Österreich: Grüne koalieren mit Sebastian Kurz …

… und lassen sich maximal über den Tisch ziehen

Schwarz und Grün haben sich auf ein Regierungsabkommen geeinigt. Die neue Regierung wird von jenen die die Grünen gewählt haben mit gemischten Gefühlen gesehen. 

Stellungnahme der Sozialistischen Offensive (Schwesterorganisation der Sol in Österreich)

Einerseits gab es den berechtigten Wunsch die FPÖ aus der Regierung fernzuhalten. Die Rechtfertigung, dass dies Grund genug sei, um progressive Politik fallenzulassen, ist jedoch eine Sackgasse und eine gefährliche Argumentation. Ein Poster auf FB brachte das auf den Punkt: „Die Regierung ist auch besser als der Austrofaschismus. Aber wie wenig wollen wir denn noch wollen?“

Die FPÖ ist auf kurze Sicht nicht in der Regierung, die Erleichterung vieler ist verständlich. Aber Schwarzgrün setzt viele Maßnahmen von Schwarzblau fort – damit sitzt die FPÖ bereits inhaltlich in der Regierung. Ihre Politik wird die Basis dafür legen, dass eine FPÖ bzw. rechtspopulistische Kräfte sich in der Opposition erholen und neu formieren können – wenn es keine linke Kraft gibt die Widerstand organisiert und diesen Unmut auffangen kann.

Die Grünen reden von Antikorruption und dass Türkisgrün einen Bruch mit Ibiza und der Korruption der FPÖ repräsentiert. Dennoch akzeptieren die grünen Minister die Privilegien die diese Posten mit sich bringen. Wenn sie es ernst meinten, würden sie nur einen Durchschnittslohn nehmen und den Rest spenden. 

Diese neue Regierung wird die Interessen der Unternehmen umsetzen – und als solche die Kosten für die Klima- und wirtschaftliche Krise auf Arbeitnehmer/innen und Menschen mit niedrigem Einkommen abwälzen. Wirtschaftskammer und Industriellenvereinigung begrüßen die Regierung als „wirtschaftsfreundlich“ (besonders die Steuersenkungen für Unternehmen, u.a. Senkung der KöSt von 25% auf 21%).

Dass das so sein wird zeigt sich in den bekanntgewordenen Details zum Regierungsprogramm: 

-Es gibt zwar eine Lohnsteuersenkung, aber gleichzeitig soll es ein Nulldefizit geben bzw. bekennt sich die Regierung dazu den Schuldenstand weiter in Richtung 60% des BIPs zu senken. Das bedeutet, die Frage ist, wie dies (und die Steuergeschenke an die Unternehmen) gegenfinanziert wird. Außerdem soll es eine Pflegeversicherung geben, wo nicht klar ist wie diese gestaltet ist und wer sie bezahlt. Es ist unklar, wie viel von der Lohnsteuersenkung, die Schwarzgrün als zentrales Instrument zur Armutsbekämpfung preist, unterm Strich übrig bleibt. Für jene, die bereits jetzt unterhalb der Steuergrenze liegen, gibt es jedenfalls keine Verbesserung.

-Wie die „Ökologisierung des  Steuersystems“ bzw. CO2-Steuern gestaltet sein werden, bleibt unklar. Die Abgabe auf Flugtickets ist aber eine weitere Belastung für Menschen mit niedrigem Einkommen. 

-Auch bei den Investitionen im Klima- und Transportbereich ist es nicht klar wie diese gegenfinanziert werden sollen, denn die Unternehmen sollen ebenfalls entlastet werden. Die Arbeitnehmer/innen sollen in Summe nicht mehr zahlen und die Unternehmen auch nicht – irgendwoher muss aber das Geld für die Investitionen kommen. Zu vermuten ist, dass die Kosten auf Arbeitnehmer/innen abgewälzt werden. 

