Egal, wer regiert: Widerstand gegen die da oben nötig

Stellungnahme der Sol zur Bundestagswahl im Februar 2025

Am 23. Februar finden vorgezogene Neuwahlen zum Bundestag statt. Die Tatsache, dass die Ampel-Regierung scheiterte, ist Ausdruck des Zustands der Landes: Instabilität und Krise auf allen möglichen Ebenen – wirtschaftlich, sozial, politisch, klimatisch. Die bestehenden Verhältnisse schreien nach weitreichender Veränderung, die politisch und wirtschaftlich dominierenden Kräfte sind jedoch nicht annähernd zu den notwendigen Veränderungen bereit. Daher steht schon jetzt fest: Egal, wer regieren wird – es wird nicht besser! Verbesserungen sind nicht von den Regierenden zu erwarten, sondern müssen durch die Masse der lohnabhängigen Bevölkerung erkämpft werden.

Die Bundesrepublik Deutschland ist eines der reichsten Länder der Welt. Aber dieser Reichtum kommt nicht allen zugute, sondern ist in wenigen Händen konzentriert. Die Einkommens- und Vermögensungleichheit sowie Verteilungsungerechtigkeit sind hier besonders hoch. Soziale Missstände nehmen permanent zu. Preiserhöhungen und darunter liegende Lohnsteigerungen haben den Lebensstandard der meisten Menschen in den letzten Jahren sinken lassen. Mieten sind in vielen Städten geradezu unbezahlbar geworden, viele finden keine passende Wohnung mehr. Die Gesundheitsversorgung ist unzureichend und trotzdem steigen die Krankenkassenbeiträge. In den Schulen fällt immer mehr Unterricht wegen Lehrer*innenmangel aus. Kommunen kürzen bei wichtigen Leistungen in den Bereichen Kultur, Jugendförderung, Breitensport etc. und während zehntausende Arbeitsplätze in der Industrie vernichtet werden und die Erwerbslosigkeit wieder steigt, wird der Arbeitsdruck für diejenigen mit Beschäftigung immer höher – Burnout und andere psychische Erkrankungen nehmen dementsprechend zu. Diese Verhältnisse schreien nach Veränderung.

Ursache Kapitalismus

In jedem europäischen Land gibt es ähnliche Probleme (und vom Rest der Welt ganz zu schweigen), unabhängig davon, welche Parteien dort regieren. Der Grund dafür ist, dass diese Missstände Folge des krisenhaften kapitalistischen Systems sind, das in allen Ländern besteht. Im Kapitalismus bestimmen die Profitinteressen der Banken und Konzerne, was passiert. Der Konkurrenzkampf um die besten Profitbedingungen – also um den Zugang zu Märkten, Arbeitskräften, Rohstoffen, Transportwegen etc. – verschärft sich massiv und geht mit großen Veränderungen in den globalen Machtkonstellationen einher. Die USA sind ein schwächelnder Riese, der tendenziell an Macht verliert, während der chinesische Staatskapitalismus stärker wird – Europa und darin die Bundesrepublik werden dazwischen immer mehr zerrieben. Das führt international zu verstärkten Konflikten und erhöht den Druck auf Löhne und Arbeitsbedingungen – am stärksten bekommen das zur Zeit die Beschäftigten in der Industrie zu spüren, in der aufgrund der Rezession (also der rückläufigen Wirtschaftsleistung) viele tausend Arbeitsplätze vernichtet werden.

Kriege und Militarisierung

Die internationalen Entwicklungen haben direkte Auswirkungen auf Deutschland. Der Kapitalismus ist ein globales System gegenseitiger Abhängigkeiten, weltweiter Märkte und Produktionsketten und einer globalen Klimakatastrophe. Deutschlands Wirtschaft ist besonders auf den Verkauf von Waren in anderen Ländern, also den Export, ausgerichtet und von Krisen der Weltwirtschaft besonders betroffen.

Die Zunahme von Kriegen und, teils militärischen, Konflikten auf der Welt sind auch eine Folge von Krisen und Konkurrenzkampf und der oben beschriebenen Verschiebungen internationaler Kräfteverhältnisse, also direkte Folgen des Kapitalismus. Die Bundesregierung hat bewiesen, dass sie in der Lage ist, enorme Summen auszugeben, wenn sie es zur Verteidigung ihres Systems für notwendig hält. Innerhalb kürzester Zeit hat Olaf Scholz nach dem Einmarsch Russlands in der Ukraine die „Zeitenwende“ ausgerufen und das einhundert Milliarden schwere Sondervermögen für die Bundeswehr beschlossen – und damit bestätigt, dass Rüstung und Krieg im Kapitalismus Priorität haben.

