Impfdesaster verlängert Pandemie

Pharmaindustrie in öffentliches Eigentum!

Die Impfkampagne der Bundesregierung war bisher voller Pannen. Wertvolle Zeit wurde verspielt, um die Pandemie in den Griff zu bekommen. Hierzulande, aber auch weltweit warten Millionen von Menschen darauf geimpft zu werden.

Von Marie Schulpig und Angelika Teweleit, Berlin

Seit mehr als einem Jahr steht Covid-19 auf unserer Tagesordnung. Die Schnelligkeit in weniger als einem Jahr, mehrere Impfstoffe zu entwickeln, erschien zunächst bemerkenswert. Doch dann wurde deutlich, wie wenig das kapitalistische Profit- und Konkurrenzsystem geeignet ist, Krisen wie diese zu bewältigen. 

Effektive Impfkampagne

Was hätte passieren müssen, um schnell sichere Impfstoffe in ausreichender Menge zur Verfügung zu haben? Die Forschungsergebnisse hätten ausgetauscht und frei zugänglich gemacht werden müssen. Die Produktion hätte massiv angekurbelt werden müssen. Es müsste einen internationalen Austausch geben, um alle Länder schnellstmöglich mit genügend Impfstoff auszustatten. Pläne für Produktion, Verteilung und Logistik hätten nach dem Bedarf ausgerichtet werden müssen, so dass alle Menschen, die wollen, innerhalb weniger Monate geimpft werden können. Doch im globalen Kapitalismus laufen die Dinge anders. 

Nichts funktioniert richtig

Abgesehen von der Inkompetenz der Regierungspolitiker*innen liegen die tieferen Ursachen für das ganze Desaster in einem System, in dem die Profite der Konzerne das Motiv für Produktion und Verteilung sind. Dies und die Konkurrenz unter den großen Konzernen machen eine geplante und sinnvolle Strategie unmöglich. Während Regierungen Milliardensummen an die Pharmaindustrie für die Erforschung vergeben haben, bleiben Patente und Forschungsergebnisse Privateigentum der Konzerne. Große Konzerne verkaufen die Impfstoffe an verschiedene Länder, und erwarten riesige Gewinne. Mit der “Operation Wharp Speed” haben sich die USA einen großen Teil der Impfstoffe gesichert. Unter den Ländern hat ein Gehaue und  Gehacke begonnen. In einer kapitalistischen Welt gibt es auch bei den für das Leben aller lebenswichtigen Dingen wie Impfstoffen keine Kooperation. Leidtragend ist die Masse der arbeitenden Bevölkerung international.  

Zu wenig Impfstoffe 

In den Verhandlungen mit den Regierungen versuchen die Konzerne, den größtmöglichen Profit herauszuschlagen. So sollte anfangs eine Dosis des BioNTech/Pfizer Impfstoffs 54,08 Euro kosten und wurde erst später auf 15,50 Euro gesenkt. Dennoch erwartet man für Biontech/Pfizer einen Gewinn von 13 Milliarden US-Dollar in diesem Jahr. AstraZeneca, welches den Impfstoff in Zusammenarbeit mit der Oxford Universität und stark subventioniert entwickelte, will bis “zum Ende der Pandemie” – welches sie im Juli 2021 kommen sehen, keine Gewinne mit dem Impfstoff einfahren – aber nur bis dann. Viel Zeit wird bei der Herstellung vergeudet. Es wird so getan, als sei es nicht möglich, schneller zu produzieren. Was kaum berichtet wird, ist aber dass das kleine Kuba beispielsweise bis Ende diesen Jahres hundert Millionen Impfdosen produzieren will. Als einziges lateinamerikanisches Land haben sie schon eigene Impfstoffe entwickelt – auf Grundlage des enorm gut ausgebauten staatlichen Gesundheitswesens inklusive medizinischer Forschung, welches noch Erbe der kubanischen Revolution ist. 

