„Mehr Bahn mit weniger Menschen“?!

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Nein zum Stellenabbau bei der Deutschen Bahn!

Am 25. Juli verkündete der Vorstand der Deutschen Bahn (DB), auf einen Verlust von 1,2 Milliarden Euro im ersten Halbjahr dieses Jahres mit einem massiven Abbau von 30.000 Stellen in den nächsten fünf Jahren reagieren zu wollen. „Wir müssen mehr Bahn mit weniger Menschen schaffen“, so Finanzvorstand Levin Holle.

von Ronald Luther, EVG-Mitglied in Berlin

Dabei haben wir noch heute mit den Folgen des massiven Stellenabbaus im Zuge der Bahnprivatisierung 1994 und des gescheiterten Börsengangs vor 15 Jahren zu kämpfen. Verspätungen und Ausfälle von Zügen rühren auch daher, dass sich die Zahl der Bahnbeschäftigen seitdem fast halbiert hat. Zugbegleiter*innen, Lokführer*innen, Fahrdienstleiter*innen, Ingenieur*innen und andere, die damals entlassen wurden, werden heute händeringend gesucht. Um Geld zu sparen und die Deutsche Bahn für den Börsengang „zu schmücken“, wurden mit den Jahren Strecken stillgelegt und Bahnhöfe geschlossen. Selbst große Städte wie Magdeburg oder Potsdam wurden vom Fernverkehr abgeschnitten. Nötige Investitionen wurden nicht getätigt, was unter anderem 2008/2009, also kurz nach dem gescheiterten Börsengang, fast die gesamte marode Berliner S-Bahn zum Stillstand brachte. Die Gründung der DB InfraGO AG als gemeinwohlorientierte Infrastrukturgesellschaft hat daran nichts geändert. Als Aktiengesellschaft muss sie weiterhin Dividenden abwerfen, also profitorientiert bleiben. Die Deutsche Bahn AG muss sich weiterhin der kapitalistischen Wettbewerbslogik unterwerfen, was zu schlechteren Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten in allen Eisenbahnverkehrsunternehmen und zu höheren Fahrpreisen für die Fahrgäste führt. Dabei müsste mit der Wettbewerbs- und Profitlogik im Verkehrssektor vollständig gebrochen und der gesamte öffentliche Personennah- und Fernverkehr in öffentliche Hand überführt werden, wenn dessen massiver Ausbau auch angesichts der fortschreitenden Klimakatastrophe bewerkstelligt werden soll. Die dafür nötigen Gelder muss der Staat zur Verfügung stellen, finanziert aus den Gewinnen der Banken und Konzerne und den Vermögen der Reichen. Dabei sollte klar sein, dass mehr Bahn nur mit der Schaffung von mehr Stellen statt Stellenabbau erreicht werden kann.

Bahnvorstand gibt Bahnbeschäftigten die Schuld

Es ist ein Unding, dass für den Stellenabbau neben Extremwetter, Baustellen, maroder Infrastruktur und Havarien auch die GDL-Streiks Anfang des Jahres angeführt werden. Dabei hätte der Bahnvorstand die berechtigen Forderungen der Eisenbahner*innen von Anfang an akzeptieren und damit Streiks vermeiden können. Das Verhalten der Vorstandsetage damals wie heute zeigt jedenfalls, was sie von den Bahnbeschäftigten hält: nichts.

Bereits im Februar war ein Abbau von bis zu 2000 Stellen hauptsächlich in der Verwaltung  bei DB Cargo angekündigt worden, um einen Verlust von 535 Millionen Euro im vergangenen Jahr auszugleichen. Das konnte zwar vorerst durch die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) mittels Verhandlungen abgewendet werden, aber dafür müssen Lokführer*innen jetzt Arbeitseinsätze von 36 Stunden akzeptieren und können „freiwillig“ sogar bis zu 144 Stunden unterwegs sein. Sollten sich nicht genügend Lokführer*innen für das „Langfahren“ finden, dann darf der DB-Cargo-Vorstand Transporte an DB-Tochterfirmen oder Drittfirmen auslagern. Ein Stellenabbau läge damit dann wieder auf dem Tisch. Erneut zeigt sich, dass durch Verzicht auf Arbeitskampfmaßnahmen wie Streiks seitens der Gewerkschaftsführungen meist nur faule Kompromisse zulasten der Beschäftigten erreicht werden.

Eisenbahner*innen müssen es ausbaden

Im März verhängte der Bahnkonzern außerdem eine Ausgabensperre. Damit sollen 2024 mehrere hundert Millionen Euro auf dem Rücken der Bahnbeschäftigten eingespart werden. Hintergrund dafür ist, dass die DB bereits im vergangenen Jahr bei zahlreichen Investitionen in die Infrastruktur in Vorleistung gegangen war. Der Vorstand verließ sich dabei auf die Zusage der Bundesregierung, 45 Milliarden Euro bis ins Jahr 2027 in den Schienenausbau zu stecken. Mit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, die Umwidmung von Corona-Hilfen in Höhe von sechzig Milliarden Euro in den Klima- und Transformationsfonds für verfassungswidrig zu erklären, waren mit einem Mal 12,5 Milliarden Euro weniger vorhanden als fest zugesichert. Ausbaden sollen das nun ebenfalls die Bahnbeschäftigten.

