Dresden: Öffentliche Filmvorführung über Pflegenotstand

Zum „Tag der Altenpflege“ ist das Dresdner „Bündnis für Pflege“ mit einem Film auf der Straße unterwegs

Gleich auf mehreren öffentlichen Plätzen hat das Dresdner „Bündnis für Pflege“ den Film „Das Schweigen beenden“ gezeigt. Gedreht hat den Film das Bündnis selbst, um am „Tag der Altenpflege“ Kolleginnen aus dem Beruf die Möglichkeit zu geben über ihre Erfahrungen zu sprechen.

Von Steve Hollasky, Dresden

Der „Tag der Altenpflege“ war vor wenigen Jahren von der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) ausgerufen worden, um auf die katastrophalen Zustände der Pflegenden und Zupflegenden hinweisen zu können. Das Datum fällt jährlich auf den Buß- und Bettag, der in allen Bundesländern außer Sachsen zur Finanzierung der Pflegeversicherung abgeschafft worden war.

Die Vorführung des Films stieß auf reges Interesse. Die von den vier Kolleginnen geschilderten Zustände sind nichtsdestotrotz erschütternd.

Die Pflegekräfte berichten in dem Film von einem Arbeitsalltag, zu dem Überstunden genauso selbstverständlich gehören wie permanenter Stress und das ständige Gefühl den eigenen Ansprüchen für eine menschliche Pflege nicht gerecht geworden zu sein. Und obwohl sie ständig weit über dem Limit arbeiten, bedeute der Personalmangel „ein ganz furchtbares Leben“ für die Menschen im Pflegeheim, hält eine der im Film Interviewten fest. Eine andere Altenpflegerin sagt gar, sie habe selten das Gefühl, dass sich die Bewohner*innen „wohl fühlen“ würden.

Dabei geht es längst nicht mehr nur um „Wohlfühlen“. Der Pflegenotstand, so berichten die Kolleginnen, führe immer wieder zu lebensbedrohlichen Situationen. So während einer Noro- und Grippeviruswelle vor einigen Jahren, von der eine der Altenpflegerinnen berichtet. Innerhalb eines Monats seien vierzig Menschen in dem Seniorenwohnheim verstorben, in dem sie damals gearbeitet habe. In einem Fall sei einer der Bewohner an seinem Erbrochenen erstickt. Da es an Personal fehlte, war dieser Todesfall nicht zu verhindern. Zudem habe es kaum Desinfektionsmittel oder Schutzkleidung für das Personal gegeben, weshalb man die Bewohner*innen vor einer Infektion nicht schützen konnte.

Nachts sei man sehr oft mit über fünfzig Bewohner*innen allein, erzählt eine weitere Pflegekraft. Die Personalschlüssel gingen stets davon aus, dass alle Bewohner*innen schlafen würden. Genau das sei aber bei Demenzerkrankten nicht der Fall. Dementsprechend sei das Personal viel zu knapp bemessen. Unfälle wie Stürze seien die Folge.

Die ethischen Grundsätze der Pflege seien unter diesen Bedingungen verletzt, erklärt eine der Kolleginnen. Die Ursache der Fehlentwicklung sehen die vier Altenpflegerinnen in der Ökonomisierung der Pflege und im Streben nach Profit. Der Kapitalismus sei Ursache des Problems. Man brauche eine Pflege in öffentlicher Hand, die durch die Pflegekräfte mitgestaltet und demokratisch kontrolliert werde. Es sei absolut dringend mehr Pflege-, Betreuungs- und Küchenpersonal in die Altenpflege zu bringen.

Die Filmvorführung wurde von vielen Dresdner*innen begleitet. Ein zufällig anwesender Altenpfleger, der vierzig Jahre in seinem Beruf gearbeitet hatte, erklärte gegenüber den Kolleg*innen des „Bündnis für Pflege“, der Film und die Aktion spreche ihm „aus dem Herzen“. Er habe die Situation auch so erlebt. Man müsse sie öffentlich machen, damit sich endlich etwas ändere.

Das Bündnis für Pflege fordert eine gesetzliche Personalbemessung nach realem Bedarf in der Altenpflege, einen Flächentarifvertrag, eine Pflege in öffentlicher Hand unter demokratischer Kontrolle durch die Beschäftigten und 500 Euro mehr Lohn und Gehalt im Monat für Pflege-, Betreuungs- und Küchenpersonal.

Den Film „Das Schweigen beenden“ gibt es hier: https://www.youtube.com/watch?v=h27OVV6cbjg

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