FDP will Gewerkschaften knebeln
Schon 2007 verfasste der Wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestages ein Papier zum Streikrecht. Sein Fazit lautete, „dass der Streik einem Regulativ“ unterworfen werden solle. Nun prescht die FDP mit dem Thema vor.
von Steve Hollasky, Dresden
Ausstände in der kritischen Infrastruktur – bei Krankenhäusern, Kindertagesstätten, Pflegeeinrichtungen, Feuerwehr, Flug- und Bahnverkehr und Müllabfuhr – sollen laut FDP durch zahlreiche Regeln eingeschränkt werden. Streiks sollen drei Tage vorher angekündigt und ein Notbetrieb von fünfzig Prozent sichergestellt werden. Zudem sollen Warnstreiks nur noch vier Stunden dauern, gefolgt von einer 72-stündigen „Abkühlungsphase“. Sollten Unternehmer*innen oder Gewerkschaften eine Schlichtung wünschen, würde sie verpflichtend.
FDP kontra Arbeiter*innen
Das Streikrecht derart zu reglementieren, verschafft der Chefetage riesige Vor- und den Arbeiter*innen Nachteile. Die FDP erklärt, die kritische Infrastruktur sei besonders schützenswert, daher müsse das Streikrecht eingeschränkt werden.
Damit verkehrt sie die Realität. Wenn – wie vor ein paar Jahren – Berliner Feuerwehrleute auf die Straße gehen, weil es zu wenige von ihnen gibt, wenn Lehrer*innen wegen zu großen Klassen und Pflegebeschäftigte für mehr Personal streiken, dann gefährdet nicht ihr Kampf die kritische Infrastruktur, sondern der Normalzustand von Personalmangel. Ein Normalzustand, den die FDP durch ihre Politik mit verschuldet. Es ist ungefähr so, als würde die FDP erst das Haus anzünden und dann die Feuerlöscher beschlagnahmen.
Die Uhr tickt
Die FDP will ihre Pläne zur Gesetzesvorlage machen, weil diese Forderungen seit langem aus den Reihen der Unternehmerverbände kommen und sie angesichts verschärfter internationaler Konkurrenz nun ungeduldig werden. Wahrscheinlich ist das Positionspapier Vorbereitung für eine geplante Änderung unter einer neuen, wahrscheinlich CDU-geführten, Regierung, bei der auch die FDP gern mit von der Partie sein möchte.
DGB-Chefin Yasmin Fahimi erklärt, die Gewerkschaften würden „keinen Millimeter nachgeben“. Nur passierte bislang außer verbalen Absichtserklärungen wenig. Die Pläne und deren Auswirkungen müssten schon jetzt in den Betrieben bekannt gemacht und diskutiert werden.
Politischer Streik
Ein politischer Angriff auf das Streikrecht kann nicht mit Petitionen oder rechtlichen Schritten zurückgeschlagen werden. Wenn es hart auf hart kommt, werden auch Großdemonstrationen nicht ausreichen, sondern muss das Recht auf Streik mit politischem Streik verteidigt werden. Das Streikrecht wurde auch in der Vergangenheit durch Streiks erkämpft, in denen sich die gesellschaftlichen Kräfteverhältnisse zwischen Kapital und Arbeit widerspiegelten. In den letzten Jahren haben allerdings immer weniger Kolleg*innen Erfahrungen mit Streiks gemacht. Deshalb ist es wichtig zu diskutieren, wie sich die Gewerkschaften auf Widerstand gegen einen solchen drohenden Angriff vorbereiten können. Dafür sollten sich Kolleg*innen von unten für einen Kurswechsel in den Gewerkschaften weg von der Sozialpartnerschaft vernetzen.
Es sollten jetzt innerhalb der Gewerkschaften Beschlüsse zum Thema erwirkt werden, die aktive Gegenwehr einfordern und, wenn nötig, eigene Initiativen vor Ort ergriffen werden. So gab es Ende Juli einen Protest mit mehr als sechzig Personen vor der FDP-Zentrale in Berlin, ausgehend von der Initiative „Wir schlagen Alarm“ von kämpferischen Gewerkschafter*innen. Diese bundesweite Initiative wird weitere Treffen durchführen, um über weitere Schritte zu diskutieren.