Telekom: Jetzt erst recht – 12 Prozent, mindestens 400 Euro!

„Angebot“ nicht annehmbar- Telekom hat genug Gewinne gemacht

Wir dokumentieren hier das Flugblatt des “Netzwerks für eine kämpferische und demokratische ver.di”, das gestern bei der Streikdemonstration der Telekom-Beschäftigten in Potsdam verteilt wurde:

Das „Angebot“ der Telekom in der dritten Verhandlungsrunde war unzumutbar. 27 Monate Laufzeit sind angesichts der aktuellen Lage, in der jederzeit ein plötzlicher Preisanstieg durch Krisensituationen und den allgemein instabilen Zustand der Weltwirtschaft möglich ist, nicht zu akzeptieren. Es würde auch bedeuten, dass die Gehaltstabellen bis Ende 2024 eingefroren werden. Auch das ist angesichts der bereits erfolgten Reallohnverluste in den letzten Jahren nicht hinnehmbar. Dies kann auch nicht durch die Inflationsausgleichsprämie kompensiert werden. Jegliche Zahlungen aus dieser Prämie sollten als (Teil-)Ausgleich für vergangene Jahre des Reallohnverlusts gesehen werden, nicht aber als Teil einer Lohnerhöhung ab jetzt. Denn die Inflationsausgleichszahlung wird nicht auf die Tabelle angerechnet. Beim jetzigen Angebot soll es ab 1.1.2025 lediglich 4,2 Prozent Anhebung der Tabelle geben und dann nochmal ab Oktober 2025 (also erst in eineinhalb Jahren!) 150 Euro Brutto Erhöhung auf die Tabelle. Das ist von den geforderten zwölf Prozent, jedoch mindestens 400 Euro pro Monat bei zwölf Monaten Laufzeit extrem weit entfernt.

Kampfbereitschaft

Die letzten Warnstreiks haben gezeigt, dass die Kampfbereitschaft vorhanden ist und bei jedem Warnstreik haben sich mehr Kolleginnen und Kollegen beteiligt! Auch die Einbeziehung der Bereiche T-Systems und aus dem Privatkundenvertrieb, deren Verträge noch nicht ausgelaufen sind, war erfolgreich. Das sind gute Voraussetzungen, um in dieser Tarifrunde in die Offensive zu kommen. Man sollte nicht routinemäßig davon ausgehen, dass man sowieso eine doppelt so lange Laufzeit und nur die Hälfte der geforderten Prozente erreichen kann. Es sollte auch nicht nur um eine Nachbesserung des Angebots gehen. Diese Tarifrunde kann genutzt werden, um dem Vorstand Entschlossenheit und Stärke zu zeigen – und den (noch) nicht streikenden Kolleg*innen, dass sich Kämpfen wirklich lohnt. Deshalb sollte die Kampfkraft bestmöglich entfaltet werden, um die (angesichts von Inflation und bereits erlittenen Reallohnverlusten noch bescheidenen) Forderungen voll durchzusetzen. Schließlich hat hat das Unternehmen für das Jahr 2023 einen Rekordgewinn von 17,79 Milliarden Euro (2022: 8 Milliarden, 2021: 4,18 Milliarden) zu verzeichnen!

Urabstimmung

Es ist unwahrscheinlich, dass mit Warnstreiks genügend Druck aufgebaut werden kann, so dass die Telekom einlenkt und den Forderungen weitgehend zustimmt. Mit den Warnstreiks ist deutlich geworden, dass Kolleg*innen bereit sind, für die Forderungen einzutreten. Es hat geholfen, bereits schnell bundesweit Kolleg*innen zeitgleich rauszuholen und zunächst lokal und dann auf regionalen Streikkundgebungen zusammenzubringen. Deshalb sollte ver.di eine Urabstimmung für einen Erzwingungsstreik einleiten, wenn der Vorstand nicht einlenkt.

