Es geht nicht nur um Tönnies!

Missbrauch von Werkverträgen verbieten!

Eines muss man Clemens Tönnies lassen. Der Ex-Aufsichtsratsvorsitzende vom Fußball-Bundesligisten Schalke 04 und Chef des nach ihm benannten Fleischkonzerns, versteht es im Gespräch zu bleiben.

Von Torsten Sting, Rostock

Wir erinnern uns. Im Juni erkrankten mehr als 1500 Beschäftigte seines Betriebes in Weda-Wiedenbrück am Coronavirus. Es folgte im Landkreis ein Lockdown. Erneut mussten Schulen, Kitas und kleine Geschäfte ihre Pforten schließen. Eltern, Kinder, abhängig Beschäftigte und kleine Selbständige, wurden für das skrupellose Verhalten eines Milliardärs in Haftung genommen, der seit Jahr und Tag Menschen und Tiere ausbeutet, um noch reicher zu werden.

„System Tönnies“

Die miesen Arbeitsbedingungen hatten die Ausbreitung des Virus leicht gemacht. Neben den betrieblichen Faktoren, waren es die miserablen Wohnbedingungen, die zur schnellen Ausbreitung von Corona führten.

Die Empörung war zu Recht groß. Es wurde das perfide System bei Tönnies, dass maßgeblich auf Werkverträgen basiert, gebrandmarkt. Kolleginnen und Kollegen aus Osteuropa werden über Subunternehmen zu Billiglöhnen beschäftigt. Formell sind sie damit nicht bei Tönnies beschäftigt und dieser ist damit fein raus.

Insbesondere Bundesarbeitsminister Heil (SPD) mimte mit starken Sprüchen den Kämpfer gegen das Großkapital. Aber seine Partei war es, die zusammen mit den Grünen, die massive Ausweitung von prekären Beschäftigungsverhältnissen mit der Agenda 2010 vorantrieb. Union und FDP im Verein mit den bürgerlichen Medien teilten dieses Ansinnen. Einzig DIE LINKE und Gewerkschaften wie die NGG kritisierten schon vor Jahren diese Entwicklung.

Gesetz

Nun hat die Bundesregierung das „Arbeitsschutzkontrollgesetz“ auf den Weg gebracht. Dieses soll bei Betrieben der Fleischindustrie, die mehr als fünfzig Beschäftigte haben, die Arbeitsbedingungen neu regulieren. „Der Gesetzentwurf von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil sieht vor, dass in größeren Betrieben der Branche ab dem 1. Januar 2021 im Kerngeschäft Schlachtung, Zerlegung und Fleischverarbeitung keine Werkvertragsarbeiter und ab 1. April 2021 auch keine Leiharbeiter mehr beschäftigt werden dürfen. Bei Verstößen drohen Bußgelder.“ (tagesschau,de, 30.7.20)

Dieser Gesetzentwurf ist zunächst eine Reaktion auf den öffentlichen Druck. Natürlich ist es zu begrüßen, dass hier ein Schritt in die richtige Richtung gegangen wird. Dennoch ist Misstrauen angebracht. Zum einen stellt sich die Frage, warum es nur für bestimmte Bereiche der Fleischfabriken ein Verbot geben soll. Zudem ist es nicht einzusehen, dass Kolleginnen und Kollegen in kleineren Betrieben, nach wie vor zu solch schlechten Bedingungen arbeiten sollen.

Und wie immer, überlegen sich Kapitalisten vom Schlage eines Clemens Tönnies, dass Gesetz umgehen zu können.

Die üblichen Tricks

Konzernbosse sind sehr erfindungsreich, wenn es darum geht, nach verschlungenen Wegen zu suchen, um Gesetze zu umgehen, die sie daran hindern, den maximalen Gewinn zu erzielen. Kaum war der Entwurf bekannt, machte die Nachricht die Runde, dass Tönnies 15 „Vorratsgesellschaften“ zu je maximal fünfzig Beschäftigten gegründet hat. Zwar wies Arbeitsminister Heil darauf hin, dass Tönnies, dass Gesetz damit nicht umgehen könne, da die oben beschriebene Ausnahme nur für kleinere Handwerksbetriebe gelten soll und es sich beim Konzern eben um einen Industriebetrieb handele. Aber wer garantiert uns, dass es bei dieser gesetzlichen Definition bleibt? Vielleicht werden, wenn Gras über die Sache gewachsen ist, Ausnahmen beschlossen. Der Phantasie sind da keine Grenzen gesetzt. Und selbst wenn sich keine gesetzlichen Schlupflöcher auftun, wird es im Betrieb durch die mögliche Aufspaltung der Belegschaft in verschiedene Gesellschaften, schwieriger werden, gemeinsam zu kämpfen.

Die Wurzel packen

Im Hinblick auf das Thema stellen sich zwei zentrale Fragen. Zum einen darf man das Thema Werkverträge (und Leiharbeit) nicht auf die Fleischindustrie beschränken. Derzeit gibt es verstärkte Coronainfektionen in landwirtschaftlichen Betrieben Bayerns. Auch hier sind in erster Linie Kolleginnen und Kollegen, die über einen Werkvertrag angestellt sind, betroffen. Zudem handelt es sich bei diesen Arbeitsverhältnissen um besonders ausbeuterische und sie spielen eine wichtige Rolle dabei, die Belegschaften zu spalten und damit die Kampfkraft der Gewerkschaften zu schwächen. Daher kann unsere Forderung nur lauten: Missbrauch von Werkverträgen verbieten!

Das dreiste Verhalten von Tönnies zeigt aber noch mehr. Wir können nur das kontrollieren, was uns gehört. Mit Tönnies muss der Anfang gemacht und der Konzern in gesellschaftliches Eigentum überführt werden. Demokratisch können dann Vertreter*innen der Beschäftigten, der Gewerkschaft NGG, Tierschützer*innen sowie des Staates darüber bestimmen, wie der Betrieb geleitet wird. DIE LINKE und die NGG sollten jetzt die Gunst der Stunde nutzen um mit einer Kampagne hier wichtige Pflöcke einzuschlagen.

Die Sol fordert:

– Tönnies muss für die Kosten des Lockdowns komplett aufkommen und sein Vermögen herangezogen werden

– Komplette Lohnfortzahlung für alle Kolleginnen und Kollegen des Konzerns

im Falle einer Schließung der Fabriken infolge von Coronainfektionen

– Für eine Kampagne der LINKEN und der Gewerkschaft NGG mit dem Ziel

betriebliche Strukturen in allen Fabriken mit Betriebsräten und gewerkschaftlichen Strukturen aufzubauen und einen Tarifvertrag zu erkämpfen

– Verbot der Leiharbeit und des Missbrauchs von Werkverträgen in allen Branchen, ohne Schlupflöcher. Kontrolle von Werkverträgen durch gewählte Vertreter*innen der Beschäftigten und Gewerkschaften

– Mindestlohn ohne Ausnahmen von dreizehn Euro pro Stunde als erster Schritt zu 15 Euro

– Enteignung des Tönnies Konzerns und der gesamten Fleischindustrie und Überführung in öffentliches Eigentum.

– Demokratische Kontrolle durch Vertreter*innen der Beschäftigten, der Gewerkschaft NGG, Tier- und Umweltschützer*innen sowie des Staates.