IG Metall muss kämpfen
Für die Arbeiter*innen am Opel Stammwerk in Rüsselsheim wird die Lage ernst. Wie viele andere Beschäftigte in der Auto- und Metallindustrie müssen sie um ihren Arbeitsplatz und ihre finanzielle Zukunft fürchten: Laut der Unternehmensleitung sollen 2100 Stellen abgebaut werden. Außerdem sind starke Einschnitte bei der Betriebsrente geplant. Die ersten Aktionen der IG Metall waren richtig, doch es ist notwendig dass nun weitere, kämpferische Schritte bis hin zu Arbeitsniederlegungen folgen.
von Caspar Löttgers, Mainz und Harvey Hemm, Kaiserslautern
Wie in vielen anderen Betrieben versucht die Konzernleitung bei Opel die Corona Pandemie auszunutzen, um Stellenabbau und Kürzungsprogramme zu realisieren. Nachdem Mitte 2018 bereits mit einem Zukunftstarifvertrag festgelegt wurde, dass bis 2025 2100 Stellen über ein Freiwilligenprogramm abgebaut werden sollen, will die Konzernleitung nun auch betriebsbedingte Kündigungen aussprechen, falls sich nicht genügend Freiwillige finden. Bislang haben sich nur etwa 500 Kolleg*innen gemeldet, die diese Angebote annehmen wollen. Für die meisten bleibt dies angesichts des schlechten Arbeitsmarktes keine ernstzunehmende Option.
Betriebsrente
Neben den Stellenstreichungen will Opel auch sonst den Rotstift anlegen. So sollen, wie im Februar bekannt wurde, auch massive Einschnitte im Betriebsrentensystem erfolgen. Vor allem sollen die Beiträge nicht mehr zu hundert Prozent vom Konzern getragen werden, sondern teilweise auf die Belegschaft umgewälzt. Von den Einschnitten wären deutschlandweit 15.000 Angestellte betroffen. Begründet wird die Entscheidung mit den während der Pandemie eingetretenen Umsatzeinbußen von 35 Prozent. Mit den geplanten Einschnitten sollen diese Verluste nun nach Wunsch der Unternehmensleitung auf dem Rücken der Beschäftigten ausgetragen werden. Dazu kommt, dass wohl auch die Stellung gegenüber anderen Automarken, die ebenfalls zur neuen Stellantis-Gruppe gehören, verbessert werden soll.
Kaiserslautern
Auch im Opelwerk Kaiserslautern meldete man im September, dass Entlassungen nicht mehr auszuschließen seien. Konkrete Maßnahmen wurden zwar noch nicht beschlossen, jedoch ist davon auszugehen, dass auch die Kolleg*innen in der Westpfalz in naher Zukunft von Streichungen betroffen sind. Anfang 2020 kündigte die Unternehmensleitung an, dass in Kaiserslautern ab 2023 Batterien für Elektroautos hergestellt werden, wodurch bis zu 2000 neue Arbeitsplätze entstehen. Jedoch ist unklar, wie sich diese Entwicklung auf die bestehende Belegschaft auswirkt und wie sich die Pläne angesichts der andauernden Pandemie entwickeln. Bei unmittelbaren Zulieferbetrieben in der Region machte sich bereits die vor der Corona-Pandemie beginnende Wirtschaftskrise bemerkbar. So wurde bereits das unmittelbar auf dem Opelgelände in Kaiserslautern beheimatete GKN-Werk mit mehr als 300 Beschäftigten im Frühjahr 2020 geschlossen. Der Autositzhersteller Adient kündigte im Sommer sowohl für die Produktion in Rockenhausen als auch für den in Kaiserslautern gelegenen Verwaltungsbereich betriebsbedingte Kündigungen an. Verhandlungen durch den Betriebsrat konnten die geplanten Streichungen lediglich von 300 und 278 reduzieren. Laut Plan sollen 190 Arbeiter*innen ein Angebot zur Frührente annehmen. Für wie viele dies eine Option ist, ist aber noch unklar, denn das Angebot bedeutet Lohneinbußen von 10 Prozent. Die weiteren 88 Stellen sollen durch betriebsbedingte Kündigungen abgebaut werden. Sollten nicht genügend Kolleg*innen die Frührente annehmen, dürften es noch mehr werden. Hätte die IGM hier ernsthafte Kampfmaßnahmen eingeleitet und z.B. mit Streiks, auf die Abbauphantasien der Unternehmensleitung geantwortet, hätten sicher mehr Stellen (wenn nicht alle) erhalten werden können, auch ohne „freiwillige“ Einbußen!
