“It’s the economy, stupid!”*

Was ist Marxismus? Historischer Materialismus Teil 3: Produktivkräfte und Produktionsverhältnisse

Wir haben bereits in zwei Artikeln wichtige Aspekte der von Karl Marx entwickelten Geschichtstheorie, des Historischen Materialismus, dargestellt. In diesem dritten Artikel wollen wir diese Darstellung abrunden.

von Wolfram Klein, Plochingen bei Stuttgart.

Im ersten Artikel ging es um die Bedeutung der Klassenkämpfe in der Geschichte. Aber Marx erklärte, dass die gesamte schriftlich überlieferte Geschichte eine Geschichte von Klassenkämpfen ist. Warum führen diese Klassenkämpfe häufig nur dazu, dass die herrschenden Ausbeuter*innen (Sklavenhalter*innen, Feudalherr*innen, Kapitalist*innen) ihre Ausbeutung nicht in einem Maße steigern, dass den Fortbestand der Gesellschaft gefährdet (sie quasi die menschliche Kuh schlachten, statt sie zu melken), während in manchen Zeiten, der Klassenkampf zum Sturz einer Gesellschaftsform führen kann?

Im zweiten Artikel ging es um das Verhältnis von gesellschaftlichem Sein und Bewusstsein und um die Auswirkungen von Veränderungen in diesem Sein. Aber warum verändert es sich überhaupt?

Produktivkräfte und Produktionsverhältnisse

Marx ging von der einfachen Tatsache aus, dass Menschen, um leben zu können, Nahrung, Kleidung, Unterkunft und dergleichen brauchen. Da sie nur den kleinsten Teil davon in der Natur vorfinden, müssen sie arbeiten, produzieren. Dafür brauchen sie Produktivkräfte. Darunter verstand Marx einmal die körperlichen und geistigen Fähigkeiten der Menschen zum Produzieren, darüber hinaus deren Steigerung durch die Zusammenarbeit mit anderen Menschen (durch Arbeitsorganisation), und durch technische Hilfsmittel, durch Produktionsmittel (Werkzeuge und Maschinen).

Menschen sind gesellschaftliche Wesen, auch beim Produzieren. Deshalb stehen sie auch beim Produzieren in Verhältnissen zu anderen Menschen, in Produktionsverhältnissen. Marx erkannte, dass es einen Zusammenhang zwischen Produktivkräften und Produktionsverhältnissen gibt. Insbesondere sind seit Jahrtausenden die Menschen, die mit den Produktionsmitteln arbeiten, oft nicht deren Eigentümer*innenAntike Sklav*innen z.B. galten selbst als Werkzeuge, die nützlicherweise sprechen können. Moderne Lohnarbeiter*innen müssen ihre Arbeitskraft an die Eigentümer*innen von Produktionsmitteln verkaufen, um Lohn zu erhalten und von ihm zu leben. Deshalb bedingt die Stellung von Menschen zu den Produktionsmitteln ihre Zugehörigkeit zu verschiedenen Gesellschaftsklassen.

Entwicklung der Produktivkräfte

Warum sich Produktivkräfte entwickeln, kann in verschiedenen Gesellschaften verschiedene Ursachen haben. Im Kapitalismus führten dessen wirtschaftlichen Gesetzmäßigkeiten zu einer in der Geschichte beispiellosen Produktivkraftentwicklung. Aber wenn sich Produktivkräfte entwickeln, entsprechen sie nicht mehr den bestehenden Produktionsverhältnissen, geraten in einen Widerspruch zu ihnen. So wurden im 17. und 18. Jahrhundert die städtischen Zunftvorschriften, die beispielsweise meist nur Produktion auf Bestellung erlaubten, zur Fessel für die Entwicklung von Manufakturen und Industrie. Dann besteht die Möglichkeit, dass der Klassenkampf nicht zum Erhalt der Produktionsweise beiträgt, sondern eine soziale Revolution eintritt, die zu einer neuen Produktionsweise mit grundlegend anderen Produktionsverhältnissen führt.

Gesellschaft und Staat

Marx unterschied verschiedene Produktionsweisen, z.B. die Antike Sklavenhaltergesellschaft, den Feudalismus des europäischen Mittelalters und den modernen Kapitalismus. 

Die Produktionsverhältnisse bestimmen auch die anderen wirtschaftlichen Verhältnisse (auch die Verteilungsverhältnisse, weshalb es utopisch ist, im Rahmen des Kapitalismus eine wesentlich gerechtere Verteilung einzuführen), die gesellschaftlichen Verhältnisse und das, was Marx „Überbau“ nannte (Staat und Rechtssystem). Diese dienen nicht einer ewigen Gerechtigkeit, sondern der Erhaltung der bestehenden Produktionsweise und können nicht einfach so für deren Überwindung verwendet werden.

Ein Leitfaden

Marx bezeichnete seine Gedanken als „Leitfaden“ für die Erforschung der Geschichte. Sie ist keine Schablone, in die man den Geschichtsverlauf in seiner Vielfalt pressen darf.

Erst Recht darf man nicht für die Zukunft schlussfolgern, dass eines Tages die Leute sehen, dass der Widerspruch zwischen Produktivkräften und Produktionsverhältnissen groß genug für eine Revolution geworden ist und dann zur Tat schreiten. Revolutionäre Massenbewegungen können durch verschiedene gesellschaftliche Krisen (Wirtschaftskrisen, Kriege, Naturkatastrophen, große politische Skandale usw.) ausgelöst werden. Ob sie dann zu einer siegreichen sozialen Revolution führen, hängt auch von der Politik der revolutionären Klasse und ihrer Organisationen ab.

“Es geht um die Wirtschaft, Dummkopf!” war der Wahlkampfslogans Bill Clintons im US-Präsidentschaftswahlkampf 1992, den er gegen George W. Bush gewann. Der Spruch wurde zum geflügelten Wort und bringt die Bedeutung der Wirtschaft für politische Entwicklungen zum Ausdruck.