Seitdem hat sich auch eine zunehmende Militarisierung der Gesellschaft vollzogen, soll ein neuer Wehrdienst eingeführt werden und die Bundeswehr eine wachsende Rolle spielen. Wir sollten dabei nicht vergessen: Jeder Euro, der für Militär und Rüstung ausgegeben wird, wird nicht für ein besseres Gesundheitswesen, Wohnungsbau oder den Kampf gegen den Klimawandel ausgegeben.

Die Unterstützung der Bundesregierung für das nationalistische und undemokratische Selenskyj-Regime in der Ukraine und die in Teilen rechtsextreme Netanjahu-Regierung in Israel, sowie die Repression gegen die Palästina-Solidarität in Deutschland, sind Ausdruck davon, dass die Außenpolitik von macht- und wirtschaftspolitischen Motiven und nicht von demokratischen Werten oder Menschenrechten geleitet wird.

Warum das Ampel-Aus?

Das Auseinanderbrechen der Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP drückt unterschiedliche Vorstellungen unterschiedlicher Vertreter*innen des Kapitalismus darüber aus, wie ihr System am besten aufrechterhalten werden kann. Kein Teil dieser Regierung vertrat die Interessen der lohnabhängigen Bevölkerung. Es gibt Einigkeit über viele Fragen: die Profitbedingungen für Banken und Konzerne verbessern, Unterstützung der ukrainischen Kriegsführung und des Kriegs Israels gegen die Palästinenser*innen, Aufrüstung der Bundeswehr und Militarisierung der Gesellschaft, Migration einschränken und Geflüchtete abschieben. Uneinigkeit gibt es über den besten Weg, um diese Ziele zu erreichen.

Dabei prallen, vereinfacht ausgedrückt, zwei Strategien aufeinander: Frontalangriff auf die Arbeiter*innenklasse oder versuchen, die Gewerkschaftsführungen einzubinden und Angriffe etwas weniger scharf bzw. scheibchenweise durchzuführen. Der Konflikt um die Schuldenbremse drückt das in verzerrter Form aus – verzerrt, weil auch Teile des Kapitals eine Reform der Schuldenbremse befürworten, um mehr Spielraum für staatliche Investitionen zu erlangen, die ihren Profitinteressen dienen (nicht um gesellschaftlich sinnvolle und nötige Investitionen in Bildung, Gesundheit, Umwelt, Soziales etc. zu ermöglichen).

„Wirtschaftswende“

Hintergrund des vor allem von der FDP provozierten Bruchs der Koalition sind auch die täglich lauter werdenden Forderungen von Kapitalvertreter*innen für eine so genannte „Wirtschaftswende“. Damit meinen sie drastische Angriffe auf die Rechte und den Lebensstandard der arbeitenden Bevölkerung, Steuererleichterungen für die Kapitalist*innen etc. – etwas wovor, wir seit Monaten warnen und weshalb Sol-Mitglieder die Kampagne „Wir schlagen Alarm“ gemeinsam mit anderen kämpferischen Gewerkschafter*innen ins Leben gerufen haben. Den Kapitalvertreter*innen geht es dabei darum, ihre Profitraten zu erhöhen angesichts der nun seit zwei Jahren anhaltenden Rezession der deutschen Volkswirtschaft und der fehlenden Aussicht auf eine deutliche Verbesserung der Lage. Deutschland gilt mittlerweile wieder, wie zu Beginn der Nuller Jahre, als der „kranke Mann Europas“, der Schlusslicht bei den Wachstumsraten ist. 2003 führte dieser Zustand dazu, dass die damalige SPD-Grünen-Regierung unter Kanzler Gerhard Schröder und Außenminister Joschka Fischer mit der Agenda 2010 und den Hartz-Gesetzen den größten Angriff auf die sozialen Sicherungssysteme in der Geschichte der Bundesrepublik durchführten. Viele prokapitalistische Politiker*innen und Unternehmensvertreter*innen fordern nun eine „Agenda 2030“.