FCA und PSA Fusion bedeutet weitere Angriffe
Ein Hintergrund der aktuellen Entwicklungen ist auch die Anfang 2021 vollzogene Fusion der Gruppen Fiat-Chrysler (FCA) und PSA, zu welcher auch Opel gehört. Der dadurch entstandene Konzern Stellantis ist der viertgrößte Autokonzern der Welt. Die Fusion bedeutet vor allem einen steigenden konzerninternen Wettbewerb um den eigenen Standort. Der Duisburger Auto-Experte Ferdinand Dudenhöffer prognostiziert jetzt bereits: „Da wird ein sehr dicker Rotstift kommen“. Für die einzelnen Manager der 14 Autofirmen, die zu Stellantis gehören, geht es jetzt vor allem darum, ihren Standort möglichst profitabel zu machen; das bedeutet Kürzungen und Stellenabbau. Es wird aber auch bedeuten, dass vermehrt auf einen Standortnationalismus gesetzt wird, um die Belegschaften zu spalten und gegeneinander auszuspielen. Dieser Gefahr muss bereits jetzt entgegengewirkt werden. Die Feinde sind nicht die Kolleg*innen bei Jeep, Fiat oder Peugeot, sondern allein die Konzernführung. Die IG Metall muss sofort mit ihrem sozialpartnerschaftlichen Kurs brechen und einen Austausch mit den Gewerkschaften in den andern Standortländern organisieren, um ein gemeinsames Vorgehen zu koordinieren.
Das Geld ist da!
Fakt ist, dass Opel in den letzten Jahren enorme Gewinne erwirtschaftet hat. 2018 entstand ein Gewinn von 860 Millionen Euro, 2019 sogar 1,1 Milliarden Euro und auch Anfang 2020 wurde überall von sensationellen Gewinnen gesprochen. Angesichts dieser Erfolge versprach die Unternehmensleitung jedem Mitarbeiter in Europa eine einmalige Prämie von 600 Euro. Rechnet man aber den Anteil aus, denn jede*r einzelne Kolleg*in an den eigentlichen Gewinnen hatte, kommt dabei ein Betrag von 25.000 Euro pro Kopf heraus. Das sind Summen, welche die Opelaner für das Unternehmen erwirtschaftet haben. Auch wenn vorher noch Zinsen und Steuern abgezogen würden ist klar, dass die gezahlte Prämie im Vergleich zu den eigentlichen Profiten ein Almosen ist. Angesichts der eingetretenen Verluste und des nun allseits beteuerten Sparzwangs stellt sich sehr konkret die Frage, was aus den enormen Gewinne der Vorjahre geworden ist. In erster Linie wanderte der Gewinn auf die Konten der Aktionäre. 2020 zahlte die Opel-Mutter PSA 1,23 Euro pro Aktie. Insgesamt zahlte das Unternehmen seinen Aktionären damit rund 1,1 Milliarden Euro Dividenden aus. Das meiste ging damals an die Familie Peugeot, die rund 13 Prozent der Anteile besaß. Bei anderen Konzernen sah es ähnlich aus. BMW zahlte beispielsweise 2,50 Euro pro Aktie. Insgesamt kommen damit über 1,6 Milliarden Euro zusammen. Fast 350 Millionen Euro davon gehen an eine der reichsten Deutschen, die BMW-Großaktionärin Susanne Klatten. Die Arbeiter*innen von Opel jedoch, die mit ihrer Arbeit die Profite erst möglich gemacht haben und nebenher noch Einbußen akzeptieren mussten, sollen nun vor die Tür gesetzt werden!