-Schwarzgrün sagt zwar, dass am bestehenden Pensionssystem nicht geschraubt werden soll, im Programm findet sich ein Absatz hinsichtlich der Annäherung des faktischen an das gesetzliche Pensionsantrittsalters. Da IHS und Wifo bereits laut über die vor der Wahl beschlossene Änderung hinsichtlich der Hacklerregelung nachdachten, könnte genau das passieren und diese teilweise Rücknahme der Pensionsreform wieder rückgängig gemacht werden. Private Altersvorsorge am Kapitalmarkt soll stärker gefördert werden.  

-Lohnnebenkosten sollen gesenkt werden – auch das trifft Arbeitnehmer/innen

-Keine der von ÖVP/FPÖ eingeführten großen Maßnahmen bezüglich Arbeit und Soziales soll rückgängig gemacht werden – inkl. 12-Stundentag, Mindestsicherungskürzung und Sozialversicherungsreform. Das bedeutet, das Bekenntnis zur Abschaffung von Kinderarmut und Verbesserung der Situation von Frauen ist reine Augenauswischerei.  

-Kurzarbeit soll nicht nur bei wirtschaftlichen Schwierigkeiten sondern auch bei der Umstellung auf klimafreundliche Produktion oder digitaler Umrüstung möglich sein – d.h. es kann sein, dass Arbeitnehmer/innen zwangsweise auf Teile ihrer Löhne verzichten müssen und dies mit dem Klima bzw. der Digitalisierung legitimiert wird.  

-Bildung bleibt fest in ÖVP Hand und setzt den schwarzblauen Kurs fort

-der rassistische Kurs von Schwarzblau wird fortgesetzt

Das Einhalten des Nulldefizits bzw. die Senkung der Schulden wird vor allem dann bedeutend, wenn die sich anbahnende wirtschaftliche Krise akut wird. Diese Bekenntnis kann in einer solchen Situation scharfe Einschnitte bedeuten, bzw. dass vielleicht sogar das Klima als Argument für diese Einschnitte benutzt wird. 

Die ÖVP hat ausgenutzt, dass die Grünen ein schwacher Koalitionspartner sind und sich 10 Ministerposten gesichert – die Grünen halten lediglich 4. Die ÖVP sitzt klar auf dem längeren Ast und drückt dieser Regierung ihren Stempel auf. Im Internet kursiert bereits der Begriff „Orban Gardening“ für türkisgrün. 

Die neue Regierung versucht sich einerseits durch die Klimapolitik und die Tatsache dass sie einen Frauenanteil von 53% unter den Minister/innen halten ein fortschrittliches Image zu geben. Der höhere Frauenanteil sagt allerdings überhaupt nichts darüber aus ob diese Regierung dann auch fortschrittliche Politik für Frauen und Arbeitnehmer/innen machen wird. Im Gegenteil wird ihre Politik sehr wahrscheinlich Frauen aus der Arbeiter/innenklasse treffen und deren Situation verschlechtern. Teil des Regierungsprogramms ist u.a. ein Kopftuchverbot bis 14 Jahre und eine Umsetzung der schon unter türkisblau geplanten Sicherungshaft. Die 40% Quote in Aufsichtsräten von staatlichen Unternehmen nutzt der Masse der Frauen gar nicht – welchen Unterschied macht es ob frau von einem Mann oder einer Frau ausgebeutet wird? Der Ausbau der Kinderbetreuungseinrichtungen ist im Programm als Phrase zu finden, aber ohne konkrete Zahlen. 

Die ÖVP wiederum setzt ihren populistischen und rassistischen Kurs fort – und die Grünen rechtfertigen diesen bzw. tun so als ob sie damit nichts zu tun hätten. Kurz meinte, es sei „möglich das Klima und die Grenzen zu schützen“.

Die Grünen entschuldigen das mit „Klimaschutz hat seinen Preis“ – Gebi Mair von den Tiroler Grünen zu Sicherungshaft und Kopftuchverbot.

