„ Für kämpferische Gewerkschaften“

Interview mit Angelika Teweleit zur Konferenz der VKG an diesem Wochenende

An diesem Wochenende findet eine Konferenz der »Vernetzung für kämpferische Gewerkschaften« in Frankfurt am Main statt. Was ist das Ziel?

Es muss einen Strategiewechsel in der Gewerkschaftspolitik geben: weg von Sozialpartnerschaft, hin zu einem kämpferischen Kurs. Dafür wollen wir Kollegen, die dafür eintreten, miteinander vernetzen. Aktuell heißt das unter anderem, dass wir uns vehement für ein Ende der Beteiligung an der von Kanzler Olaf Scholz ausgerufenen »konzertierten Aktion« einsetzen. Es darf auch keine passive Unterstützung der Gewerkschaften für Aufrüstung, Waffenlieferungen und Sanktionspolitik geben. Nötig wäre ein unabhängiger Klassenstandpunkt gegen die Kriegstreiber auf allen Seiten. Statt »konzertierter Aktion« bräuchte es jetzt eine großangelegte gewerkschaftliche Kampagne gegen die Preissteigerungen und das Abladen der Krise auf den Rücken der breiten Masse an Lohnabhängigen.

Auf der Konferenz sollen Strategien im Kampf gegen Inflation und Reallohnverlust diskutiert werden. Dafür gibt es bereits gewerkschaftliche Initiativen. Reichen die nicht?

Was bisher von den Gewerkschaften gekommen ist, ist viel zuwenig. Immerhin: Am 22. Oktober soll es einen ersten Aktionstag in sechs Städten geben, zu dem wir auch mobilisieren. Aber dazu rufen nicht einmal alle Gewerkschaften auf. Eigentlich müssten sie sich in dieser Situation an die Spitze einer Kampagne setzen, um gegen die drohenden massiven Reallohnverluste und Verarmung zu kämpfen. Das gilt insbesondere für den DGB als Dachverband. Statt dessen ist dessen Chefin, SPD-Frau Yasmin Fahimi, immer wieder voll des Lobes über die Verlautbarungen der Ampelkoalition. Dabei sind die Maßnahmen trotz aller Doppel-Wumms-Rhetorik überhaupt nicht ausreichend. Mit Argusaugen achtet die Regierung auf die Interessen der Konzerne und derjenigen, die sich zuletzt in der Pandemie um viele weitere Milliarden bereichern durften.

Wie müsste die Kampagne ausgestaltet sein, die Ihnen vorschwebt?

Als nächste Schritte schlagen wir Versammlungen in allen Betrieben und Stadtteilen, lokale Proteste und eine Großdemonstration vor. All das muss zusammengebracht werden mit den laufenden und bevorstehenden Tarifrunden zum Beispiel in der Metall- und Elektroindustrie, später im öffentlichen Dienst, Post und anderen. Auch hier ist es nötig, nicht wie sonst routinemäßige Warnstreiks zu organisieren und dann bei einem schwachen Ergebnis mit langer Laufzeit abzuschließen. Die ohnehin zu geringe Forderung von acht Prozent in der Metall- und Elektroindustrie muss bei einer Laufzeit von nicht länger als zwölf Monaten voll durchgesetzt werden.

Im öffentlichen Dienst zeigen Beschlüsse wie im Bezirk Stuttgart mit 800 Euro Festgeld, aber auch anderswo mit 600 Euro und mehr als 15 Prozent, wie kämpferisch die Stimmung in Teilen ist. Das darf nicht durch eine laue Forderung abgebremst werden. Die Gewerkschaften müssen in diesen Tarifrunden endlich wieder Bereitschaft zeigen, mit Urabstimmung und Vollstreik die notwendigen Lohnerhöhungen durchzusetzen. Das könnte – wie es sich in Großbritannien andeutet – die Gewerkschaftsbewegung auf den Plan bringen und die Mitgliederzahlen in die Höhe schnellen lassen.

Wen wollen Sie mit Ihrer Konferenz ansprechen?

Wir sind überzeugt, dass es uns gelingen kann, eine Alternative zu »Komanagement« und Verzicht in den Gewerkschaften zu stärken. Zu unserer Konferenz haben sich etwa hundert Kollegen angemeldet – vom Hamburger Hafen bis zu Stuttgarter Metallbetrieben, von Krankenhäusern in Dresden, Berlin und Essen. Unsere Vernetzung ist offen für alle, die sich für einen kämpferischen Kurs einsetzen wollen und die nach Wegen suchen, das auch in ihrem Betrieb oder ihrem Gewerkschaftsgremium durchzusetzen. Wir wollen auch ein Forum für alle bieten, die sich für eine Kampagne gegen Preissteigerungen einsetzen wollen.

Das Interview führte Steve Hollasky. Es erschien zuerst in der jungen Welt vom 7.10.2022