Verzicht rettet keine Arbeitsplätze
Wenn die Corona-Pandemie eine Lehre mit sich gebracht hat dann die, dass Verzicht keine Arbeitsplätze erhält und nur im Interesse der Bosse ist. Nachdem die IG Metall in vielen Betrieben sogenannte „Zukunftstarifverträge“ abgeschlossen hatte, in denen man Verzichte für die Arbeiter*innen einfach hinnahm, lassen die Bosse nun reihenweise alle getroffenen Vereinbarungen und alle Versprechen platzen, um im Windschatten der Pandemie Kürzungen und Stellenabbau durchzudrücken. Beispielsweise verzichteten die Kolleg*innen bei Opel 2018 auf Gehaltserhöhungen, um ihre Arbeitsplätze zu retten – umsonst. Opel reiht sich in dieser Hinsicht nun in eine lange Liste von Konzernen ein (Ein weiteres Beispiel ist Daimler Berlin, wozu die Sol ein Interview veröffentlicht hat: https://solidaritaet.info/2020/11/daimler-werk-berlin-nicht-wie-ein-lamm-zur-schlachtbank-fuehren-lassen/)
Nur Streiks beeindrucken die Bosse
Anfang Dezember gab es bereits einen Aktionstag der IG Metall gegen die Abbaupläne der Konzernleitung. Unter anderem „kaperte“ die IGM einen örtlichen Radiosender und strahlte darüber ein Programm zum Aktionstag aus. Des Weiteren gab es ein Autokorso durch die Stadt. Statt der erwarteten 500 Autos nahmen rund 1500 Autos mit rund 3000 Kolleg*innen teil. Auch die Resonanz aus der Bevölkerung war überwiegend positiv und es zeigte sich deutlich, dass die Stimmung für einen Kampf um die Arbeitsplätze günstig ist. Doch nachdem die Verhandlungen um die Kündigungen auf das Frühjahr 2021 vertagt wurden, wurden auch keine weiteren Aktionen unternommen. Stattdessen setzt die IGM Führung ihren sozialpartnerschaftlichen Kurs anscheinend fort und hofft so mit der Unternehmensleitung Kompromisse zu finden, um den Stellenabbau einzudämmen. Sie will offensichtlich ernsthafte Konflikte mit dem Konzernvorstand vermeiden. Doch Kompromisse bedeuten immer Verzicht für die Angestellten und das Ergebnis ist oft nur vorübergehend. Über die letzten Jahrzehnte wurden immer wieder Standorte geschlossen und Stellen abgebaut. Alleine seit 2017 verloren 4000 Angestellte bei Opel ihren Job!
Um den Stellenabbau zu verhindern ohne Einbuße, müssen echte Kampfmaßnahmen vorbereitet werden. Letzten Endes sind es vor allem Streiks, die dem Unternehmen ökonomischen Schaden zufügen und die Bosse zum Einlenken bewegen können. Die gerade laufende Tarifrunde könnte genutzt werden, um die Kampfkraft verschiedener Belegschaften zusammen zu führen und den Druck auf die Bosse zu erhöhen. Ein erster Schritt wäre ein bundesweiter Streiktag aller Metallbetriebe. Überall dort wo Stellenabbau angekündigt wurden, sollten die geltenden Zukunftstarifverträge aufgekündigt werden und der Kampf um jeden Arbeitsplatz aufgenommen werden. Außerdem sollten Betriebsversammlungen einberufen werden auf denen demokratisch über mögliche Kampfmaßnahmen diskutiert werden kann. Solche Schritte wird die IGM Führung allerdings nicht von alleine einleiten. Stattdessen ist es notwendig, dass sich die Beschäftigten an der Basis selber vernetzen, austauschen und Druck machen. Die Vernetzung für kämpferische Gewerkschaften (VKG, www.vernetzung.org) kann hierzu einen Anlaufpunkt bieten. Durch solche Vernetzungen könnten Kolleg*innen ihr gemeinsames Vorgehen koordinieren, aber auch sowohl aus den gemeinsamen auch auch unterschiedlichen Erfahrungen lernen.
Wie die Arbeitsplätze retten?
