Trotz und wegen Corona: Streiks und Widerstand

Foto: Nick Youngson CC BY-SA 3.0 Alpha Stock Images

Globaler Protest von Unten

Auch während einer globalen Pandemie steht für die Kapitalisten der Profit an erster Stelle. Auf der einen Seite wird unsere Bewegungsfreiheit eingeschränkt, andererseits sollen wir mit zahlreichen Kolleg*innen in Büros und Produktionsanlagen weiterarbeiten. Doch dagegen regt sich Widerstand – und das international!

von Jens Jaschik, Dortmund

500 Milliarden Euro will die Bundesregierung Konzernen zur Verfügung stellen, um durch die Corona-Krise zu kommen. In ganz Europa werden solche gewaltigen Rettungspakete geschnürt. Und was bekommen wir? Wir sollen die Kosten tragen: Kurzarbeit, Entlassungen, Arbeitsdruck. Und nicht nur das. Während das Geld weiter in die Taschen einer reichen Minderheit fließt, bekommen wir auf der Arbeit nicht mal ausreichend Schutz vor Corona.

Das hat einen Grund: Nicht die Kolleg*innen im Betrieb bestimmen über die nötigen Sicherheitsmaßnahmen und nicht die Mehrheit der Gesellschaft bestimmt, welche Unternehmen aktuell weiterlaufen und welche vorübergehend geschlossen werden. Die Entscheidungsgewalt liegt in der Chefetage und beim politischen Establishment. Kein Wunder, dass es weltweit zu Protesten kommt.

International

Im spanischen Staat haben 5000 Kolleg*innen des Mercedes-Werks Vitoria-Gasteiz, der größten Fabrik im Baskenland, gestreikt und die sofortige Schließung des Werkes aus gesundheitlichen Gründen gefordert. Obwohl die Geschäftsleitung in Verhandlungen mit dem Betriebsrat dies zunächst ablehnte, musste sie in Anbetracht der Arbeitsniederlegung der Forderung nachgeben. In dem Amazon-Lager in Madrid, eine Region, die als Hochrisikogebiet gilt, spitzt sich die Situation zu. Auch hier drohen die Kolleg*innen mit Streik, weil die Geschäftsführung weiter machen will wie bisher – und sogar zusätzliche Zeitarbeiter*innen einstellen will – obwohl es schon drei Corona-Fälle im Lager gab.

Bei Amazon in Frankreich sind die Kolleg*innen inzwischen an vier Standorten – Montélimar, Chalon sur Saône, Douai und Saran – in den Streik getreten, um gegen die Nichteinhaltung der Abstandsregeln, die nicht stattfindende Reinigung der Arbeitsbereiche und den Mangel an Desinfektionsmitteln zu demonstrieren. In New York trat eine Schicht den Dienst nicht an, weil Amazon den Arbeitsbereich nicht ausreichend gereinigt hatte. Außerdem gibt es große Wut über die Frage der Lohnfortzahlung in Krankheitsfällen. Gleichzeitig hat Amazon das Arbeitspensum in den USA von vierzig auf fünfzig Stunden pro Woche erhöht.

In Großbritannien, wo das Gesundheitssystem in den letzten Jahren zu Grunde gespart wurde, hatte die Regierung zuerst beschlossen, kaum Maßnahmen zu ergreifen und auf . eine sich entwickelnde Herdenimmunität zu setzen. Boris Johnson musste nun zwar eine Kehrtwende hinlegen, aber es wurde wertvolle Zeit verloren. Die Wut auf die Untätigkeit der Regierung ist dementsprechend hoch. Inzwischen ist wiederholt Reinigungspersonal in Krankenhäuser in Warnstreiks getreten. In Nordirland haben am 25. März tausende Kolleg*innen des größten nordirischen Arbeitgebers Seagoe Moy spontan ihren Arbeitsplatz verlassen, weil sie sich weigerten, zu einer Arbeit zu gehen, die nicht sicher ist.

Italien

In Italien, das am stärksten von der Corona-Krise getroffen ist, hat sich der Klassenkampf am weitesten entwickelt. Solidarität und Protest zeigen sich dort nicht nur in Musik, die gemeinsam von den Balkonen gespielt wird, oder im Applaus für die Pflegekräfte, der ab 21 Uhr im ganzen Land ertönt, sondern auch in einer zunehmenden Zahl von Streiks. Nach mehreren Arbeitsniederlegungen im Norden, die Betriebsschließung forderten, drohen erste Gewerkschaften jetzt mit einem Generalstreik.

Die italienische Regierung hat daraufhin angekündigt, alle Unternehmen, Fabriken und Büros dicht zu machen, die nicht für die Grundversorgung nötig seien. Doch am Sonntag den 21. März wurde die Liste der Ausnahmen veröffentlicht: Die Produktion von Reifen, Plastik, und Stoffen, Autowerkstätten und die gesamte Chemiebranche sollen weiterlaufen. Hunderttausende sollen trotz Infektionsgefahr in dem Land mit den meisten Corona-Toten weiterarbeiten. Die Wut ist dementsprechend groß. Ein Generalstreik ist die richtige Antwort. Italien kann dadurch zu einem Lichtpunkt für ganz Europa und die Welt werden und demonstrieren, wie man der kapitalistischen Profitlogik und der Corona-Krise von Unten begegnen sollte.

Die Zahl der Proteste und Streiks wird weiter zunehmen. Es ist nicht möglich, alle hier aufzuzählen. Sie machen deutlich, dass der Widerspruch zwischen Kapital und Arbeit – zwischen denen, die täglich arbeiten gehen und die Gesellschaft am Laufen halten, und denen, die sich die Gewinne in die Tasche stecken – überall gleich ist. Wenn den Bossen der Banken und Konzerne ihre Profite wichtiger sind als unsere Leben, müssen wir sie dort angreifen, wo es ihnen weh tut – beim Geld! Wenn wir die Arbeit niederlegen, läuft gar nichts mehr.

Perspektiven

Kolleg*innen streiken aktuell hauptsächlich, weil die Bosse der Unternehmen keine verschärften Hygiene- und Sicherheitsmaßnahmen umsetzen. Verbunden sind diese Proteste mit einer Wut auf das politische Establishment, das auf der Seite der Banken und Konzerne steht und deshalb unfähig ist, Maßnahmen im Sinne der Mehrheit der Menschen zu ergreifen. Das bietet Potenzial, dass sich die Proteste verallgemeinern, zunehmen und sich nicht nur gegen die Bosse in den jeweiligen Betrieben richten, sondern gegen das ganze System, dass die Schuld an der aktuellen Misere trägt.

Sobald die Corona-Krise vorbei ist, müssen wir weiterkämpfen. Die sich gerade entfaltende Weltwirtschaftskrise wird die Widersprüche weiter verschärfen. Wir müssen dafür streiken, dass die Verluste der Corona-Krise und der kommenden Wirtschaftskrise nicht auf die Schultern der arbeitenden Bevölkerung abgeladen werden.

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