Drohende Gefahr einer Schuldenkrise
Ende 2021 erklärte der Internationale Währungsfonds, dass es 2020 im Zuge der Corona-Pandemie weltweit zum größten Schuldenanstieg in einem Jahr seit dem Zweiten Weltkrieg kam. Während der Schuldenberg weiter wächst, sind die Herrschenden uneins wie sie damit umgehen sollen.
Von Jens Jaschik, Sol Dortmund
Zusammengerechnet beträgt das weltweite Schuldenkonto 200 Billionen Euro. Die globalen Staatsschulden und die Schulden von Unternehmen haben einen Höchststand erreicht. Mehr als die Hälfte der neuen Schulden wurden laut IWF von Staaten aufgenommen. Gleichzeitig hat sich das Vermögen der zehn reichsten Männer seit Beginn der Corona-Pandemie verdoppelt, während Millionen von Menschen in Armut gerutscht sind und die Lasten der Pandemie tragen. Laut dem neuesten Oxfam-Bericht ist ein solches Anwachsen von Reichtum in der Geschichte der Menschheit beispiellos.
Widersprüche in der Europäischen Union
Der EU-Krisengipfel im Sommer 2020 dauerte so lange wie kein EU-Gipfel zuvor und beschloss schließlich ein 750 Milliarden Euro schweres Konjunkturpaket. Aber es wurde bis heute nicht entschieden, wie die Schulden zurückgezahlt werden sollen oder wer dafür verantwortlich ist. Dass die Arbeiter*innenklasse die Lasten der Krise tragen soll und dass nicht die Menschen, sondern die Wirtschaft im Mittelpunkt der Politik steht, zeigen die Ergebnisse der EU-Gipfel. Von dem 750 Milliarden Euro Konjunkturpaket wurden bisher nur 13 Prozent freigegeben. Die langsame Auszahlung hat insbesondere die Situation in schwächeren Volkswirtschaften, wie Spanien und Italien, verschärft, da diese nicht fähig sind, selber große Konjunkturpakete zu schüren, wie es zum Beispiel Deutschland tat. Zwar können Auszahlungen die Probleme für einen begrenzten Zeitraum mildern, aber die Zahlungen sind an zusätzliche Forderungen gebunden. Sie sind von der Umsetzung „notwendiger Reformen“ abhängig. Laufende Ausgaben sollen gesenkt, öffentliches Eigentum privatisiert und Arbeiter*innenrechte beschnitten werden. Inzwischen hat nicht nur die Europäische Kommission das Recht, die Zahlungen einzustellen, sondern jeder Mitgliedstaat kann ein Veto einlegen, wenn es der Meinung ist, dass das jeweilige Land nicht die geforderten Angriffe auf die Arbeiter*innenklasse umsetzt. Weiterhin werden die Schulden nicht gesamteuropäisch gelöst, sondern jeder Staat ist für seine eigene Schuldenlast verantwortlich.
Dreizehn EU-Staaten liegen über der festgesetzten Grenze der Staatsverschuldung von sechzig Prozent. Eine Erhöhung der Zinssätze zur Bekämpfung der Inflation würde die Kosten der Verschuldung erhöhen und die Wirtschaftskrise verschärfen, insbesondere in den schwächeren Ländern der Eurozone. Das Ankaufprogramm für Staatsanleihen durch die Europäische Zentralbank soll eigentlich im Frühjahr auslaufen. Das könnte zu einer neuen Kluft zwischen den deutschen Anleihen und den riskanteren spanischen oder italienischen Anleihen führen. Das Ergebnis wäre eine Staatsschuldenkrise, die die Griechenlandkrise 2012 in den Schatten stellen, einen Domino-Effekt auslösen und die EU in eine existentielle Krise stürzen könnte.
Global sieht es noch schlimmer aus
In der neokolonialen Welt sind mehrere Ländern unmittelbar von Zahlungsunfähigkeit bedroht. Argentinien ist seit Mai 2020 in Verzug mit seinen Zinszahlungen. Der Tschad, Äthiopien und Sambia haben einen Schuldenerlass beantragt. 35 Länder sind laut Weltbank durch die Auslandsverschuldung in Bedrängnis. Die Schuldenkrise kann auch die geopolitischen Spannungen verschärfen, so sind zum Beispiel 65 Nationen bei China verschuldet. Aber auch die mächtigsten imperialistischen Player sind von der Krise nicht ausgenommen. Schon im vergangenen Oktober drohte in den USA ein Zahlungsausfall, weil die Republikaner eine Anhebung der Schuldenobergrenze ablehnten.
So oder so verschärft sich die Situation für die Arbeiter*innenklasse. Wenn die Krise nicht morgen einschlägt, dann später, aber umso härter. Um der globalen Schuldenkrise Herr zu werden, ist ein radikales sozialistisches Programm nötig. Weltweit brauchen wir Arbeiter*innenparteien, die für unter anderem für eine Streichung der Schulden der so genannten unterentwickelten Länder und die Verstaatlichung der Banken und Konzerne unter Arbeiter*innenkontrolle und -verwaltung kämpfen und für eine demokratische geplante Wirtschaft eintreten, in der nicht mehr die Profite einiger weniger im Mittelpunkt stehen.