser Held*innen verantwortlich waren und sind.
Heuchler*innen
Doch mittlerweile fallen die Masken und die Vertreter*innen der Reichen und Mächtigen entpuppen sich als die Heuchler*innen, die sie nun einmal sind.
Schon die Politik der Bundesregierung sowohl hinsichtlich des Lockdowns als auch der Lockerungsmaßnahmen war davon geprägt, die Interessen der Kapitalbesitzer*innen zur Geltung zu bringen. So wurden erst zu spät und dann übertrieben restriktive Maßnahmen in Bezug auf Kontaktbeschränkungen und Verbot des sozialen Lebens beschlossen, Millionen Beschäftigte mussten sich aber weiterhin in Werkshallen, Schlachthöfen, Großraumbüros und Lagerhallen einem erhöhten Infektionsrisiko aussetzen. Und während Kinderspielplätze weiterhin geschlossen blieben und wir uns nicht mit Freund*innen im Park treffen durften, wurden Baumärkte und Autohäuser wieder eröffnet – die Wirtschaft geht vor!
Monatelang war (und ist) der Staat nicht in der Lage ausreichend Schutzkleidung für das medizinische Personal und ausreichend Corona-Tests zur Verfügung zu stellen, war aber ganz schnell, als es darum ging, Großkonzernen, die in den letzten Jahren Milliardenprofite gemacht haben und fette Dividenden ausschütteten, mit Riesensummen unter die Arme zu greifen.
Selbst die großspurig angekündigte Bonuszahlung für Pflegebeschäftigte wird nun vielerorts für Krankenpfleger*innen nicht oder nur in geringem Ausmaß kommen, während die Personaluntergrenze in den Krankenhäusern außer Kraft gesetzt und die Arbeitszeitbeschränkungen gelockert wurden.
Merkel, Spahn, Scholz und Co. wissen halt welchen Herren (und wenigen Damen) sie dienen – den Eigentümer*innen und Großaktionär*innen der Banken und Konzerne.
System Tönnies = System Kapitalismus
Im Mai und Juni wurde dann immer offensichtlicher, dass das Virus eben doch nicht alle gleichermaßen trifft. Eine Studie belegte, dass arme Menschen ein doppelt so hohes Risiko haben aufgrund einer SARS-Cov-2-Infektion im Krankenhaus zu landen. Dann waren es die Zustände in Schlachthöfen und der Wurstfabrik des Schweinebarons Tönnies, sowie in Mietshäusern armer Menschen in Göttingen und Berlin, die nicht nur deutlich machten, dass es miese Arbeits- und Wohnbedingungen sind, die das Infektionsrisiko drastisch erhöhen, sondern auch wie der der kapitalistische Staat mit diesen betroffenen Menschen umgeht. Da werden in Gütersloh die Schulen wieder geschlossen, aber in Tönnies-Werkshallen wurde erst einmal weiter gearbeitet – schließlich muss das Fleisch verarbeitet (statt entsorgt) werden! Und in Göttingen und Berlin werden gesunde und kranke Mieter*innen einfach mal gemeinsam in Zwangsquarantäne gesteckt, eingesperrt und kaum mit Essen und Hygieneartikeln versorgt. Das ist so menschenverachtend, dass selbst die des Antikapitalismus unverdächtige Berliner Zeitung unter der Überschrift „Holt die Kranken aus den Häusern!“ schrieb: „Glauben Sie, es wäre in Mitte, in Charlottenburg-Wilmersdorf ebenso gelaufen? Nein. Dort hätten sich die Bewohner gar nicht angesteckt, ihre Wohnungen sind geräumig genug. Dort aber hätten auch die Medien genauer auf das ‘Wie’ und nicht nur auf das ‘Wer’ geschaut. Womit wir bei dem größeren zweiten Problem wären: dem mit der Quarantäne-Entscheidung einhergehenden Begleitrauschen von Rassismus, Antiziganismus und Klassismus.“
Es wird noch schlimmer werden
Der Kapitalismus lässt seine Maske fallen und offenbart all die Missstände, die es nicht erst seit Corona gibt. Doch eins ist sicher: wenn wir diesen Leuten und ihrem System nicht Einhalt gebieten, wird alles noch schlimmer werden. Der Wirtschaftseinbruch in diesem Jahr wird heftig. Die so genannten Wirtschaftsweisen rechnen mit einem Rückgang der Wirtschaftsleistung um 6,5 Prozent. Im Herbst wird eine Pleitewelle anrollen. Wenn von den sieben Millionen Kurzarbeiter*innen nur 15 Prozent nicht wieder zurück in ihren Job kommen, sind das eine Million Erwerbslose mehr. Sinkende Steuereinnahmen, Rückzahlung der Staatsschulden, steigende Sozialausgaben aufgrund der Arbeitslosigkeit werden nicht von den Vermögen und Profiten der Reichen ausgeglichen werden, sondern zu Renten- und Sozialkürzungen und Abbau öffentlicher Infrastruktur und Leistungen führen. Wie in und nach jeder Krise wird die Arbeiter*innenklasse zur Kasse gebeten werden.
Es sei denn …
… wir nutzen die Erkenntnis, dass ohne die Lohnabhängigen diese Gesellschaft nicht läuft. Geld ist auch in der Krise genug da, es ist nur in den falschen Händen – besteuert man endlich die Reichen und Konzerne könnte Geld locker gemacht und für die Interessen der Mehrheit eingesetzt werden. Betriebe, die nun entlassen oder schließen wollen, können in demokratisch kontrolliertes und verwaltetes öffentliches Eigentum überführt werden und dadurch sinnvoll wirtschaften und Arbeitsplätze retten. Doch das wird nur durchgesetzt werden können, wenn die Lohnabhängigen und sozial Benachteiligten sich organisieren und zur Gegenwehr übergehen. Gewerkschaften und DIE LINKE stehen in der Pflicht, diese Aufgabe anzugehen statt mit Arbeitgebern und bürgerlichen Parteien zu kuscheln.