
Gewerkschaftliche Gegenwehr aufbauen
Friedrich Merz ist mit dem Plan für eine “Agenda 2030“ in den Wahlkampf gezogen und will die lange gehegten Wünsche der Kapitalverbände endlich wahr machen. Der Begriff ist an die unter der rot-grünen Schröder-Regierung eingeführte Agenda 2010 angelehnt.
Von Angelika Teweleit, Sol-Bundesleitung
Mit als Erstes will er das Bürgergeld abschaffen. Die Gewerkschaften müssen sich klar dagegen stellen und erklären, warum sich das gegen die gesamte arbeitende Bevölkerung richtet. Auch die Agenda 2010 hatte als zentrales Projekt die Abschaffung der bis dahin geltenden Sozialsysteme und die Einführung von „Hartz IV“ als Grundlage. Dieses System der Sanktionierung von Erwerbslosen und Absenkung von Sozialleistungen begünstigte die Ausweitung des Niedriglohnsektors. Noch mehr Sanktionsmöglichkeiten treffen daher nicht nur Erwerbslose (von denen gerade mal ein Prozent eine angebotene Arbeit, Ausbildung etc. verweigert). Als Drohszenario soll es vor allem dazu dienen, um diejenigen, die vor dem Hintergrund von Stellenabbau und steigender Arbeitslosigkeit noch Arbeit haben, „gefügig“ zu machen und schlechtere Arbeitsbedingungen und Löhne zu akzeptieren.
Steuergeschenke
Außerdem will Merz die Steuern für Unternehmen und Reiche senken. Dabei müssten die Steuern auf deren Vermögen und Gewinne massiv erhöht werden, um das marode Gesundheitswesen sowie den Personalmangel in Krankenhäusern, an Schulen, im öffentlichen Verkehr usw. zu beheben und in diese Bereiche zu investieren. Die Gewerkschaften müssen zudem ablehnen, dass hunderte Milliarden in mehr Aufrüstung gesteckt werden, die letztlich von der Masse der arbeitenden Bevölkerung bezahlt werden sollen.
Weitere Angriffe
Aufgrund der schwachen Wahlergebnisse für Union und SPD und auch aufgrund des guten Abschneidens der Linken kann es sein, dass diese Regierung aus Angst vor Widerstand noch abwartet, bevor sie umfangreiche Angriffe gegen die gesamte Arbeiter*innenklasse durchsetzt. Doch Wirtschaftsverbände wünschen sich Einschränkungen bei der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, Verlängerung der gesetzlichen Arbeitszeiten, Angriffe aufs Streikrecht. Aktuell fordern Ökonomen wie der Ifo-Chef Fuest die komplette Abschaffung oder eine schrittweise Kürzung des Elterngeldes. Es ist auch möglich, dass diese Regierung solche Vorhaben scheibchenweise angeht. Aber klar ist, dass die vom ehemaligen BlackRock-Manager geführte Regierung im Interesse des Kapitals handeln wird. Die Lage vieler Kommunen ist ohnehin schlecht, und in vielen Städten gab es bereits massive Kürzungsbeschlüsse bei sozialen und kulturellen Einrichtungen wie auch beim öffentlichen Personennahverkehr. Das wird weitergehen. Außerdem gibt es eine Reihe von Krankenhäusern, die der Krankenhausreform zum Opfer fallen und geschlossen werden sollen. Dazu kommen Ankündigungen von massivem Stellenabbau in der Industrie oder auch bei der Bahn.
Nein zu Sozialpartnerschaft
Die Gewerkschaften sind die größten Organisationen der Arbeiter*innenklasse und haben die Aufgabe, Gegenwehr zu organisieren. Leider setzen ihre Führungen weiterhin auf Sozialpartnerschaft und orientieren sich viele Funktionär*innen politisch an der SPD, auch wenn diese längst aufgehört hat, die Interessen der Arbeiter*innenschaft zu vertreten und auch bereit sein wird, die Axt mit anzulegen. Es ist zu befürchten, dass sich die Gewerkschaftsführungen in die Regierungspolitik einbinden lassen und keinen ernsthaften Kampf organisieren. Das muss abgelehnt werden und stattdessen sollten sie jetzt überall Diskussionen über die geplante Wirtschaftsagenda der kommenden Regierung organisieren und darüber sprechen, wie sich die Masse der Lohnabhängigen unter Führung der Gewerkschaften auf Widerstand vorbereiten kann. Der kann auch gegen eine Merz-Regierung erfolgreich sein, die keine große Unterstützung haben wird – und wäre ein Mittel zu verhindern, dass wachsender Unmut der AfD zugutekommt. Doch von allein wird das nicht passieren.
Alarm schlagen!
Aktive Kolleg*innen haben deshalb bereits im letzten Jahr den Aufruf „Wir schlagen Alarm“ verfasst, in dem es heißt: „Wir setzen uns in den Gewerkschaften dafür ein, an jeder Stelle Widerspruch zu formulieren, Widerstand zu organisieren und lokale, regionale und bundesweite Netzwerke gegen drohende weitreichende Angriffe aufzubauen. Dazu sollen Aktionskonferenzen einberufen werden, um einen gemeinsamen Aktionsplan für Proteste bis hin zu einer bundesweiten Großdemonstration … zu diskutieren.(…) Wir erklären unsere Bereitschaft, entsprechende Initiativen von unten selbst anzustoßen und dabei mitzuarbeiten.“
Druck von unten
Kolleginnen und Kollegen sollten entsprechende Anträge in die Gewerkschaften einbringen. Um das koordiniert anzugehen, wird die Initiative „Wir schlagen Alarm“ weitere Vernetzungsangebote und Treffen organisieren. Eine Gelegenheit zur weiteren Diskussion könnte auch die von der Rosa-Luxemburg-Stiftung organisierte Konferenz „Gegenmacht im Gegenwind“ Anfang Mai sein. Auch Linke-Mitglieder, die in Gewerkschaften aktiv sind, sollten sich koordinieren und entsprechende Vorschläge und Forderungen an die Gewerkschaftsführungen richten.
Demonstrationen allein werden nicht reichen, wenn die Regierung im Interesse des Kapitals solche Angriffe durchsetzen will. Daher ist es nötig, das Mittel politischer Streiks zu diskutieren. Politischer Streik ist in Deutschland nicht gesetzlich verboten, sondern es gilt Richterrecht. Wenn Hunderttausende die Arbeit niederlegen, um unsoziale Gesetze und die Einschränkung von Rechten zu verhindern, können Gerichte wenig tun. Es ist dann eine Frage der gesellschaftlichen Kräfteverhältnisse.
Schon jetzt sollten Gewerkschaften in von Kürzungen betroffenen Kommunen oder Betrieben den Widerstand in die Hand nehmen. Wenn die Gewerkschaftsführungen in Anbetracht der drohenden Angriffe nicht mobilisieren oder sich gar einbinden lassen, sollten aktive Gewerkschafter*innen, Kolleg*innen, Linke und Sozialist*innen selbst Initiativen ergreifen.
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