Schlichtung

Nachdem ver.di die Schlichtungsvereinbarung zu Beginn gekündigt hat, hat sie aktuell einer möglichen Schlichtung zugestimmt, um u.a. zusätzlich über T-Systems und Privatkundenvertrieb in den Verhandlungen zu sprechen – allerdings unverbindlich. Vor diesen Schlichtungsverfahren muss aber gewarnt werden. Alle Erfahrung zeigt, dass die Dynamik des Streiks durch eine verpflichtende Friedenspflicht unterbrochen wird. Zudem wird mit einer Schlichtung der Druck von außen aufgebaut, einem faulen Kompromiss, bei dem man in der Regel höchstens bei der Hälfte der Forderungen landet, zuzustimmen.

Streikdemokratie

Die streikenden Kolleginnen und Kollegen sollten maximal in die Entscheidungsfindungen einbezogen werden. Schließlich sind sie es, die auch mit einem Ergebnis leben müssen, für dass sie gekämpft haben. Mit der Ernennung von „Tarifbotschafter*innen“ und Online-Meetings wurde ein Instrument geschaffen, über welches mehr Einbeziehung stattfinden soll. Es fehlt aber immer noch die Möglichkeiten für offene Diskussion und Abstimmungen. Das beste Instrument für die demokratische Einbeziehung aller streikenden Kolleginnen und Kollegen wäre, nun überall örtliche Streikversammlungen einzuberufen. Ein neues Angebot aus der Verhandlungsrunde sollte hier dargestellt, gemeinsam diskutiert und von den betroffenen Kolleginnen und Kollegen auf örtlichen Versammlungen gemeinsam bewertet werden. Abstimmungen in diesen Versammlungen könnten als Grundlage für die weitere Diskussion in der Großen Tarifkommission dienen. Zusätzlich wäre es ein großer Fortschritt für eine demokratische Streikführung und die Einbeziehung der Kolleginnen und Kollegen, wenn Streikdelegierte auf den Versammlungen gewählt und bundesweit zu einer Streikdelegiertenkonferenz zusammenkämen. Hier könnten Kolleginnen und Kollegen mit Rückkopplung aus ihren Betrieben zu jedem Zeitpunkt über die weitere Arbeitskampfstrategie beraten.

Solidarität

Wichtig ist auch, die Solidarität aus anderen Betrieben und Fachbereichen zu mobilisieren. Ein Erfolg der Beschäftigten bei der Telekom würde auch anderen Kolleg*innen helfen, die später im Jahr in weiteren Tarifauseinandersetzungen stehen, wie in anderen Telekom-Betrieben, aber auch bei der Post oder im öffentlichen Dienst. Deshalb wird es immer wichtiger, betriebs- und branchenübergreifende Solidarität aufzubauen. 

Telekom rückverstaatlichen

Ständige Umstrukturierungen und die Erwartung permanenter Einsatz- und Veränderungsbereitschaft bei jederzeit abrufbarer hoher Leistungen und Servicequalität sind enorme Anforderungen, die die Kolleg*innen mit viel Engagement und Loyalität erbringen und dabei oft an ihre Grenzen kommen. Dabei hat sich der Druck auf die Beschäftigten im Zuge der Privatisierung und Marktorientierung enorm erhöht. Wenn gesagt wird, dass niedrigere Löhne und Stellenabbau aufgrund des Konkurrenzdrucks akzeptiert werden müssen, dann spricht das gegen das Prinzip von Konkurrenz und die Profitausrichtung, also gegen Privatisierungen. Der Konkurrenzdruck verursacht auch viel Verschwendung, zum Beispiel für Werbung und den parallelen Ausbau von Netzen und Transportketten durch verschiedene Unternehmen. Eine staatliche Telekom unter demokratischer Kontrolle und Verwaltung von Beschäftigten, Gewerkschaften und Verbrauer*inneninitiativen könnte sowohl die Interessen der Verbraucher*innen besser berücksichtigen, wie auch die Arbeitsbedingungen deutlich verbessern. Ver.di könnte die Dynamik der Tarifrunde nutzen, um gemeinsam mit Verbraucher*inneninitiativen und dem gesamten DGB Veranstaltungen zu organisieren. Hier könnte über die Folgen der Privatisierungspolitik diskutiert werden und darüber, wie Infrastruktur und Kommunikationsdienste als Teil der Daseinsvorsorge zurück in Gemeineigentum überführt werden können. Darüber könnte auch die Solidarität in der Bevölkerung für den Streik gestärkt werden.