Das ist die Erwartung der Kapitalist*innen an eine zukünftige Regierung, die aller Voraussicht nach von dem ehemaligen Blackrock-Manager und Wirtschaftslobbyisten Friedrich Merz geführt werden wird, der mehr als bereit sein wird, diese Forderungen zu erfüllen. Das wird nur durch massenhaften Widerstand auf der Straße und in den Betrieben verhindert werden können.

Migrationsdebatte

Diese Pläne massiver Angriffe auf den Lebensstandard und die Rechte der arbeitenden Bevölkerung werden seit Monaten garniert mit der sogenannten Migrationsdebatte, durch die seitens der AfD und von bürgerlichen Politiker*innen und Medien das Märchen verbreitet wird, Migration und Migrant*innen seien verantwortlich für die oben beschriebenen sozialen Missstände. Das ist ein groß angelegtes Ablenkungsmanöver, das von den wahren Ursachen und den wahren Verursacher*innen der Probleme ablenken soll – den Banken und Konzernen, bürgerlichen Regierungen und ihrem kapitalistischen System. Tatsächlich erhöht kein Migrant die Miete, keine Geflüchtete schließt Krankenhäuser und kein Asylbewerber baut zehntausende Arbeitsplätze in der Autoindustrie ab. Wenn schon, ist das Gegenteil der Fall: ohne die vielen hart arbeitenden migrantischen Kolleg*innen würden das Gesundheitswesen und die öffentliche Infrastruktur zusammenbrechen. Für jede Nachricht eines von einem Migranten durchgeführten Terroranschlags oder Gewaltdelikts könnte es dutzende Nachrichten über von migrantischen Sanitäter*innen, Pflegekräften und Ärzt*innen gerettete Menschenleben geben – gibt es aber nicht, weil mit Nachrichten Stimmungen erzeugt werden sollen.

Die Sol lehnt diese Politik des „teile und herrsche“ ab, die das Ziel hat die lohnabhängige Bevölkerung entlang von nationalen und religiösen Linien zu spalten, um einen gemeinsamen Widerstand der Masse der Bevölkerung gegen die da oben zu verhindern. Wir stehen für gleiche Rechte für alle hier lebenden Menschen.

Aussichten für die Wahl

Im Wahlkampf werden die etablierten Parteien wieder das Blaue vom Himmel versprechen. Insbesondere CDU/CSU und SPD werden so tun, als ob sie in den letzten Jahrzehnten nicht Regierungsverantwortung getragen hätten und als ob sie nicht die Gelegenheit gehabt hätten, ihre Versprechungen umzusetzen. Die SPD wird wieder einmal links blinken und Forderungen nach einem höheren Mindestlohn, einem Tariftreuegesetz, mehr Wohnungsbau etc. aufstellen – und nach der Wahl im Falle einer Regierungsbeteiligung wieder vergessen. Einig werden sich alle etablierten Parteien in der Fortsetzung der Aufrüstung und der Unterstützung von Selenskyj und der Kriege Israels sein.

Nach derzeitigem Stand der Meinungsumfragen wäre klar, dass der nächste Kanzler Friedrich Merz heißt – obwohl er und die Union über keine besonders große Unterstützung in der Bevölkerung verfügt – und vieles spricht dafür, dass es zu einer früher mal „Große Koalition“ genannten Regierung aus CDU/CSU und SPD kommen wird. Es ist davon auszugehen, dass die SPD – wie schon so oft – staatstragend nach den Ministersesseln greifen wird und sich auch mit einem Kanzler Merz arrangieren kann. Gleichzeitig bewegen sich Grüne und CDU/CSU wieder aufeinander zu und kann auch nicht ausgeschlossen werden, dass es erstmals auf Bundesebene zu einer schwarz-grünen Koalition kommt, auch wenn die Hürden dafür deutlich höher sind.

FDP, BSW und Die Linke werden um ihren Einzug in den nächsten Bundestag bangen müssen. Aber die Umfragen von heute sind nicht das Ergebnis der Neuwahlen und in den verbleibenden Wochen kann viel passieren. Es ist nicht ausgeschlossen, dass aus dem derzeitigen Sieben-Fraktionen-Parlament ein Vier-Fraktionen-Parlament wird und nach der ersten Dreier-Koalition nun wieder eine Regierung bestehend aus zwei Parteien gebildet wird (CDU und CSU als eine Partei gerechnet). Das würde zum einen bedeuten, dass wahrscheinlich bis zu zwanzig Prozent der Wähler*innen nicht im Bundestag vertreten wären, was den undemokratischen Charakter der Fünf-Prozent-Hürde deutlich macht und zum anderen, dass die Situation in Parlament und Regierung vorübergehend stabiler sein könnte – vorübergehend, weil die gesellschaftliche Instabilität und Krise trotzdem zunehmen wird und das früher oder später auch zu massenhaftem Widerstand führen wird. Dieser kann auch eine Merz-Regierung zu Zugeständnissen zwingen und erfolgreich sein.