Abgehängt

Von vierhundert Millionen Impfdosen haben sich die westlichen imperialistischen Länder im Frühjahr neunzig Prozent gesichert. In Afrika leben 17 Prozent der Weltbevölkerung, hier wurden aber nur zwei Prozent der weltweiten Impfdosen verimpft. Die Ungleichheit wird dazu führen, dass Covid-19 vor allem in ärmeren Ländern möglicherweise noch Jahre grassiert. Dabei ist selbst den Herrschenden klar, dass die Pandemie nicht zum Stillstand kommt, wenn sie sich in Teilen der Welt weiter ausbreitet. Die Weltgesundheitsorganisation richtete letztes Jahr einen Technologiepool ein, welches Unternehmen dazu ermutigen soll, ihr Know-how mit Herstellern in armen Ländern zu teilen. Doch es hat sich keines gemeldet.

Zudem haben die USA und die EU bei der Welthandelsorganisation einen Antrag aus Südafrika und Indien blockiert, der den Verzicht auf geistige Eigentumsrechte für Covid-19-Impfstoffe und -Behandlungen vorsieht. Dieser Antrag hat sich aktuell in verfahrenstechnischen Anhörungen festgefahren. Auch zwischen den reichen Industrienationen verschärft sich der Konflikt um die Impfstoffverteilung. Ende März verhängte die EU-Kommission beispielsweise ein Exportverbot gegen Astrazeneca. Impfstoffe aus China und Russland werden blockiert. 

Chaos in der Impfkampagne

Ein weiteres Problem in der Impfkampagne ist jedoch die gesamte Koordination der Impfkampagne. Hier fehlt eine zentrale Planung, wie sie zum Beispiel durch ein demokratisch organisiertes staatliches Gesundheitswesen möglich wäre. Gesundheitsämter sind aufgrund des chronischen Personalmangels dauerhaft überlastet. Jetzt sollen auch die Hausärzt*innen Impfungen anbieten, was zum einen entlastend ist. Das Problem des Personalmangels wird aber von einem Punkt zu anderen geschoben. Es wird mehr Stress und Arbeit für die bereits am Limit arbeitenden Beschäftigten bedeuten, da die Impfungen sicherlich neben der ganz normalen Sprechstunde ablaufen werden. Nötig ist mehr Personal im gesamten Gesundheitswesen, bessere Bezahlung und eine deutliche Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohn- und Personalausgleich. 

Während der gesamten Pandemie zeigt sich, dass ein Gesundheitssystem, dass nach Profit gestaltet wird, nicht zum Wohle der Menschheit agiert. Wir brauchen ein Gesundheitssystem, dass nach Bedarf geregelt wird unter demokratischer Kontrolle und Verwaltung der Beschäftigten und Gewerkschaften. 

Pharmaindustrie in öffentliches Eigentum

LINKE und Gewerkschaften sollten jetzt die Offenlegung aller Verträge mit den Pharmakonzernen, die Freigabe aller Patente, und die umgehende Verpflichtung der Unternehmen zur Umstellung auf Impfproduktion ohne Gewinne fordern. 

Vor uns baut sich die dritte Welle auf, die durch schnelleres Impfen mindestens flacher verlaufen wäre. Solange Profitinteressen maßgeblich sind, werden die Bedürfnisse der Menschen und Erhalt der Gesundheit hinten anstehen. Um die Produktion von Impfstoffen und Medikamenten auf der Grundlage  von demokratischer Kontrolle und Verwaltung durch die arbeitende Bevölkerung zu organisieren, muss die Pharmaindustrie in öffentliches Eigentum überführt werden. Genauso müssen private Unternehmen und Marktlogik aus dem gesamten Gesundheitswesen verbannt werden. Erst dann könnte ein nach Bedarf orientiertes, demokratisch organisiertes öffentliches Gesundheitssystem errichtet werden. Die gesamte Situation schreit nach der Überwindung des Kapitalismus und dem Aufbau einer sozialistischen Demokratie, in der nach Bedarf gewirtschaftet werden kann und in der auf internationale Solidarität und Austausch gesetzt wird. 

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