Einführung in den Marxismus: Materialismus und Idealismus

Dialektischer Materialismus (Teil 2)

Im vorigen Artikel haben wir die marxistische Philosophie, den dialektischen Materialismus mit einem Schwerpunkt auf der dialektischen Methode behandelt. In diesem Artikel soll der Unterschied zwischen Materialismus und Idealismus im Mittelpunkt stehen.

von Wolfram Klein, Plochingen bei Stuttgart

Um zunächst ein Missverständnis auszuräumen: Oft werden Materialismus und Idealismus im ethischen Sinne einander gegenübergestellt. Demnach sind Idealist*innen Menschen, die nach höheren Zielen streben, während Materialist*innen nur eigenen Vorteil, Besitz und Reichtum im Auge haben. Um diese Unterscheidung geht es beim Dialektischen Materialismus nicht. Marxist*innen bestreiten nicht, dass Menschen oft nach höheren Zielen streben, im Gegenteil – sie tun das selbst. Bei Materialismus und Idealismus geht es nicht darum, was Menschen wollen und sollen, sondern darum, wie die Welt, einschließlich der Menschen und der Gesellschaft, ist.

Materialismus

Materialismus ist die philosophische Anschauung, dass das Materielle die Basis der gesamten Wirklichkeit bildet und damit auch dem Bewusstsein vorausgeht. Seit Marx’ Zeiten hat die Naturwissenschaft eine Vielzahl neuer Erkenntnisse darüber geliefer , wie die Materie aufgebaut ist, wie sich das Universum und die Erde in den letzten Jahrmilliarden entwickelt haben und vieles mehr. Diese Erkenntnisse bestätigen, dass es die Erde und das Weltall insgesamt schon lange gegeben hatte, bevor denkende Wesen entstanden. Und dass unser Bewusstsein, Gedanken und Ideen eine materielle Grundlage benötigen: Ohne Gehirn können wir nicht denken. Deshalb liegt der Materialismus, der den Vorrang der materiellen Welt vor dem Bewusstsein behauptet, richtig. Der Idealismus weicht von ihm in zwei Richtungen ab.

Subjektiver Idealismus

Menschen nehmen die materielle Außenwelt über ihre Sinne wahr. Der subjektive Idealismus stellt infrage, ob es diese Außenwelt jenseits der Sinneswahrnehmungen überhaupt gibt. Auch seine Anhänger*innen können nicht bestreiten, dass die Menschen im Alltag und Wissenschaftler*innen bei ihrer Forschung von dieser Existenz ausgehen. Die Wahrnehmungen unserer verschiedenen Sinne ergänzen einander, frühere und aktuelle Wahrnehmungen ebenfalls, was uns ermöglicht, Gesetzmäßigkeiten festzustellen und künftige Wahrnehmungen vorauszusagen. Auch Anhänger*innen des subjektiven Idealismus verhalten sich in der Praxis so, als ob sie an die Existenz einer Außenwelt glauben würden. Täten sie es nicht, könnte es schnell schlimme Folgen haben, schon wenn sie eine Straße überqueren und sich darauf verlassen, dass das Auto, das da kommt, nicht außerhalb ihrer Sinneswahrnehmung existiert.

Tatsächlich ist dieser subjektive Idealismus vor allem ein Thema für Philosoph*innen, die sich damit von der Masse der Bevölkerung abheben wollen. Solche Vorstellungen mögen ein reizvolles Thema für Science Fiction sein, aber nur dann, wenn die Menschen in ihrer virtuellen Welt Spannenderes erleben, als wir es meistens in unserem Alltag tun. Und wenn wir ein erfüllteres Leben haben wollen, hilft es mehr, für eine Welt ohne Ausbeutung und Unterdrückung zu kämpfen, als an der Existenz der Außenwelt zu zweifeln.

Objektiver Idealismus

Wesentlich größere Verbreitung haben die Varianten des Idealismus, die akzeptieren, dass es jenseits unserer Sinneswahrnehmungen eine materielle Außenwelt gibt, sie aber aus einem höheren Bewusstsein folgt. Beispiele für objektiven Idealismus sind Religionen, die die Existenz eines oder mehrerer Götter, von Engeln, guten und bösen Geistern etc. lehren. Oder der Philosoph Platon, der behauptete, dass von uns verwendete Begriffe nicht von uns entwickelte Verallgemeinerungen sind, sondern objektiv existieren – also dass beispielsweise neben den vielen realen Stühlen noch der Stuhl als solcher, die Idee des Stuhls existiert. Oder Hegel, der nicht Menschen die Geschichte machen lässt, sondern Volksgeister, die in einem Weltgeist kulminieren. In Wirklichkeit führt die Entwicklung von Wissenschaft, Technik und Produktion dazu, dass sich auch unsere Begriffe und Ideen über die Welt verändern. Sie existieren nicht unabhängig von der sich verändernden Welt. Die Erkenntnis der Aufklärung, dass nicht Gott den Menschen, sondern die Menschen ihre Götter geschaffen haben, ergänzt der Marxismus durch die Erkenntnis, dass die menschlichen Lebensverhältnisse die Grundlage für diesen „Schöpfungsakt“ sind. 

Schlagen wir uns nicht nur rückschrittliche Vorstellungen über die Welt aus den Köpfen, sondern ändern wir sie gemeinsam, in ihrer materiellen Beschaffenheit, sprich in ihren Produktionsverhältnissen!

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