AfD

Die AfD wird aller Voraussicht nach die Hauptgewinnerin der Wahl sein. Sie profitiert weiterhin von der berechtigten Unzufriedenheit und Frustration mit den etablierten Parteien und davon, dass es der Linkspartei nicht gelungen ist, dazu eine glaubwürdige und starke Alternative aufzubauen, weil sie statt eine klare oppositionelle Anti-Establishment-Haltung einzunehmen in Landesregierungen zusammen mit SPD und Grünen „stinknormale“ kapitalistische Politik zu verantworten hatte und hat.

Der AfD ist es gelungen, sich als Partei der „kleinen Leute“ zu profilieren, obwohl sie ein in weiten Teilen wirtschaftsliberales Programm vertritt, unter dem arme Menschen und Lohnabhängige leiden und von dem die Reichen profitieren würden. Sie ist arbeiter*innenfeindlich und rassistisch.

Auch wenn die Wahl zu einer Rechtsverschiebung im Parlament führen wird, würde man es sich zu einfach machen, dies einfach auf einen Rechtsruck in der Mehrheit der Bevölkerung  oder gar Unterstützung für neoliberale Politik zurückzuführen. Die Unterstützung für sozialere Politik oder die hunderttausenden neuen Gewerkschaftsmitglieder in Folge der Streikwelle 2023 finden aber bisher kaum einen Ausdruck auf Wahlebene.

Die großen Massendemonstrationen vor einem Jahr gegen Rassismus und die AfD haben gezeigt, dass eine Mehrheit die Rechtspopulist*innen ablehnt. Es hat sich aber auch gezeigt, dass Proteste gegen die AfD, in der Linke und Antifaschist*innen ein Bündnis mit den etablierten Parteien bilden, die Rechtspopulist*innen nicht zurückdrängen kann. Das wäre nur möglich, wenn der Kampf gegen den Rassismus der AfD mit dem Kampf gegen die sozialen Ursachen für ihre Stärkung verbunden würde, was sich notwendigerweise auch gegen die Politik von CDU/CSU, FDP, SPD und Grünen richten müsste. Die Sol nimmt deshalb einen Klassenstandpunkt im Kampf gegen Rechts ein und sagt, dass Rechtspopulismus und Rassismus der Boden entzogen werden muss statt sich auf eine moralische Verurteilung zu beschränken.

BSW

Das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) behauptet von sich, eine Alternative zu den etablierten Parteien, zu AfD und zur Linken zu sein. Es ist mit viel Furore gestartet und konnte bei der Europawahl und den Landtagswahlen in Brandenburg, Sachsen und Thüringen Erfolge erzielen. Zum Jahreswechsel gingen die Umfragewerte zurück, wahrscheinlich weil einigen Wähler*innen dämmert, dass das BSW sich nicht grundlegend von den anderen Parteien unterscheidet – ist es doch in Brandenburg und Thüringen schon in Landesregierungen eingetreten, und das in Thüringen sogar mit der CDU!

Das BSW vertritt zwar eine Reihe von sinnvollen friedens- und sozialpolitischen Forderungen, ist aber insgesamt eine Rechtsabspaltung von der Linkspartei. Das bedeutet, dass das BSW weniger die Interessen von Lohnabhängigen zum Ausdruck bringt als Die Linke, vor allem weil es jeden Antikapitalismus über Bord geworfen hat und die Illusion eines Interessenausgleichs zwischen Kapital und Arbeit vertritt. Es ist keine Partei, die sich zur Aufgabe stellt, Lohnabhängige zur Gegenwehr zu mobilisieren und zu organisieren, sondern das BSW steht für Stellvertreterpolitik und ist selbst ein exklusiver Verein, in dem man kaum Mitglied werden kann. Vor allem aber tragen Sahra Wagenknecht und ihre Mitstreiter*innen durch ihre migrationsfeindliche Propaganda dazu bei, die Lohnabhängigen zu spalten und leisten dem oben beschriebenen Ablenkungsmanöver Migrationsdebatte Vorschub.

