Österreich: Keine Profite mit der Not!

Foto: "Hochwasser in Österreich: Überflutete Straßen in Wien bei Dämmerung" von Marco Verch via ccnull.de, CC-BY 2.0

Nach Hochwasser: Sofortmaßnahmen für die Betroffenen und Bekämpfung des Klimawandels sind nötig!

Auf kapitalistischer Basis kann der Klimawandel nicht gestoppt werden – Hitzewellen und Hochwasserkatastrophen werden zur neuen Normalität

Stellungnahme der Sozialistischen Offensive, Schwesterorganisation der Sol in Österreich

2024 ist ein Jahr der Wetterextreme – erst erneut ein Sommer mit Rekordhitze, die sich noch dazu ungewöhnlich lange in den September gezogen hat, und dann ein Hochwasserereignis. Am Wienfluss war es laut Stadt Wien gar ein 1000-jährliches Hochwasser. Auf der ganzen Welt spielt das Wetter immer verrückter. Dass all das mit dem Klimawandel zusammenhängt, ist offensichtlich.

Viele Politiker*innen der etablierten Parteien sprechen – v.a. wenn wahlkampfbedingt Kameras in der Nähe sind –  ihr Mitgefühl für die Opfer der Katastrophe aus. Doch sie sollten nicht daran gemessen werden, was sie sagen, sondern daran, was sie tun – für die Betroffenen und gegen den Klimawandel. Dabei sollte nicht vergessen werden: Sie sind es auch, die durch Jahrzehnte des Zögerns diese Katastrophe mit zu verantworten haben.

Solidarität von unten

Während die meisten Politiker*innen reden und posen (v.a. wenn Kameras in der Nähe sind), waren es die Menschen selbst, die Soforthilfe leisten. Allen voran die vielen Einsatzkräfte, die seit mehreren Tagen unermüdlich gegen die Katastrophe ankämpfen und die selbst Kolleg*innen in den Fluten verloren haben. Vielerorts organisierten Anwohner*innen sofort Solidaritätsaktionen und unterstützten sich gegenseitig, beim Packen von Sandsäcken, beim Ausräumen von Wohnungen und beim Unterbringen von Betroffenen. Bundesweit werden Sach- und Geldspenden gesammelt, von Sportvereinen und Hilfsnetzwerken und Freiwillige aus anderen Orten sind bereit zu helfen. Die Solidarität von unten zeigt das enorme Potenzial, die Katastrophe gemeinsam zu überwinden und gibt Hoffnung. Diese Hilfsbereitschaft sehen wir immer wieder bei derartigen Katastrophen und sie ist das beste Beispiel dafür, dass eine andere, eine sozialistische Gesellschaft funktionieren kann. Es zeigt sich ganz deutlich, dass Menschen nicht “von Natur aus” böse oder gierig sind, sondern im Gegenteil sehr gut verstehen, dass wir gemeinsam mehr erreichen können als gegeneinander. Doch solche Katastrophen zeigen auch, wie das auf Profite ausgerichtete System, in dem wir leben, in genau die andere Richtung arbeitet. Rund 350.000 Menschen sind in Österreich bei der Freiwilligen Feuerwehr aktiv, sie tun das in ihrer Freizeit und ohne Bezahlung und stopfen Löcher, die die Kürzungspolitik der letzten Jahrzehnte gerissen haben. Der Dank der Politik für die ehrenamtlich tätigen ist scheinheilig, denn die Politiker*innen kalkulieren sehr genau: ein paarmal im Jahr diesen “Held*innen” auf die Schulter klopfen kostet nichts, doch deren unbezahlte Arbeit spart Milliarden, die dann in Subventionen oder Steuergeschenken für Konzerne umverteilt werden können. 

  • Wir fordern, dass alle freiwilligen Helfer*innen bezahlten Sonderurlaub bekommen, solange sie im Hilfseinsatz sind (plus ausreichende Erholungszeiten).

