RBB-Skandal: Für eine Demokratisierung der Öffentlich-Rechtlichen Medien

Ein Kommentar zum Fall Schlesinger

Die Intendantin des Rundfunks-Berlin-Brandenburg (rbb) Patricia Schlesinger musste nach journalistischen Enthüllungen vom ARD Vorsitz und mittlerweile auch von ihrem Posten zurücktreten. Doch ihr Fall wirft einiges Licht auf die Zustände in den öffentlich-rechtlichen Medien insgesamt.

von Michael Koschitzki, Berlin

In den Vorwürfen, in denen mittlerweile auch die Staatsanwaltschaft ermittelt, geht es vor allem um Vorteilsnahme im Amt. Schlesinger soll beim Bau eines neuen Rundfunkgebäudes ohne Ausschreibung Firmen bevorzugt haben, zu denen ihr Mann in Verbindung steht. Außerdem hat sie die Einweihungsfeier ihres Hauses als Geschäftsessen deklariert und die Kosten für Champagner (83 Euro pro Flasche) sowie die restliche Bewirtung dem rbb in Rechnung gestellt. Das erschien in ihrer Sicht auch logisch, da öffentliche Personen, wie die Berliner Polizeipräsidentin eingeladen waren. Dass aber gerade auch der rbb kritisch über die Polizeiarbeit berichten soll und dann die Intendantin vielleicht nicht mit der Präsidentin privat anstößt, scheint da nur eine Randfrage des Skandals.

Von Recht und Unrecht

Genauso interessant ist aber auch, was an dem Skandal alles kein Unrecht ist. Kein Unrecht ist es wohl, dass Schlesingers Dienstwagen mit Massagesitzen und Luxusausstattung 75 Prozent Rabatt von Audi bekommen hat. Diesen gibt der Konzern Verantwortlichen in Politik und Medien wohl gerne. Kein Unrecht ist es, dass Schlesinger ein Jahresgehalt von über 300.000 Euro hat. (Und damit nur im Mittelfeld liegt. Der WDR zahlt mit 413.000 Euro am besten.) Und wahrscheinlich ist es auch kein Unrecht, dass die Führungsetage des RBB mit Mahagoni-Boden und anderen Luxusartikeln für mehrere hunderttausend Euro umgebaut wurde. Wahrscheinlich, weil noch nicht ganz klar ist, wer für die Kostensteigerung auf 1,4 Millionen Euro genau verantwortlich ist und wer davon profitiert hat.

Und dass die Beschäftigten darüber besonders empört sind, verwundert nicht. Ein Großteil hat keine festen Verträge sondern sind als freie Mitarbeiter*innen beschäftigt. Über Ostern streikten deshalb über 300 Beschäftigte nach einem halben Jahr erfolgloser Verhandlungen (mit der Chefetage von Schlesinger) für eine Beschäftigungsgarantie.

Für eine Demokratisierung

Die Vorwürfe sollen intern lange bekannt gewesen sein. Aber intern hatte man Angst, sie zu äußern. Auch das zeigt, dass eine umfassende Demokratisierung des Rundfunks nötig ist. Die Rundfunkbeiräte, die die Intendant*innen ernennen und ihre Arbeit kontrollieren sollen, müssen durch die arbeitende Bevölkerung demokratisch gewählt werden und jederzeit abwählbar sein. Die arbeitende Bevölkerung sollte aktiv in die Programmgestaltung einbezogen werden. Niemand sollte mehr verdienen als einen branchenüblichen Facharbeiter*innenlohn.

Unabhängige öffentliche Medien sind wichtig. Die Abhängigkeit von privaten Werbeeinnahmen sollte gesenkt werden. Doch die Finanzierung durch Rundfunkgebühren, die im Fall Schlesinger zum Fenster rausgeworfen wurden, ist derzeit sozial ungerecht. Sie sollten ersetzt werden durch eine Steuerfinanzierung, die höhere Einkommen und Vermögen stärker belastet. (Mehr Informationen hier: https://solidaritaet.info/2021/02/dank-gez-teuer-aber-unabhaengig/)

Neue*r Intendant*in

DIE LINKE Berlin fordert nun, dass Schlesinger’s Nachfolge aus Ostdeutschland kommen soll. Es ist absolut richtig darauf hinzuweisen, dass zahlreiche Führungspositionen in ostdeutschen Bundesländern nicht von Menschen aus der Region besetzt sind und sie strukturell benachteiligt werden. Doch Herkunft kann nicht das einzige Kriterium sein. Wenn der oder die nächste*r Intendant*in dieses abgehobene System fortsetzt, ist niemandem geholfen. Die Besetzung sollte deshalb an eine systematische Veränderung des rbb gekoppelt werden, wie sie oben skizziert ist.

Trotzdem kann das Problem des Rundfunks nicht isoliert betrachtet werden. Die öffentlich-rechtlichen Medien sind letztlich jetzt die Fortsetzung eine bürgerlichen Staates, in dem es Privilegien und Korruption auf allen Ebenen gibt und sie konkurrieren in einer kapitalistischen Medienlandschaft mit. Wirkliche Demokratisierung und mediale Vielfalt kann es erst geben, wenn der Kapitalismus insgesamt überwunden wird.