Wir verstehen, dass einige das BSW wählen werden, um damit dem Establishment eins auszuwischen ohne dafür AfD zu wählen und weil das BSW zur Zeit die profilierteste Anti-Kriegs-Partei ist, aber es ist keine Alternative zur Durchsetzung der Interessen von Arbeiter*innen und Jugendlichen.

Gewerkschaften

Für Gewerkschaften und Die Linke ist die neue Situation eine Herausforderung. Die sozialdemokratisch ausgerichtete Gewerkschaftsbürokratie wird mehr oder weniger offen Wahlkampf für die SPD machen. Das sollten Gewerkschaftsaktive an der Basis nicht mitmachen und kritisieren. Vor allem muss von den Gewerkschaften jetzt der Kampf für den Erhalt der in vielen Unternehmen bedrohten Arbeitsplätze geführt werden und müssen sie Widerstand vorbereiten, gegen die von der nächsten Bundesregierung zu erwartenden Angriffe auf die Rechte und den Lebensstandard der Arbeiter*innenklasse. Das würde bedeuten, in den Wahlkampf mit klaren Forderungen einzugreifen und die Politisierung zur Organisierung von Kolleginnen und Kollegen zu nutzen.

Wo es schon jetzt zu Kürzungen auf Kosten der Arbeiter*innenklasse kommt, sollten die Gewerkschaften und Gewerkschaftsaktive sowie Betroffene und linke und soziale Organisationen die Initiative zu Widerstand ergreifen und Protestbündnisse bilden.

Leider schlägt die Gewerkschaftsführung einen anderen Weg ein, wie die Zustimmung zum Abbau von 35.000 Arbeitsplätzen und zu Lohnkürzungen bei VW durch die IG Metall-Führung zeigt. Während die Kapitalist*innen die Sozialpartnerschaft aufkündigen und einen Klassenkampf von oben verschärfen, halten die Gewerkschaftsbürokrat*innen verzweifelt daran fest, weil sie keine politische Alternative dazu haben. Nötig wäre es, dem Klassenkampf von oben ebenso entschlossen mit Gegenwehr von unten zu begegnen.

Die Linke

Gewerkschafter*innen sollten sich für eine Wahl der Partei Die Linke bei den anstehenden Wahlen aussprechen, denn sie ist – trotz aller Beschränktheiten, Fehler und Anpassung in Richtung SPD und Grüne – die einzige Stimme einer linken Opposition, die den Einzug in den Bundestag schaffen kann. Ein Bundestag ohne Die Linke würde die politischen Kräfteverhältnisse in der Bundesrepublik zuungunsten der Arbeiter*innenklasse verschieben. Deshalb wird auch die Sol zur Wahl der Linken aufrufen und dafür werben.

Die unter dem Motto „Alle reden, wir hören zu“ begonnene Kampagne für Haustürgespräche muss nun zum Wahlkampf gemacht werden – und statt nur zuzuhören sollte der Geist sein: „Wir haben Antworten auf die Krise des Kapitalismus!“

Es darf keinen Anti-Merz-Wahlkampf geben, der den Eindruck erweckt, es gebe ein linkes Lager gemeinsam mit SPD und Grünen. Das zu erwartende „linke Blinken“ dieser Parteien muss als solches benannt werden. Es ist nötig, einen klaren Oppositionswahlkampf zu führen.

Die Linke sollte einen kämpferischen Wahlkampf mit einem Fokus auf einige zentrale Themen führen. Diese sollten sein:

  • Die Rettung bedrohter Arbeitsplätze durch Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich und einen demokratischen Plan zur Umstellung der Produktion auf sinnvolle und nachhaltige Produkte
  • Die Instandsetzung des maroden Gesundheitswesens und des öffentlichen Nah- und Fernverkehrs – finanziert aus den Gewinnen der Banken und Konzerne und den Vermögen der Superreichen
  • Schaffung von bezahlbarem Wohnraum durch Enteignung der Immobilienkonzerne, Einführung einer Kostenmiete und Bau öffentlicher Wohnungen
  • Maßnahmen gegen die weiterhin viel zu hohen Preise und zu niedrigen Löhne
  • Opposition gegen die kapitalistischen Kriege und Waffenlieferungen an die Ukraine und Israel und gegen Aufrüstung und Militarisierung
  • Rettung des Klimas durch von den Reichen, Banken und Konzernen finanzierte Maßnahmen statt die Masse der Bevölkerung dafür zahlen zu lassen

