Gewerkschaftsbund ruft zum „Gipfel der Arbeiter*innenklasse“ auf
Am 12. und 13. Juni wird die SAFTU (Südafrikanische Föderation der Gewerkschaften) den Working Class Summit (WCS – „Gipfel der Arbeiter*innenklasse“) wieder einberufen. Der WCS wurde 2018 zum ersten Mal einberufen, gemäß einer Resolution, die auf dem Gründungskongress der SAFTU 2017 verabschiedet worden war. Eintausend Delegierte, die 147 Gemeinden, Jugendliche und Gewerkschaften vertraten, nahmen eine Resolution an, in der es hieß: „Eine klare Mehrheit stimmte darin überein, dass es notwendig ist, eine unabhängige, demokratische und revolutionäre politische Partei der Arbeiter*innenklasse aufzubauen, die stark genug ist, die soziale, wirtschaftliche und politische Macht zu erobern, das kapitalistische System abzuschaffen und es durch den Sozialismus zu ersetzen.”
von Weizmann Hamilton, Marxistische Arbeiter*innenpartei (Schwesterpartei der Sol)
Nun soll an den Aufbau einer solchen Partei gegangen werden. Ab nächster Woche werden in den Provinzen des Landes Provinzstrukturen aufgebaut.
Geschichte
Versuche, eine Arbeiter*innenpartei zu gründen, gab es in der Geschichte des Landes einige, die scheiterten. Zunächst die Föderation Südafrikanischer Gewerkschaften (FOSATU – Vorgängerorganisation des Südafrikanischen Gewerkschaftskongresses COSATU) politisch vereinnahmt, die auf ihrer Konferenz im Jahr 1982 erstmals davor gewarnt hatte, ihre Unabhängigkeit an den ANC (Afrikanischer Nationalkongress – heute Regierungspartei) abzugeben. Es folgte die Einbindung von COSATU in die klassenkollaborationistische Dreierallianz mit dem ANC und der Südafrikanischen Kommunistischer Partei (SACP) und die Umbenennung von FOSATU in COSATU durch die exilierte ANC-Führung im Jahr 1985.
1993 bracht die NUMSA (Metallarbeiter*innengewerkschaft)-Führung in COSATU erfolglos die Resolution ein, den ANC bei den ersten demokratischen Wahlen im folgenden Jahr herauszufordern. Die jetzt stalinistisch kontrollierte NUMSA-Führung gründete, entgegen der Resolution des SAFTU-Gründungskongresses von 2017, im Dezember 2018 die Socialist Revolutionary Workers Party (SRWP). Das demütigende Scheitern der von Milliardären unterstützten SRWP bei den Wahlen 2019 ist eine klare Absage durch die 340.000 Mitglieder der NUMSA. Allein deren Unterstützung hätte ihr mindestens zehn Sitze in dem bestehenden Verhältniswahlrecht garantieren können. Mit ihnen und den 400.000 Mitgliedern der SAFTU-Mitgliedsorganisationen wurde das Potenzial verspielt, die größte Oppositionspartei in Südafrika zu werden.
Marxist*innen bestätigt
In der Erkenntnis, dass die neoliberale Politik des ANC seit 1996 die Klassenpolarisierung und damit die Desillusionierung mit dem ANC beschleunigen würde, gab die Vorgängerorganisation der heutigen Marxistischen Arbeiter*innenpartei (MWP) ihre Ausrichtung auf den ANC auf, gründete die Demokratisch-Sozialistische Bewegung (DSM) und setzte sich für eine Massenarbeiter*innenpartei mit einem sozialistischen Programm ein.
Diese Perspektive wurde durch aufeinanderfolgende Umfragen zur politischen Einstellung bestätigt, die COSATU unter Betriebsrät*innen durchführte. Im Jahr 2012, in einer Umfrage, die vor dem Marikana-Massaker an streikenden Bergarbeitern durchgeführt wurde, unterstützten 67 Prozent der COSATU-Mitglieder die Gründung einer Arbeiter*innenpartei. Das Eingreifen der DSM in den Bergarbeiter*innenstreik 2012 bot die Gelegenheit, eine solche Partei in Zusammenarbeit mit dem nationalen unabhängigen Streikkomitee der Bergarbeiter*innen zu gründen. Die Workers and Socialist Party (WASP), die als breite, inklusive Bündnispartei mit der DSM als Mitglied gegründet wurde, wurde jedoch von der Führung der keinem Verband angehörigen Association of Mineworkers Construction Union verteufelt, der die Bergarbeiter*innen beigetreten waren, nachdem sie die COSATU angeschlossene Bergarbeiter*innengewerkschaft NUM verlassen hatten. Die gesamte Linke wendete sich, ebenso wie die NUMSA-Führung, gegen die WASP, die sie eingeladen hatte, sich der Partei anzuschließen. Die WASP wurde dann von den finanziell wesentlich besser ausgestatteten populistischen Economic Freedom Fighters (EFF) in die Ecke gedrängt. Auch ohne einen Sitz zu gewinnen, hatte die WASP aber zum ersten Mal in der demokratischen Ära des Landes die Fahne des revolutionären Sozialismus auf die Wahlebene gehisst. Nach unserer Trennung von der WASP hat nun die MWP dazu beigetragen, die Idee einer Arbeiter*innenpartei in SAFTU zu verankern.
Politische Krise
Der ANC befindet sich in einem ihn lähmenden Flügelkampf. Er könnte im Jahr 2024 unter fünfzig Prozent der Stimmen fallen. Das Hauptbollwerk zur Rechten des ANC, die Demokratische Allianz, ist aufgrund der rassistischen Spannungen in einer weiß geführten kapitalistischen Partei, die um Unterstützung in der schwarzen Wähler*innenschaft kämpft, nicht in der Lage, aus der Krise des ANC Kapital zu schlagen. Auf der linken Seite ist der Schwung der EFF ins Stocken geraten.
Nachdem die MWP an vorderster Front für die Wiedereinberufung der WCS war, fordert sie nun, einen Termin für die Gründung einer Arbeiter*innenpartei festzulegen und ein klares sozialistisches Programm zu verabschieden.
Die Kampagne der Arbeiter*innen der Erweiterten Öffentlichen Arbeitsprogramme für sichere Arbeitsplätze und einen Mindestlohn von 12.500 Rand, die von der MWP unterstützt wird, wurde bisher in vier Provinzen gebildet. Die MWP setzt sich dafür ein, dass diese Kampagne dem WCS beitritt. Es bietet sich eine historische Chance, den Knoten der Geschichte zwischen der heutigen Generation und derjenigen der frühen 80er und 90er Jahre zu lösen und den Weg für die Entstehung einer Massenarbeiter*innenpartei mit einem sozialistischen Programm freizumachen.