Vorstände statt Beschäftigte entlassen – Großaktionäre statt Belegschaften enteignen

Flugblatt der Sol Stuttgart zum Aktionstag der IG Metall

Manager der Auto- und Zuliefererindustrie überbieten sich derzeit bei ihren Angriffen auf die Beschäftigten. Kein Tag vergeht ohne neue Hiobsbotschaft aus irgendeinem Betrieb. Egal, ob Bosch, Mahle, Daimler, Conti …, auf bereits verkündeten Arbeitsplatzabbau und Kürzungsprogramme wird drauf gepackt. Selbst mehrjährige Beschäftigungsgarantien, die mit Zugeständnissen der Belegschaften erkauft wurden, werden aufgekündigt. Laut Handelsblatt vom 13.11.2019 haben 160 Unternehmen in der baden-württembergischen Automobilbranche Sparprogramme bis hin zu Personalabbau angekündigt. Tarifverträge sollen unterlaufen werden. Für die Tarifrunde 2020 wetzen die Metallbosse bereits die Messer.

Gewinne werden privatisiert – Verluste sozialisiert

Im zurückliegenden Boom gab es für die deutschen Autokonzerne einen Gewinnrekord nach dem anderen, Kapitalrenditen bis 16 % und explodierende Managergehälter. Wie immer, sind die Kapitalisten nicht bereit, die von ihrem Profitsystem verursachte Krise zu bezahlen. Großaktionäre wollen weiter hohe Dividenden. Manager wollen weiter in der Wellness-Oase der Einkommensmillionäre bleiben. Die Verluste und die Kosten für die geplanten Investitionen sollen durch Arbeitsplatzvernichtung, Lohnkürzungen und noch mehr Arbeitsdruck aus den Belegschaften herausgepresst und mit Steuergeldern bezuschusst werden. Ein beachtlicher Teil der Verluste, die jetzt reklamiert werden, wurden durch den Dieselbetrug verursacht. Doch das Verursacherprinzip soll hier nicht gelten. Die Kosten für Bußgelder, Rückrufaktionen, Entschädigungen, Rechtsanwalts- und Gerichtskosten sowie bereits einkalkulierte Strafzahlungen für die Nichteinhaltung der CO2-Ziele sollen die Beschäftigten bezahlen.

Es geht nicht um Transformation – es geht um Profit

Der Abbau von Arbeitsplätzen wird vor allem mit der Transformation des Autobaus auf batterieelektrischen Antrieb begründet. In Wirklichkeit wollen die Konzerne künftig mindestens genau so viele Verbrenner bauen wie bisher. VW baut zum Beispiel derzeit mehr als 10 Millionen Autos im Jahr. Bis zum Jahr 2025 soll der Jahresabsatz auf 12 Millionen PKW gesteigert werden. Davon sollen nur 2,5 Millionen E-Autos sein. Laut Stuttgarter Nachrichten vom 13.11.2019 will Daimler im Jahr 2020 gerade mal 9%, im Jahr 2021 15% und im Jahr 2030 die Hälfte aller Neuwagen elektrisch oder als Plug-in-Hybrid verkaufen. Deutsche Konzerne wollen vor allem mit fetten Autos und fetten Gewinnen, mit Betrugssoftware, manipulierten Tests auf eigenen Prüfständen und perfiden Tricks zur Erreichung des CO2-Flottendurchschnitts weiter machen wie bisher. Die E-Auto-Debatte ist ein Ablenkungsmanöver. Es hat nichts mit Transformation zu tun, wenn Daimler die Endmontage der Dieselmotoren von Untertürkheim in Werke mit niedrigeren Löhnen nach Thüringen und Polen, oder Zuliefererbetriebe wie Mahle, Bosch, ZF und Continental Arbeitsplätze nach Ungarn, Tschechien, Rumänien oder China verlagern. Hier geht es um Lohndumping für Profite.