Die aktuell bedrohten Stellen, werden nicht die letzten bleiben, wenn es nicht zu einer ernsthaften Gegenwehr kommt. Solange sich die Bosse sicher fühlen, wird weiter gekürzt werden. Und Opel ist auch nicht der einzige Konzern, der momentan Abbauträume realisieren will. Wir sind daher überzeugt, dass es auch notwendig ist, überbetriebliche Diskussionen und Aktionen zu organisieren. Denn die IG Metall muss einen Ausweg für die Beschäftigten der ganzen Branche aufzeigen, wie alle Arbeitsplätze erhalten bleiben können. In ihrer Satzung hat sich die IG Metall das Ziel der Überführung von Schlüsselindustrien in Gemeineigentum gesetzt. Das sollte die Forderung für Opel und Co. sein. Wenn auf Basis von Privateigentum an den Konzernen tausende Beschäftigte keine Zukunft haben, dann sollten nicht sie sondern die Chefs und Manager weichen.
Denn die aktuelle Krise ist keine Opel-Krise, sondern eine grundsätzliche Überproduktionskrise, die im Kapitalismus ein unausweichliches und wiederkehrendes Problem darstellt. Sie rührt daher, dass im Kapitalismus nicht nach Plan oder Bedarf produziert wird, sondern nur im Interesse maximaler Gewinne und in Konkurrenz zu anderen Kapitalist*innen. Es sollen immer höhere Profite eingefahren werden und immer mehr Autos verkauft werden. Da die Nachfrage aber zwangsläufig begrenzt ist, kommen die Hersteller in eine Sackgasse und die Gesamtwirtschaft früher oder später in die Krise. In deren Verlauf werden die Kapitalist*innen stets versuchen, die sinkenden Profite mit Stellenabbau und Lohnkürzungen auszugleichen. Dieser Ablauf im Kapitalismus ist eine zwangsläufige Tendenz. Die COVID-19 Pandemie hat diese Tendenzen darüber hinaus noch verstärkt, indem die Möglichkeiten Gewinne zu erzielen, noch weiter eingeschränkt wurden und es neben der Nachfrage auch zu einer Krise der Produktion und Lieferketten gekommen ist. Die zugrundeliegende Krise hatte sich aber bereits vor dem Ausbruch der Pandemie angebahnt und wäre auch ohne sie ausgebrochen – ihre Ursache liegt in der kapitalistischen Produktionsweise selber begründet.
Hinzu kommt die ökologische Krise. Auch wenn es den Autobossen gelingt immer mehr Autos zu bauen und zu verkaufen, wird das auch auf Kosten der Umwelt gehen. Denn Kapitalist*innen ist dies egal, für sie zählen nur die Profite. Wäre die Autoindustrie in Gemeineigentum und unter demokratischer Kontrolle und Verwaltung könnte die Produktion auf wirklich notwendige Güter umgestellt werden. Zum Beispiel könnten Teile für Züge oder Straßenbahnen gebaut werden, statt noch mehr PKWs
Der Kampf gegen Entlassungen und Kürzungen ist für uns daher auch immer ein Kampf gegen das kapitalistische System und für eine sozialistische Demokratie, welche allein das Chaos und die Krisen beenden kann!
Als Sol kämpfen wir daher für:
- Den Erhalt aller Arbeitsplätze, ohne Verzicht!
- Keine Einschnitte bei der Betriebsrente!
- Einsicht in alle Geschäftsbücher für Belegschaft und Gewerkschaft, um die wirtschaftliche Lage des Konzerns zu überprüfen!
- Die Tarifrunde 2021 nutzen um die Kampfkraft aller Belegschaften zu bündeln. Voller Einsatz der Kampfkraft der IG Metall statt Management!
- Die Enteignung aller Konzerne, die Stellen abbauen und die Überführung in öffentliches Eigentum unter demokratischer Kontrolle und Verwaltung durch die arbeitende Bevölkerung!
- Umwandlung der Produktion auf gesellschaftlich sinnvolle und nachhaltige Güter
- Die Einführung der 30 Stunden Woche bei vollem Lohn- und Personalausgleich!
- Internationalen Austausch durch die IGM und grenzübergreifenden Widerstand gegen Stellenabbau mit anderen Belegschaften der Stellantis Gruppe, um zu verhindern, dass Belegschaften sich gegen einander ausspielen lassen! Schluss mit dem Standortnationalismus!
- Sozialistische Demokratie statt kapitalistisches Chaos!