Die Hilfe vor Ort muss organisiert und koordiniert werden. Demokratisch gewählte Hilfs- und Aktionskomitees könnten unter Einbeziehung der Einsatzkräfte vor Ort, die Hilfs- und Aufräumarbeiten organisieren und den Wiederaufbau planen. Vergangene Katastrophen haben leider gezeigt, dass Hilfsmittel und Spenden in den falschen Taschen landen können oder falsch eingesetzt werden. Eine demokratische Kontrolle durch die Betroffenen und Menschen vor Ort kann dies verhindern. Die Gewerkschaften, die immer noch über eine Million Mitglieder in diesem Land organisieren, könnten ebenfalls freiwillige Hilfskräfte mobilisieren. Sie sind aber auch in der Pflicht, sich in die Diskussion über die Lehren aus diesem Hochwasser mit eigenen Forderungen an die Regierenden im Interesse der arbeitenden Bevölkerung einzubringen und eine Strategie aufzustellen, um diese auch zu erkämpfen. Millionen Menschen waren in den letzten Tagen vom Hochwasser betroffen: Der ÖGB weist darauf hin, dass es ein Dienstverhinderungsgrund ist, wenn es nicht möglich ist, den Arbeitsplatz zu erreichen. Aber wer zahlt die Taxirechnung, wenn der öffentliche Verkehr ausfällt, aber eine Taxifahrt zumutbar ist? Ähnlich wie bei der Pandemie wird deutlich, dass das zentrale Ziel ist, die Wirtschaft am Laufen zu halten. Während wir gewarnt werden, aus Sicherheitsgründen zu Hause zu bleiben wegen der Stürme, bleiben gleichzeitig Firmen und Schulen offen. Die Sicherheit der Profite geht über die Sicherheit der Menschen – schon wieder! Ähnliche Fragen wie bei der Pandemie kommen auf: Werden Schulen geschlossen? Müssen Beschäftigte sich im Homeoffice um die Kinder kümmern? Was passiert mit den Beschäftigten der kritischen Infrastruktur, die in einer solchen Situation besonderen Belastungen ausgesetzt sind? All dies sollte von den Beschäftigten gemeinsam demokratisch entschieden werden können. Die Gewerkschaftsführung fordert zu Recht einen Rechtsanspruch von Beschäftigten auf bezahlte Freistellung, wenn sie bei der Katastrophenhilfe im Einsatz sind – aber was tut sie, um das zu erreichen? Die nächste Regierung, egal ob die SPÖ dabei ist oder nicht, wird hier keine großen Veränderungen bringen, da das aus kapitalistischer Sicht einfach zu teuer wäre. Echte Verbesserungen muss die Gewerkschaft erkämpfen – und dafür braucht es eine Mobilisierung von unten, Arbeitskämpfe und Streiks.

  • Für die Bildung demokratisch gewählter Aktions- und Hilfskomitees in Städten und Dörfern um Aufräumen, Wiederaufbau und Katastrophenschutz demokratisch zu planen, Prioritäten festzustellen (z.B. Kindergärten wichtiger als Privathaus des Bürgermeisters) und zu verhindern, dass einige wenige Profit machen aus der Krise.

Keine Profite mit der Not!

Die Frage ist, wer kommt für die Schäden auf. Die Versicherungen decken nicht alle Schäden ab, bzw. nur bis zu einem gewissen Betrag. Die Gemeinden decken einen kleinen Teil der Schäden ab.  Die Regierung hat die Aufstockung des Katastrophenfonds, zinslose Sonderkredite, Möglichkeit auf Kurzarbeit angekündigt. Aber die Maßnahmen erinnern an die Coronahilfen – großzügige Hilfen für Unternehmen, die sie unter Umständen gar nicht brauchen bzw. die das Geld verwenden, um die eigenen Profite abzusichern. Die Liste der Skandale im Zusammenhang mit den Coronahilfen zeigt: Es ist notwendig demokratisch zu kontrollieren, wohin die öffentlichen Gelder fließen. Und wie viel ist auf das Wort von Politiker*innen zu geben, die bald nicht mehr im Amt sind?! Normale Menschen, Beschäftigte, Pensionist*innen, Arbeitslose, kleine Landwirte etc. werden es deutlich schwerer haben, an Hilfen zu kommen und bleiben auf einem Großteil der Kosten der Schäden sitzen. Das ist in Zeiten, in denen die Baukosten empfindlich teurer als vor ein paar Jahren sind, eine massive finanzielle Belastung. Die Versicherungen werden sich winden und versuchen immer so wenig wie möglich und meist mit großer zeitlicher Verzögerung zu bezahlen. Selbst im besten Fall deckt das nur einen Bruchteil ab. “Höhere Gewalt” ist eine beliebte Ausrede – obwohl die Gewinne gerade auch im Versicherungswesen stark gestiegen sind (z.B. sind die Vorsteuergewinne der Versicherungsbranche 2023 um bis zu 80 Prozent gestiegen!). Womöglich erhöhen die Versicherungen nun auch noch die Prämien, mit dem Argument der nun häufiger auftretenden Hochwasserschäden  und um noch höhere Profite zu machen.

  • Wir fordern deshalb die Überführung aller Versicherungen in öffentliches Eigentum unter demokratischer Kontrolle und unter Einbeziehung der Organisationen der Arbeiter*innenbewegung. Den Betroffenen muss rasch und direkt geholfen werden. Bezahlt werden muss das aus den Profiten der Konzerne und den Vermögen der Reichen!

Bei vergangenen Katastrophen wurde immer wieder von Seite der Wirtschaft die angebliche Chance in der Krise propagiert. Durch Reparatur- und Wiederaufbauarbeiten beispielsweise könnte die Wirtschaft im Bausektor angekurbelt werden. Wie zynisch! Die Logik dahinter: Mit der Not von Menschen lässt sich Geld machen. Steigende Preise bei Baumaterial haben oft gezeigt, wie Firmen versuchen, noch Extraprofite zu machen. 