Forderungen und Maßnahmen zur Lösung dieser Missstände müssen an die Grundfesten des kapitalistischen Systems gehen, sonst werden sie unwirksam sein: demokratisches öffentliches Eigentum statt Privateigentum an Konzernen und Banken und massive Besteuerung des unverschämt hohen angehäuften privaten Reichtums. Die Linke sollte einen wirklich linken Wahlkampf führen und sich damit profilieren, dass sie die Partei gegen kapitalistische Kriege und obszöne Reichtumskonzentration ist, die bereit ist, sich wirklich mit den Reichen und Mächtigen anzulegen.

Integraler Bestandteil des Wahlkampfs muss eine Botschaft der Solidarität mit allen diskriminierten Minderheiten – Migrant*innen, Geflüchtete, LGBTQI*-Personen, Behinderte -, mit ebenso von Diskriminierung betroffenen Frauen, mit allen für ihre legitimen Rechte kämpfenden Gruppen sein. Das Thema Migration sollte nicht gemieden werden, wie es die KPÖ in Österreich praktiziert, sondern offensiv und selbstbewusst eine antirassistische Position vertreten werden, die Solidarität mit Geflüchteten propagiert und erklärt, dass der Kampf gegen Fluchtursachen der Kampf gegen den Kapitalismus ist.

Die 5-Prozent-Hürde packen!

Wenn Die Linke einen solchen Wahlkampf überzeugend angeht, wenn ihre Kandidat*innen dem Beispiel der neuen Vorsitzenden Ines Schwerdtner und Jan van Aken folgen und erklären, dass sie von den überhöhten Diäten nur annehmen, was einem durchschnittlichen Facharbeiter-*innenlohn entspricht und den Rest an die Partei und gewerkschaftliche bzw. soziale Kämpfe und Bewegungen spenden werden, wenn sich die Bundespartei endlich von kapitalismusfreundlicher Regierungspolitik in Bremen, Mecklenburg-Vorpommern und Thüringen distanziert, dann könnte unter den Mitgliedern und Unterstützer*innen der Partei eine Mobilisierung erreicht werden, die die Partei über die Fünf-Prozent-Hürde bei den Bundestagswahlen trägt. Doch es darf nicht nur um Stimmen gehen. Die Linke sollte einen Wahlkampf führen, der Arbeiter*innen und Jugendliche dazu auffordert, sich zu organisieren und – auch nach den Wahlen – aktiv zu werden.

Das wäre zusammen mit konsequenten Kämpfen der Gewerkschaften für die Interessen der abhängig Beschäftigten und gegen Kürzungen auf allen Ebenen auch das beste Mittel, um die AfD im Zaum zu halten.

Neue sozialistische Arbeiter*innenpartei

Damit wäre die Krise der Partei noch nicht überwunden, aber der Niedergang erst einmal unterbrochen und dann könnte eine notwendige Debatte stattfinden, welchen Beitrag Die Linke – zusammen mit anderen Kräften aus Gewerkschaften und sozialen Bewegungen! – zur Schaffung einer Massenpartei von Arbeiter*innen und Jugendlichen mit einem sozialistischen Programm leisten kann, die so dringend nötig ist, um die Interessen der Arbeiter*innenklasse zu vertreten und die Gesellschaft zu verändern. Den Anspruch, dass Die Linke sich allein zu einer solchen Partei entwickeln wird, sollte sie aufgeben und sich wieder stärker der Zusammenarbeit mit anderen linken und gewerkschaftlichen Kräften, auch bei Wahlantritten, öffnen – um in der Zukunft eine wirkliche Massenpartei zu schaffen. Eine solche wird aus Kämpfen von Arbeiter*innen, Jugendlichen und sozial Benachteiligten entstehen und vor allem aus Menschen bestehen, die heute noch nirgends organisiert sind. Die Sol will dazu einen Beitrag leisten. Wir sind überzeugt davon, dass eine solche Partei auf dem Weg zur sozialistischen Veränderung der Gesellschaft nötig ist und dass sie umso erfolgreicher aufgebaut werden kann, je stärker die marxistischen Kräfte darin sind.