Der Kampf für Arbeiter*innenkontrolle und -verwaltung muss weiter gehen
Irans halboffizielle Nachrichtenagentur Fars berichtete am 8. Mai, dass die größte Zuckerrohrfabrik des Landes, Haft Tappeh, wieder verstaatlicht wurde. Die Fabrik wurde im Jahr 2015 privatisiert. Seitdem haben die Arbeiter*innen für ihre Wiederverstaatlichung gekämpft, ein Kampf, der oft von Unterdrückung und Inhaftierung von Aktivisten geprägt war.
von Lukas Zöbelein, Mainz
Ein Gericht entschied, dass es bei der Privatisierung von Haft Tappeh zahlreiche Unregelmäßigkeiten gegeben hatte, dass sie zu einem sehr niedrigen Preis verkauft worden war und dass die neuen privaten Eigentümer von Rent-Seeking-Aktivitäten profitiert hatten.
Mit dieser Entscheidung haben die Arbeiter*innen von Haft Tappeh einen bedeutenden, wenn auch teilweisen Sieg errungen. Er ist nicht vollständig, denn sie haben auch die Kontrolle der Arbeiter*innen über den Betrieb der Fabrik gefordert, und die Verstaatlichung allein wird dieses Ziel nicht erreichen.
Im Moment hat der iranische Staat zwar die Kontrolle über die Fabrik übernommen, aber es ist nicht klar, was er als nächstes tun will. Es kann sein, dass es Pläne gibt, das Unternehmen wieder zu privatisieren. Vielleicht wird die Situation erst nach den Präsidentschaftswahlen am 18. Juni klar werden. Eines ist jedoch klar: Mit der wiederholten Anwendung von Repressionen, einschließlich Folter, gegen die Arbeitervertreter*innen von Haft Tappeh und diejenigen, die sie unterstützen, hat das Regime gezeigt, dass es nicht im Interesse der Arbeiter*innen handelt.
Umso wichtiger ist es, dass die Gewerkschaft der Arbeiter*innen von Haft Tappeh jetzt ihre Kampagne für die Kontrolle und das Management des Unternehmens durch die Beschäftigten fortsetzt und sie mit Aktionen und Streiks unterstreicht, um diese Forderung durchzusetzen.
Für die sich entwickelnde Arbeiter*innenbewegung im Iran ist dieser Erfolg bei Haft Tappeh sehr wichtig. Er sollte als Signal genutzt werden, um für die Verstaatlichung aller Unternehmen zu kämpfen, die in den letzten Jahrzehnten privatisiert wurden und die sich in der Krise befinden. Um eine wirkliche Veränderung im Interesse der Arbeiter*innen zu erreichen, müssen solche Kämpfe mit der Etablierung von Arbeiter*innenkontrolle und -management verbunden sein.
Dafür ist es notwendig, nationale Strukturen zu schaffen, wie es die jüngste Erklärung zum 1. Mai, die von 15 Arbeiter*innenorganisationen und Gewerkschaften unterzeichnet wurde, forderte. In solchen Strukturen könnten sich alle Organisationen, die die Interessen der iranischen Arbeiter*innenklasse vertreten, zusammenschließen, um die Kämpfe der Klasse gemeinsam zu organisieren, zu diskutieren und zu koordinieren.
Zunehmende Kämpfe der Arbeiter*innen
Dieser Aufruf erfolgt vor dem Hintergrund einer wachsenden Zahl von Arbeitskämpfen seit 2017. Es wurde berichtet, dass im 2021 bis März 1915 Proteste im Iran stattgefunden haben. Diese wurden hauptsächlich von Arbeiter*innen, Lehrer*innen und Rentner*innen getragen. Das ist ein fünfzigprozentiger Anstieg der Proteste im Vergleich zum Vorjahr und trotz der Covid-Pandemie die höchste Zahl seit sieben Jahren.
Eine Wirtschaftskrise mit einer Inflation, die in diesem Jahr fast vierzig Prozent erreichen soll, und eine Arbeitslosigkeit von über elf Prozent sind der Hintergrund dieser Bewegungen. Aber diese Kämpfe haben sich nicht nur um diese ernsten wirtschaftlichen Probleme gedreht. Sie richteten sich auch gegen Unterdrückung und für demokratische Rechte.
In einigen dieser Kämpfe wurden auch allgemeinere Slogans gegen das Regime laut. Das macht es umso notwendiger, eine Diskussion über die Gründung einer unabhängigen Arbeiter*innenpartei zu beginnen und darüber, was ihr Programm sein sollte. Eine solche Partei ist notwendig, um die Kämpfe der Arbeiter*innen und der Jugend zu vereinen, aber sie müsste auch für ein sozialistisches Programm eintreten, das die Arbeiter*innenklasse und die Armen zum Bruch mit dem kapitalistischen System mobilisieren kann.