  • Wir fordern die Offenlegung aller Firmenunterlagen von Versicherungen, Rohstoffhändlern und Bauunternehmen um zu sehen, wo die Gelder hinfließen.
  • Um zu verhindern, dass sich einzelne bereichern, ist die Überführung der gesamten Bauindustrie in öffentliches Eigentum unter demokratischer Kontrolle nötig. So können die betroffenen Gebiete möglichst effektiv wieder aufgebaut werden und so kann auch sichergestellt werden, dass sich niemand eine goldene Nase verdient und jene zuerst dran kommen, die es am dringendsten brauchen und nicht jene, die am meisten Macht haben. Krisen dürfen nicht genutzt werden, um Profite zu steigern!

Sozialistische Maßnahmen, um den Klimawandel zu stoppen!

Der Klimawandel war schon lange eine Gefahr. Durch die steigenden Temperaturen wird immer mehr Wasser in die Atmosphäre befördert. Dieses Wasser muss irgendwann wieder runterkommen. Extremwetterlagen, wie Starkregen oder Dürre, dauern länger an als in der Vergangenheit. Nun  reicht es nicht mehr, dem Klimawandel endlich konkret den Kampf anzusagen (was ohnehin nicht passiert). Weil die Herrschenden zu lange damit gewartet haben, werden solche Extremwetterlagen, wie die aktuellen, unweigerlich öfter auftreten. Dies gilt nicht nur für Österreich, sondern auch weltweit. Es ist deshalb mittlerweile nötig, auf den schon stattfindenden Klimawandel zu reagieren, ihn einzudämmen und den Umgang damit kollektiv zu organisieren – und das nicht nur konkret bei Extremwettern. Alle gesellschaftlichen Bereiche – inklusive der Städte- und Verkehrsplanung, sowie Arbeitsplätze – müssten hinsichtlich nötiger Schutzvorkehrungen im Interesse der arbeitenden Bevölkerung und sozial Benachteiligten auf den Prüfstand.

Trotz alledem weigern sich die herrschenden Politiker*innen weltweit ernsthafte Maßnahmen zu ergreifen. Ziele werden immer wieder nach hinten verschoben und abgeschwächt. Sie tun dies, weil der Druck seitens der Konzerne und ihrer Profitinteressen gegenüber den Sorgen vor den Auswirkungen des Klimawandels überwiegt. (Mehr zu unseren Vorschlägen eines sozialistischen Programms gegen den Klimawandel findet ihr hier)

Um dem Klimawandel etwas entgegenzusetzen, muss mit den Interessen der Konzerne gebrochen werden. Die Interessen der Menschen und der Natur müssen ausschlaggebend sein, nicht die der Kapitalist*innen. Ein erster Schritt ist hier die Übernahme der großen Energiekonzerne und Klimakiller durch die öffentliche Hand, die demokratische Kontrolle und Verwaltung und die Umstellung auf Erneuerbare Energien. Der Öffentliche Verkehr muss massiv ausgebaut und kostenlos werden; der Fernverkehr muss deutlich günstiger werden, um eine Alternative zu Auto und Flugzeug zu schaffen. Klimaschädliche Produktion muss umgestellt werden auf gesellschaftlich sinnvolle und nachhaltige Güter, ohne das ein*e Beschäftigte*r ihren Job oder ihr Einkommen verliert! Das alles darf nicht auf Kosten der arbeitenden Bevölkerungen umgesetzt werden, sondern auf Kosten der Profiteure dieses kapitalistischen Systems.

Wenn man es mit der Bekämpfung des Klimawandels ernst meint, darf man die Grenzen dieses Systems nicht akzeptieren. Dann darf insgesamt nicht mehr nach Profiten gewirtschaftet werden und stattdessen nach den Bedürfnissen von Mensch und Natur. Das geht nur mit sozialistischen Maßnahmen: der Überführung der Banken und Konzerne in öffentliches Eigentum unter demokratischer Kontrolle und Verwaltung und einer demokratisch geplanten Wirtschaft. Es wäre gut, wenn die KPÖ oder Babler konkrete Verbesserungen angesichts der aktuellen Krise vorschlagen – doch muss ein solches Programm “radikal” sein. Radikal in dem Sinne, dass es nicht reicht, Symptome zu bekämpfen, sondern dass die Ursachen angegangen werden müssen. Also das ganze kapitalistische System!

Zur Zeit jagt eine Katastrophe die andere. Krise häuft sich auf Krise. Dabei haben die Herrschenden immer wieder versagt, Krisen zu verhindern oder im Interesse der Mehrheit zu lösen. Die Krisen verbindet, dass stets auf die Profitinteressen von Wenigen Rücksicht genommen wurde. Der Kapitalismus ist die übergreifende Krise, die wir nur gemeinsam überwinden können. Werde deshalb mit uns aktiv und kämpfe für eine sichere und gute Zukunft für alle – eine sozialistische Zukunft!

Dieser Artikel erschien am 19. September zuerst auf www.sozialistischeoffensive.net .