Kapitalistische Überproduktionskrise

Die Ursache für die Krise in der Autoindustrie sind die weltweiten Überkapazitäten. Diese entstehen, weil jeder Konzern seine Produktion gegen die Konkurrenz plant und einen möglichst hohen Marktanteil erhalten will. Der alte Satz eines BMW-Chefs „Es gibt zu viele Autos, aber zu wenig BMW“ ist aktueller denn je. Der Konkurrenzkampf bringt es auch mit sich, dass Werke geschlossen und gleichzeitig neue gebaut werden. So vernichtet VW in den bestehenden Werken von 2016 bis 2022 weltweit 30.000 Arbeitsplätze, plant aber gleichzeitig in der Türkei ein neues Werk für den Bau eines SUV (mit Verbrennungsmotor!). Für den Bau hat das Erdogan-Regime staatliche Subventionen versprochen. Die Nettostundenlöhne der Beschäftigten in der Türkei sollen bei 2,40 Euro liegen. Daimler will eine neue Fabrik in Ägypten für SUVs errichten. Tesla plant eine „Gigafactory“ in Brandenburg. Die Stilllegung von Werken bei gleichzeitigem Neubau ist eine gigantische Verschwendung gesellschaftlicher Ressourcen und extrem umwelt- und klimaschädlich. Aus Sicht der Einzelkapitalisten erscheint der Aufbau neuer Kapazitäten sinnvoll, weil es woanders niedrigere Löhne gibt, unabhängige Gewerkschaften verboten sind, staatliche Subventionen locken, unternehmerfreundlichere Umwelt- und Arbeitsschutzgesetze existieren, Zölle oder Währungsschwankungen verhindert und/oder Transportkosten gespart werden können.

Zu viele Autos sind das Problem, nicht der Antrieb

Beim E-Auto geht es nicht um Klimaschutz. Längst ist nachgewiesen, dass E-Autos in der Gesamtbilanz nicht weniger CO2 verursachen und nicht umweltfreundlicher sind. Wegen der sehr energieaufwendigen Produktion der Batterien entsteht beim Bau von E-Autos 60% mehr CO2 als bei Autos mit Verbrennungsmotoren. Hinzu kommt, dass beim gegenwärtigen und künftigen Strommix mindestens 40% des Stroms durch fossile Brennstoffe erzeugt wird. Die Schornsteine der Kohlekraftwerke sind der Auspuff für E-Autos. Für die Produktion von E-Autos werden Unmengen an knappen Rohstoffen (Lithium, Kobalt, Kupfer) verbraucht. Deren Abbau hat in der sogenannten Dritten Welt desaströse ökologische und soziale Folgen. Alle anderen Schäden des Individualverkehrs gelten auch für das E-Auto: Verkehrstote, Verletzte, Flächenverbrauch, Lärm, Feinstaub, Mikroplastik durch Reifenabrieb. Hinzu kommt, dass aufgrund der höheren Kaufpreise, der geringen Reichweite, des unzureichenden und chaotischen Ladenetzes sowie der geringen Lebensdauer der Batterien, die Nachfrage nach E-Autos nicht gesichert ist. Wenn in der Rezession Hunderttausende ihren Job verlieren, in Kurzarbeit geschickt werden, Löhne gekürzt werden, wo soll dann die Kaufkraft für mehr (E-)Autos herkommen? Eine Kaufprämie von bis zu 6.000 Euro hilft nichts, wenn die Löhne sinken und ein Mittelklasse-E-Auto 30% teurer ist als ein vergleichbares Auto mit Verbrennungsmotor. Nach der Krise 2008/2009 hat vor allem das Wachstum in China für einen neuen Branchenboom in der Autoindustrie gesorgt. Hier gibt es jetzt die größten Einbrüche. Ein neuer wachsender Markt ist nicht in Sicht. Deshalb wird sich der Konkurrenzkampf auf dem Weltmarkt weiter enorm verschärfen. So wie deutsche Konzerne und ihre Bundesregierung eine kriminelle Vereinigung bilden, um der deutschen Autoindustrie mit Hilfe des Dieselbetrugs einen Konkurrenzvorteil zu verschaffen, nutzen ausländische Autokonzerne und ihre Regierungen die Chance, die deutschen Autokonzerne bei E- und Brennstoffzellenautos nieder zu konkurrieren. Die Verlierer dieses immer härter werdenden Konkurrenzkampfes sind die Beschäftigten in der Autoindustrie, Umwelt, Klima und die Menschheit insgesamt. Umstellung der Autoindustrie auf ökologisch sinnvolle Produktion Batteriebetriebene E-Autos sind weder für die Sicherung von Arbeitsplätzen noch für Umwelt und Klima eine Zukunftstechnologie. Es geht darum, dass der Personenverkehr vom Individualverkehr auf einen gut funktionierenden öffentlichen Verkehr mit Nulltarif im Nahverkehr umgestellt wird. Dann sind nur noch wenige Menschen auf ein eigenes Auto angewiesen. Die Produktionskapazitäten der Autoindustrie, die Fabriken, Maschinen, die Arbeitskraft der Arbeiter*innen, Techniker*innen, Ingenieur*innen und Angestellten sind der Schlüssel für den Umbau des Verkehrssystems. Mehrmals in der Geschichte der Autoindustrie hat sich gezeigt, dass die Produktionsanlagen des Autobaus für die Produktion anderer Produkte umgestellt werden können. In allen kriegführenden Ländern des Zweiten Weltkriegs mit Autoindustrie wurde diese innerhalb kurzer Zeit auf Rüstungsgüter umgestellt und nach dem Krieg wieder auf zivile Produktion. Von den 30er Jahren bis in die 70er Jahre des letzten Jahrhunderts hat Daimler Oberleitungsbusse gebaut und kann sie wieder bauen. Seit 2009 werden bei VW auch Blockheizkraftwerke gebaut. Zulieferer, die Innenausstattungen von Autos bauen, können auch Innenausstattungen von Zügen, Liege- und Schlafwagen, Straßenbahnen und Bussen herstellen. Im Mahle-Werk Öhringen wurden von der Belegschaft Ideen für „zukunftsorientierte Produkte“ entwickelt. Damit wollte die Belegschaft den Standort und die Arbeitsplätze erhalten. Die Geschäftsführung von Mahle lässt diese Produkte nun aber im Niedriglohnland Rumänien produzieren. Das zeigt, dass keine Innovation im Kapitalismus vor Werksschließungen schützt. Deshalb müssen die Beschäftigten die Kontrolle über die Produktion erlangen und die Betriebe in Gemeineigentum überführt werden. Das ist die Voraussetzung für die Umstellung der Autoindustrie und die Rettung der Arbeitsplätze. Wenn Daimler, VW, BMW, Bosch, Mahle, Conti … in Gemeineigentum überführt sind, können die Gewinne und die Investitionsmittel der Autoindustrie sowie alle staatlichen Mittel, die für E-Mobilität sinnlos verschwendet werden, in einen demokratischen Produktionsplan für Schienenfahrzeuge, Busse und andere ökologische Verkehrsmittel umgelenkt werden. Wenn weniger Menschen für die Produktion gebraucht werden, wird die Arbeitszeit bei vollem Lohn- und Personalausgleich reduziert. Niemand verliert seinen Arbeitsplatz. Leiharbeiter*innen oder Werksvertragsarbeiter*innen werden nicht „abgemeldet“ sondern fest übernommen.

