Vereinbarung zwischen ver.di und Arbeitgeber*innen muss gekündigt werden
Die nun in der Tarifrunde zum öffentlichen Dienst von der Arbeitgeber*innenseite angerufene Schlichtung sorgt dafür, dass bis Mitte April Friedenspflicht herrscht. Das Ganze ist aber kein Gesetz oder ähnliches, sondern ein Vertrag, den ver.di freiwillig mit den Arbeitgeber*innen abgeschlossen hat und auch mit einer Frist von einem Monat zum Quartalsende kündigen kann!
von Karla Albrecht, Hamm
Aus Unmut über diese Vereinbarung haben Kolleg*innen bereits auf einer Berliner Streikdelegiertenversammlung mit 300 Delegierten am 27.Januar einen Antrag für die Kündigung der Vereinbarung beschlossen.
Bereits in der ÖTV (Ursprungsgewerkschaft von ver.di, zuständig für den öffentlichen Dienst) gab es die Schlichtung. Aufgrund schlechter Erfahrungen (zum Beispiel der Schlichtungsspruch im letzten großen Streik 1992, der mit 5,4 Prozent Lohnerhöhung bei einer siebenprozentigen Inflation aber Reallohnverlust bedeutete) wurde auf dem ÖTV-Kongress 2000 ein Beschluss zur Kündigung der Schlichtungsvereinbarung angenommen. Schon gar nicht wurde der Bundesvorstand beauftragt, ein neues derartiges Abkommen zu schließen. Dennoch schloss die ver.di-Bundestarifkommission im öffentlichen Dienst direkt vor der Tarifrunde 2002 ein neues Schlichtungsabkommen ab, das 2011 aktualisiert wurde.
Wer schlichtet?
Die paritätische Besetzung der Schlichtungsstelle durch Gewerkschafts- und Arbeitgebervertreter*innen wirkt auf den ersten Blick fair – als seien beide Kräfte ausgeglichen und gleich stark. Abwechselnd benennt jede Seite mal den stimmberechtigen Vorsitzenden – dieses Mal war die Gewerkschaft dran und benannte: Hans-Henning Lühr, ehemaliger Finanzstaatssekretär in Bremen. So sehr betont wird, dass er „gewerkschaftsnah“ sei, zeichnet seine Biografie ein völlig anderes Bild. Jemand, der Vorsitzender des kommunalen Arbeitsgeberverbands Bremen und Mitglied des Präsidiums der Vereinigung Kommunaler Arbeitgeber (VKA) war, ist nichts anderes als ein Arbeitgeber*innenvertreter! Daran ändert auch die ver.di-Mitgliedschaft nichts! Damit soll höchstens verschleiert werden, dass die fundamentalen Interessensgegensätze zwischen Beschäftigten und Arbeitgeber*innen nicht zu versöhnen sind – nicht in einer Schlichtung, auch nicht durch die menschgewordene Sozialpartnerschaft Lühr.
Der 2008 von ver.di angeforderte Schlichter Herbert Schmalstieg (SPD) war ehemaliger Oberbürgermeister von Hannover und Städtetagspräsident. Er gehörte also auch zum Arbeitgeber*innenlager und war alles andere als „neutral“. 2008 verwies er auf die „schwierige Finanzlage der Städte“ und forderte von der Gewerkschaft, dass sie sich bewegen müsse. Der damalige Schlichterspruch? Eine Verlängerung der Arbeitszeit und Bezahlung nach Leistung. Was für eine Farce! Auch 2015 wurde der Streik im Sozial- und Erziehungsdienst durch einen Schlichterspruch faktisch beendet, obwohl die Mehrheit sich gegen diesen Kompromiss – weit unter den Forderungen und mit sehr langer Laufzeit – aussprach.
Die Erfahrung hat gezeigt: Sobald ein Schlichterspruch verkündet wird, ist dieser immer ein Kompromiss zulasten der Kolleg*innen und gleichzeitig wächst der öffentliche Druck zur Annahme dessen enorm. Die Aufnahme des zurecht von vielen Kolleg*innen geforderten Erzwingungsstreiks nach der Schlichtung wird somit enorm erschwert.
Frank Werneke hat zwar Recht, wenn er sagt, das Streikrecht sei in Gefahr. Es ist allerdings irrsinnig, wenn man – um einer offiziellen Einschränkung des Streikrechts zu entgehen – sich mit einer Schlichtungsvereinbarung freiwillig selbst einschränkt. Gegen Angriffe auf das Streikrecht hilft nur eine gemeinsame Kampfstrategie aller Gewerkschaften, mit Streiks bis hin zum politischen Streik! Die Schlichtungsvereinbarung ist ein Knebel und gehört schnellstmöglich gekündigt!