“Das Einzige, was im Fußball verboten ist: aufhören zu denken.”

Zum Tod von César Luis Menotti

César Luis Menotti gehörte zu den großen Fußball-Trainern. Er hat über den Sport hinaus wichtige Impulse gesetzt.

Von Torsten Sting, Rostock

Menotti war selber Fußballprofi. Nach dem Ende seiner Spieler-Karriere wurde er Trainer. Seine wichtigste Station war jene als Coach der argentinischen Fußball-Nationalmannschaft der Männer. Mit dieser gewann er 1978 den Weltmeistertitel im eigenen Land.

Sportlicher Werdegang

Die damalige WM in Argentinien fand vor dem Hintergrund einer rechten Militärdiktatur statt. Menotti formte ein sehr gutes Team, dass letztlich zum ersten Mal für das fußballverrückte Land am Río le la Plata den Titel gewann. Der Jubel, gerade bei den Arbeiter*innen und Armen, entlud sich auf den Straßen.

Menotti war eine der wichtigsten Bezugspersonen für einen der Größten in der Geschichte des Weltfußballs: Diego Armando Maradona. 1978 schockte er den blutjungen Lockenkopf noch, da er ihn nicht für den WM-Kader nominierte. Ein Jahr später gewannen die beiden zusammen die U20-Junioren-WM.

Nachdem er beim argentinischen Verband ausschied, war Monetti rund um den Globus tätig, konnte aber nicht mehr an seine größten Triumphe anknüpfen.

WM 1978

Der Zufall wollte es, dass Menotti in der selben Stadt geboren wurde wie Ché Guevara. Sie beide verband auch die Leidenschaft für den Heimatverein, Rosario Central.

Menotti verstand sich als Sozialist und war infolgedessen ein Gegner der Militärdiktatur. Es war für ihn, wie für die Mannschaft als ganzes ein Drahtseilakt unter den herrschenden Bedingungen das WM-Turnier zu bestreiten. Es gibt bis heute widersprüchliche Berichte über das Verhalten von Menotti gegenüber dem Diktator Jorge Videla. Gegenüber der Mannschaft machte er vor dem Endspiel gegen die Niederlande aber klar, um was es bei dieser WM auch politisch ging: „Wir sind das Volk, wir gehören zu den benachteiligten Klassen, wir sind die Opfer, und wir repräsentieren das einzig echte in diesem Land – den Fußball. Wir spielen nicht für die Ehrentribüne voller Militärs, wir spielen für die Leute. Wir verteidigen nicht die Diktatur, sondern die Freiheit.“ Das reaktionäre Regime ging insbesondere gegen Linke und Gewerkschafter*innen brutal vor. Tausende Menschen verschwanden spurlos und wurden ermordet. Menotti nutzte seinen erweiterten Spielraum als Prominenter und unterschrieb u.a. eine Petition für die verhaftete Sängerin Mercedes Sosa. Eines seiner bekanntesten vieldeutigen Zitate nach dem Gewinn des Weltmeistertitels ist: „Meine Spieler haben die Diktatur der Taktik und den Terror der Systeme besiegt.“

Fußball-Philosophie

Bei diesen beiden Wörtern fallen jedem Fußballfan unzählige, legendäre Sätze ein, wie dieser: „Man kann darauf verzichten zu rennen oder auch minutenlang darauf, ins Spiel einzugreifen. Das Einzige, was im Fußball verboten ist: aufhören zu denken.“ Menotti ging es jedoch um mehr als das rein Sportliche im engeren Sinne. Natürlich beschäftigte er sich wie jeder Trainer mit Taktik und wie jeder andere wollte er ein Spiel gewinnen. Jedoch nicht um jeden Preis und nicht als Selbstzweck. Entgegen der Logik der zunehmenden Kommerzialisierung des Fußballsports, begriff er das Spiel als etwas in dem es auch um eine Entwicklung jenseits des Ergebnisses geht. „Beim Fußball der Linken spielen wir nicht einzig und allein, um zu gewinnen, sondern um besser zu werden, um Freude zu empfinden, um ein Fest zu erleben, um als Menschen zu wachsen.“

Vor dem Hintergrund der Milliarden-Deals von FIFA-Gangstern und profitgierigen Kapitalisten die mit dem Sport nichts am Hut haben, erscheinen diese Worte als naiv romantisch, fast schon kitschig. Aber auch im Falle dieses so faszinierenden Spiels, dass Milliarden Menschen rund um den Globus in seinen Bann zieht, geht es darum die vorgesetzte Wirklichkeit nicht als alternativlos hinzunehmen. Auch diese Realität wurde von Menschen geschaffen und kann verändert werden.

In diesem Sinne kann César Luis Menotti über seinen Tod hinaus eine Inspiration sein, um den Kampf um die Seele dieses Sports aufzunehmen. Dafür müssen die kapitalistischen Mechanismen des Fußball-Geschäfts radikal hinterfragt und Diskussionen begonnen werden, wie jenseits der heutigen Gesellschaft, Bedingungen geschaffen werden können, die es uns ermöglichen, diesen Sport in vollen Zügen zu genießen.

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