IG Metall: Gegenwehr statt Co-Management

Es ist gut, dass die IG Metall am 22.11.2019 zu einer Kundgebung in Stuttgart aufruft. Noch besser wäre ein gemeinsamer Streiktag und eine gemeinsame Kundgebung mit „Fridays for Future“ am 29.11. 2019 für die Rettung von Klima und Arbeitsplätzen. Die Krise der Autoindustrie wird von der IGM leider falsch beantwortet. Grundsätzlich hat die IGM nichts dagegen, wenn Arbeitsplätze über Altersteilzeit und freiwillige Auflösungsverträge abgebaut werden. Auch Kurzarbeit wird trotz der damit verbundenen Lohnverluste unterstützt. Die IGM setzt sich auch für E-Autos und deren staatliche Förderung (ohne Bedürftigkeitsprüfung!) ein. Im Aufruf für den 22.11.2019 wird an die Unternehmer appelliert „gemeinsam mit den Beschäftigten Zukunftsperspektiven zu entwickeln“. Das ist völlig illusorisch. Denn das Interesse der Kapitalisten nach mehr Profit lässt sich nicht mit dem Interesse der Beschäftigten nach sicheren Arbeitsplätzen und guten Löhnen vereinbaren. Es spaltet die Mitgliedschaft der IG Metall wenn sich Betriebsrät*innen und Gewerkschafter*innen am „Hauen und Stechen“ um die Produktion einzelner Komponenten für bestimmte Werke beteiligen oder Betriebsrät*innen der Autokonzerne eine höhere Fertigungstiefe auf Kosten der Zulieferer fordern. Wenn der elektrische Antriebsstrang (eATS) nicht mehr bei ZF produziert wird, sondern bei Daimler in Untertürkheim, droht den ZF-Kolleg*innen der Verlust ihrer Arbeitsplätze. Der erste Zweck der Gewerkschaften ist, die Konkurrenz unter den Beschäftigen durch gemeinsamen Kampf aufzuheben. Das muss betriebs- , konzern- und Grenzen übergreifend gelten. Die Bosse der Autoindustrie betreiben Klassenkampf von oben. Die Antwort darauf kann nur der Klassenkampf von unten sein. Wenn die IGM die enorme Kampfkraft der Beschäftigten in der Autoindustrie in eine Offensive gegen die Angriffe aus den Chefetagen verwandelt, wird sich schnell zeigen, dass die Beschäftigten die Macht haben, ihre Interessen durchzusetzen und die Autobosse in die Knie zwingen können.So hat die IGM 1984 trotz eines ungünstigen ökonomischen und politischen Umfelds den erfolgreichen Streik für die 35 Stunden-Woche geführt. Die Metaller*innen haben in den Jahrzehnten seither immer wieder in Tarif- und betrieblichen Auseinandersetzungen ihre Kampfkraft unter Beweis gestellt. Von den Gewerkschaften erkämpfte Errungenschaften sind im Kapitalismus jedoch nicht von Dauer. Sie geraten immer mehr unter Beschuss. Deshalb sollte der Kampf gegen die derzeitigen Angriffe mit dem Ziel verbunden werden, die Macht der Konzerne zu brechen. In der Satzung der IGM heißt es nicht ohne Grund: „Überführung von Schlüsselindustrien und anderen marktbeherrschenden Unternehmen in Gemeineigentum“. Angesichts der Dramatik der Krise in der Autoindustrie und der Klimakatastrophe ist es höchste Zeit für dieses Ziel eine Durchsetzungsstrategie zu entwickeln. Dazu sollte in der IGM die Diskussion eröffnet werden. In der Politik der IGM und der Betriebsräte muss ein radikaler Kurswechsel weg von Co-Management, Standortpolitik, faulen Kompromissen und Ausverkauf durchgesetzt werden. Dafür muss eine innergewerkschaftliche Opposition aufgebaut werden. Der Aktionstag am 22.11.2019 kann nur der Anfang sein für weitere Kampfschritte bis hin zu Streiks und Werksbesetzungen.

