
Es ist möglich und nötig, höhere Löhne zu erstreiken
Ein offensiver Tarifkampf, um mehr Lohn, bessere Arbeitsbedingungen und gegen eine Arbeitszeitverlängerung im Tarifvertrag der Länder (TV-L) ist unerlässlich.
von Magda Majeed, Berlin
Seitdem sich ver.di 2003 auf eine Reform der Tarifverträge im öffentlichen Dienst einließ, wurden in Folge verschiedene Tarifverträge in unterschiedlichen Bereichen abgeschlossen. So werden beispielsweise seit 2006 die Arbeitsbedingungen der Tarifbeschäftigten im Bereich Bund und Kommunen im „Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst“ (TVöD) und der Länder im „Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder“ (TV-L) (in Hessen später im TV-H) getrennt verhandelt. Ab dem 1. November 2025 wird wieder über den TV-L verhandelt. Als erster Verhandlungstermin steht der 3. Dezember 2025 fest. In den vergangenen knapp zwanzig Jahren wurde der TV-L dem TVöD “nachgezeichnet” – nur mit geringeren Lohnsteigerungen, so dass eine Lohnlücke entstanden ist, die Zuschläge sind niedriger und Eingruppierungsmerkmale zum Teil schlechter.
Nein zu Arbeitszeitverlängerung!
Im Frühjahr gab es bereits hitzige Debatten über die Schlichtungsempfehlung im TVöD, die schließlich in einer Mitgliederbefragung zur Abstimmung gestellt und lediglich von einer knappen Mehrheit von 52,2 Prozent derjenigen ver.di-Mitglieder, die abstimmten, angenommen wurde. Etliche Kolleg*innen im TV-L-Bereich sind frustriert vom Abschluss im TVöD und haben die Befürchtung, im Winter noch schlechter abzuschließen. Dass die ver.di-Führung in der TVÖD-Runde einer “freiwilligen“ 42-Stunden-Woche im Tarifvertrag ohne Not zugestimmt hat, wurde von aktiven Kolleg*innen besonders kritisiert. Sollte dies auch für den TV-L gefordert werden, muss es klar abgelehnt werden. Eine gute Lohnforderung in dieser Runde, wie zum Beispiel 600 Euro Festbetrag als monatliche Erhöhung bei maximal zwölf Monaten Laufzeit, könnte einen mobilisierenden Effekt haben. So könnte diese Tarifauseinandersetzung genutzt werden, um durch starke Arbeitskampfmaßnahmen neue Mitglieder und Aktive zu gewinnen.
Drohende Angriffe der Bundesregierung
Während die jetzige schwarz-rote Bundesregierung ihre Prioritäten ganz klar auf Aufrüstung statt auf Soziales, Bildung, Gesundheit, Kultur und Umweltschutz legt, ist klar, dass auch in den Ländern der Rotstift regiert. Dazu kommen geplante Angriffe der Merz-Regierung auf die Lebens- und Arbeitsbedingungen und den Acht-Stunden-Tag. Gegen diese Angriffe und Kürzungen der Regierung und für einen guten Tarifabschluss muss gekämpft werden. Die Tarifauseinandersetzung wird nicht am Verhandlungstisch, sondern an den Streikposten vor den Uni-Kliniken, Schulen und Hochschulen, Landesbehörden und Forschungseinrichtungen gewonnen.
Wie die Kampfkraft aufbauen?
Häufig rechtfertigt die Gewerkschaftsführung schlechte Tarifabschlüsse mit einem schwachen Organisationsgrad. Mit der Zerstückelung von Tarifverträgen, mitgetragen von den Gewerkschaftsführungen Anfang der 2000er, wurde die Kampfkraft im öffentlichen Dienst geschwächt. Die Schlussfolgerung hieraus müsste aber lauten, Strategien zu entwickeln, wie die nötige Kampfkraft hergestellt werden kann.
Denn auch die Streiks der Länderbeschäftigten können eine große Wirkung erzielen, nicht zuletzt in neuralgischen Bereichen wie zum Beispiel bei Schleusen und Autobahnmeistereien. Zudem sind viele der Universitätskliniken betroffen, an denen bereits Kampferfahrung unter anderem für Entlastungstarifverträge gesammelt wurde. Dazu kommen Beschäftigte in einigen Kitas und an Schulen sowie die studentischen Beschäftigten an den Unis, die für den TV-Stud (Tarifvertrag für studentische Beschäftigte) kämpfen. Es gibt also insgesamt ein großes Mobilisierungspotenzial.
Alle Kräfte und Ressourcen sollten eingesetzt werden, um die Mitgliedschaft zu befähigen, ihre Forderungen durchzusetzen. Bereits im Vorfeld der Tarifrunde müssen als Mobilisierung erste große Mitgliederversammlungen und Informationsabende zur Forderungsfindung stattfinden. Darauf aufbauend sollte es Schulungen zum Streikrecht, zur Ansprache von Unorganisierten etc. geben. Auf Streikdelegiertenkonferenzen sollte transparent und offen über den Ablauf der Tarifrunde diskutiert und später während der laufenden Verhandlungen abgestimmt werden.
Darüber hinaus braucht es eine breite Solidarität durch die anderen ver.di-Bereiche und DGB-Gewerkschaften sowie der Linkspartei und später einen Erzwingungsstreiks als Druckmittel. Eine bundesweite Vernetzung kämpferischer Kolleg*innen ist dringend notwendig, um einen Kurswechsel hin zu einer kämpferischen und demokratischen Gewerkschaftspolitik zu erreichen.