Aber das was wirklich nötig wäre um das Klima zu schützen, nämlich eine Überführung von Energie, Transport und Industrie in öffentliches Eigentum um diese nachhaltig und demokratisch zu planen als Teil einer sozialistischen Gesellschaftsveränderung, wird es mit der ÖVP nicht spielen. Auch die Führung der Grünen steht fest mit beiden Beinen auf dem Boden des Kapitalismus – bzw. hat wenig Probleme neoliberale Politik zu akzeptieren. Kogler verteidigte lang und breit das Nulldefizit. Er steht damit sogar rechts von einer wachsenden Zahl prokapitalistischer Expert/innen die angesichts wirtschaftlicher Krisen höhere Staatsausgaben fordern um diese zu überwinden. Der Kampf gegen Kinderarmut ist eine Augenauswischerei, auch weil es dazu nur Phrasen im Regierungsprogramm gibt. Sie stehen für einen grünen Kapitalismus – und der passt der ÖVP und dem österreichischen Kapital im Moment ganz gut in den Kram. Die Klimaschutzmaßnahmen im Regierungsübereinkommen sind allesamt mit dem Kapitalismus vereinbar. Es gibt zwar Zugeständnisse hinsichtlich billigerer Öffitickets, aber auch hier gibt es keine genauen Zahlen. 

Auch wenn es eine Honeymoon Periode für Türkisgrün geben könnte – wir müssen beginnen Widerstand gegen die Politik dieser Regierung zu organisieren. Die ÖGB-Führung freut sich dass sie nun wieder am Tisch der Sozialpartner mitwichteln darf. Es ist zu vermuten dass sie in der Mobilisierung daher zögerlicher sein wird als gegenüber Schwarzblau. Das Gegenteil ist jedoch notwendig. Wenn Schwarzgrün die Rechte von Arbeitnehmer/innen angreift muss der ÖGB mobilisieren.

Angesichts der Krise der SPÖ und der Regierungsbeteiligung der Grünen ist es dringend nötigt, eine neue Partei links von SPÖ und Grünen aufzubauen, die die Interessen von Arbeitnehmer/innen verteidigt und Kämpfe initiiert und bündelt. Je länger die Grünen in dieser Regierung bleiben, desto größer ist die Möglichkeit dass die Grünen die Unterstützung ihrer Wähler/innen verlieren – und vielleicht sogar wie 2017 aus dem Parlament fliegen. Jene die gegen die Politik von Schwarzblau auf die Straße gegangen sind stehen nun vor der Tatsache, dass Schwarzgrün diese Politik in sehr vielen Punkten einfach weiterführt. Der Kampf gegen diese Maßnahmen muss daher weitergeführt werden. 

Am 10.1. findet die Gründungskonferenz von LINKS Wien statt, die ein Schritt in diese Richtung sein könnte, wenn sie die richtigen Fragen (auch über reine Wien-Politik hinausgehend) aufgreift. Kern der Forderungen muss einerseits die Rücknahme der Politik von Schwarzblau sein – 12-Stundentag, Sozialversicherungsreform und Mindestsicherungskürzung, deren rassistische und sexistische Politik – aber auch Widerstand gegen die Maßnahmen der neuen Regierung, die Arbeitnehmer/innen treffen. Wir müssen Schritte setzten um jene, die von den Grünen und der SPÖ enttäuscht sind oder enttäuscht werden, darin einzubinden, um eine sozialistische Alternative aufzubauen, die tatsächlich für die Interessen von Arbeitnehmer/innen, Unterdrückten und Menschen mit niedrigem Einkommen kämpft und die herrschende Klasse herausfordert. 

Wir müssen eine Bewegung aufbauen die das beenden kann und eine echte Alternative für Arbeitnehmer/innen darstellt. Das geht nur, wenn man mit der Logik des Kapitalismus bricht – ansonsten ist man wie die Grünen bereit Sachzwangpolitik zu machen und „einen Preis zu zahlen“. Nötig ist eine Regierung der Arbeitnehmer/innen, die diese Politik beendet und durch einen Bruch mit dem Kapitalismus hin zu einer sozialistischen Gesellschaftsveränderung das Leben der Menschen grundlegend verbessert und den Klimawandel tatsächlich stoppen kann. 

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