Kapitalismus abschaffen – Sozialismus erkämpfen

In den letzten Wochen wurde auf allen Kanälen an die DDR-Revolution vor dreißig Jahren erinnert. Das DDR-Regime musste durch eine Revolution beseitigt werden, weil es aufgrund von Bespitzelung, Repression, Mauer und Misswirtschaft genau nicht sozialistisch war. Eine Rückkehr zu Arbeitslosigkeit und sozialer Unsicherheit war nicht Ziel der DDR-Revolution. Es war das Ergebnis der Übernahme der DDR durch die herrschende Kapitalistenklasse im Westen. Sie ersetzten die Diktatur der SED durch die Diktatur der Banken und Konzerne, raubten Ostdeutschland aus und machten es zur Niedriglohnregion. An die Stelle der Stasi trat der Verfassungsschutz mit Verbindungen zum NSU und anderen Nazi-Organisationen. Die Schere zwischen Arm und Reich ist heute in ganz Deutschland und international größer denn je. Die Macht der Kapitalisten und ihrer korrupten Politiker sowie der bürgerliche Staatsapparat müssen heute genauso in Frage gestellt werden, wie die der SED-Diktatur 1989. In vielen Ländern gibt es zur Zeit Aufstände gegen den kapitalistischen Wahnsinn.Dreißig Jahre nach der DDR-Revolution müssen heute in Deutschland und international die Kapitalisten und ihr Staatsapparat genauso gestürzt werden, wie damals die Bürokraten in der DDR. Wir brauchen eine Gesellschaft in der nicht der Profit entscheidet, sondern die Bedürfnisse von Mensch und Umwelt.

Unser Programm gegen die Krise der Autoindustrie

– Erhalt aller Arbeitsplätze und Betriebe

– nein zu Produktionsverlagerungen

– Übernahme aller Leiharbeiter*innen, aller Befristeten und aller Azubis in ein festes Arbeitsverhältnis entsprechend ihrer Ausbildung

– Nein zu Kurzarbeit und Lohnverzicht

– 30-Stunden-Woche bei vollem Lohn- und Personalausgleich

– Veröffentlichung aller Finanz- und Wirtschaftsdaten der Autokonzerne und aller Betrugssoftware

– Hardware-Nachrüstung für alle Dieselfahrzeuge auf Kosten der Profite und mit Herstellergarantie für die Motoren. Ausgleich für erhöhten Spritverbrauch. Schluss mit Betrugssoftware und allen anderen Manipulationen

– Überführung der Autoindustrie in Gemeineigentum unter demokratischer Verwaltung und Kontrolle von gewählten Vertretern aus Belegschaften, Gewerkschaften und Gesellschaft

– Demokratisch gewählte betriebsübergreifende Räte aus Belegschaften, Gewerkschaften, Verbraucherorganisationen, Umweltverbänden und Verkehrsinitiativen, um für die gesamte Autobranche einen ökologisch sinnvollen Produktionsplan zu entwickeln

– Umstellung der Autoindustrie auf alternative Verkehrsmittel. Umfassendes Investitions- und Beschäftigungsprogramm für ein ökologisches und menschengerechtes Verkehrssystem

– Für die Überführung aller Banken und Konzerne in Gemeineigentum und eine sozialistische Demokratie in Deutschland und weltweit

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