Bis Jahresende hofft der DB-Vorstand nun auf die Auszahlung der zugesagten Gelder. Falls die Finanzlücke nicht geschlossen wird, sind neue Kürzungen und weiterer Stellenabbau zu befürchten. Und davor ist kein Bereich der Bahn sicher. So wurde durch einen Gewerkschaftsbericht bekannt, dass künftig nur noch zwei statt fünf Zugbegleiter*innen in Fernzügen eingesetzt werden sollen, auch bei voller Zuglänge und Auslastung. Angedacht sind auch weniger Zugverbindungen in Randbereichen, um Verluste von sechzig Prozent bei den Fernverbindungen auszugleichen. Stellenabbau und eine Arbeitsverlagerung auf weniger Schultern ist dann wahrscheinlich.

Bahnvorstand setzt auf Stellenabbau

Bisher soll der angekündigte Abbau von 30.000 Stellen durch „natürliche Fluktuation“ erfolgen, also durch Nichtbesetzung frei werdender Stellen zum Beispiel infolge eines Renteneintritts. Der Vorstand schließt dabei aber nicht aus, zukünftig auch Altersteilzeit mit entsprechenden Gehaltsverlusten anzubieten und Beschäftigte mittels Abfindungen zur „freiwilligen“ Kündigung zu bewegen. Sollten die Finanzlöcher nicht gestopft oder sogar größer werden, dann ist ein weiterer Stellenabbau möglich. Die Folge davon wird sein, dass die Arbeit auf weniger Schultern verteilt wird und die Arbeitsplätze für zukünftige Generationen verschwunden sind. Es ist problematisch, wenn die EVG den Stellenabbau akzeptiert, solange er von den Betriebsrät*innen beaufsichtigt und die Tarifverträge der EVG, die Weiterbeschäftigung im Konzern und Qualifikationsmaßnahmen ermöglichen, eingehalten werden. Wenn angeblich zu viele Beschäftigte in der Verwaltung arbeiten, dann müsste stattdessen offensiv eine Arbeitszeitverkürzung zum Beispiel auf 35 Stunden in der Woche bei vollem Lohn- und Personalausgleich gefordert werden. Das wäre auch eine sinnvolle Forderung für alle Bahnbeschäftigten in der anstehenden Tarifrunde 2025! Problematisch ist auch die Äußerung des Vorsitzenden der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer*innen (GDL) Claus Weselsky in der Süddeutschen Zeitung (Mittwoch, 7. August 2024), wo er verlautbarte: „Ich bin nicht gegen einen Stellenabbau. Aber doch nicht so, wie er jetzt vorgenommen wird!“. Er befürchtet, dass der Stellenabbau in der Verwaltung nur über natürliche Fluktuation stattfindet und die wahren Einsparungen im operativen Bereich laufen werden. Dabei sollte ihm als Gewerkschafter klar sein, dass Gewerkschaften die Interessen aller Lohnabhängigen vertreten sollten und ein Stellenabbau, egal wo, nicht in deren Interesse ist.

Gemeinsam kämpfen!

Stellenabbau und jegliche Verschlechterung der Arbeitsbedingungen für die Bahnbeschäftigten lassen sich nur verhindern, wenn gemeinsam gekämpft wird. Beide Gewerkschaften müssen angesichts der zu erwartenden harten Tarifrunden einen Weg finden, wie die Spaltung unter den Bahnbeschäftigten überwunden werden kann. Die nächsten Tarifrunden beginnen bereits am 01. April 2025 bei der EVG und am 01. Januar 2026 bei der GDL. Es ist absehbar, dass der DB-Vorstand mit Verweis auf leere Kassen eine Lohnerhöhung zurückweisen und mit weiterem Stellenabbau als Konsequenz drohen wird. Dabei ist eine satte Lohnerhöhung für alle Bahnbeschäftigten dringend nötig. Die massiv angestiegene Inflation der letzten Jahre konnte mit den Ergebnissen der letzten Tarifrunden nur geringfügig ausgeglichen werden und die Preise gehen nicht zurück, sondern steigen weiter. So sind Lebensmittel von Januar 2020 bis Mai 2024 um fast ein Drittel teurer geworden. Obwohl die Kassen angeblich leer sind, genehmigten sich die oberen Führungskräfte in den letzten Jahren kräftige Erhöhungen bei ihren Gehältern und Boni. Kurz vor Bekanntgabe des Ausgabestopps wurden Ende Januar dieses Jahres noch 1,7 Millionen Euro für eine Feier von 2000 geladenen Gästen zur Gründung der neuen InfraGo ausgegeben. Und die Kosten für das Prestigeobjekt Stuttgart 21 stiegen 2024 auf rund zwölf Milliarden Euro, wovon die Deutsche Bahn etwa 3,5 Milliarden Euro trägt. Das Geld ist also da, es muss nur durch die Beschäftigten erkämpft werden.

Bereits in der letzten Tarifrunde hatte der DB-Vorstand eine harte Auseinandersetzung geführt und das ist auch in den nächsten Tarifrunden zu erwarten. Wenn die EVG darin nicht untergehen will, dann muss sie bereits jetzt eine demokratische und transparente Einbeziehung aller EVG-Mitglieder in die Diskussion und Entscheidung über die zentralen Tarifforderungen ermöglichen. Befragungen von Bahnbeschäftigten in einzelnen, nicht bundeseigenen Eisenbahnverkehrsunternehmen reichen da nicht aus. Zusätzlich muss die EVG-Führung zu Diskussionsveranstaltungen einladen, wo die Gewerkschaftsmitglieder gemeinsam darüber diskutieren können, welche Forderungen in der nächsten Tarifrunde aufgestellt werden sollen. Anschließend sollte eine demokratische und transparente Abstimmung aller Gewerkschaftsmitglieder über die Forderungen stattfinden. Nur so lassen sich die Gewerkschaftsmitglieder für den anstehenden harten Tarifkampf mobilisieren. Das gilt auch für die GDL.