Der Ukraine-Krieg und die Linken

Unabhängige und internationalistische Position der Arbeiter*innenbewegung unverzichtbar

Ein Beitrag zur Debatte von Wolfram Klein. Vorabdruck aus dem Buch “Kampf um die Ukraine”, das in der kommenden Woche im Manifest-Verlag erscheint.

Der russische Angriff auf die Ukraine am 24. Februar war ein tiefer Einschnitt mit weltweiten Auswirkungen. Die meisten Linken hatten nicht erwartet, dass Putin zu diesem Zeitpunkt diesen Krieg beginnen werde … und sie standen damit nicht alleine da. Immerhin hat auch der ukrainische Präsident Selenskyj in den Tagen vor dem Krieg mehrfach gesagt, dass die Kriegsgefahr nicht höher sei als sonst. Viele Linke haben aber nicht nur die konkrete Situation falsch eingeschätzt, sondern auch den Charakter der beteiligten Akteur*innen. Einige haben das danach selbstkritisch eingeräumt. So schrieb in der DKP-Zeitung „UZ“ Manfred Idler am 4. März, dass Putins Reden in denen er die Anerkennung der Volksrepubliken und „die „spezielle Militäroperation“ gegen die Ukraine“ verkündete, „mit einer Illusion aufräumen, die es unter Linken und Friedensfreundinnen und -freunden gab: dass das heutige Russland etwas anderes sei als ein kapitalistisches Land und sein Präsident etwas anderes als ein bürgerlicher Machtpolitiker, der sein Regiment auf einen Kompromiss mit den ökonomisch Mächtigen seines Landes gründet“. Solche Erkenntnisse und Korrekturen sind begrüßenswert, auch wenn oft nicht alle notwendigen Konsequenzen gezogen werden. Es gibt aber immer noch eine Schicht von Linken, die sich dagegen sträuben.

Viel verbreiteter und viel gefährlicher ist aber, dass viele jetzt meinen, linke, antimilitaristische Grundpositionen über Bord werfen zu müssen. Kriege und Revolutionen sind die größten Tests für linke Organisationen.

Eine dritte Position ist, dass wir in diesem Krieg weder das russische Regime noch den Selenskyj-NATO-Block unterstützen dürfen, sondern eine unabhängige Position brauchen. Unter den Anhänger*innen dieser Position gibt es aber auch Differenzen, die zu verschiedenen Schlussfolgerungen führen (oder in der Zukunft führen können).

Eine Stellungnahme in diesem Krieg wird dadurch erschwert, dass sich verschiedene Konfliktebenen überlagern. Es gibt seit acht Jahren den bewaffneten Konflikt in der Ostukraine zwischen der ukrainischen Armee auf der einen Seite und den „Volksrepubliken“ Donezk und Luhansk auf der anderen Seite. Es gibt seit dem 24. Februar den Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine. Es gibt den Konflikt zwischen den Nato-Staaten und Russland, der seit dem 24. Februar den Charakter eines Stellvertreterkriegs und eines Wirtschaftskriegs angenommen hat. Und es gibt seit Jahrzehnten einen tendenziellen Niedergang des US-Imperialismus und einen wirtschaftlichen Aufstieg Chinas, der die globale hegemoniale Rolle der USA nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion und des Warschauer Pakts untergrub.

Dieser Text soll einige der politischen Differenzen innerhalb der Linken diskutieren. Dabei beschäftigt er sich teils mit den Positionen von Organisationen, deren gesellschaftliche Relevanz bei Null liegt und die wir normalerweise sich selbst überlassen. Die Auseinandersetzung mit anderen Ideen kann ein nützliches Mittel sein, um die eigenen Ideen deutlicher herauszuarbeiten und zu formulieren, aber dafür macht es keinen Unterschied, ob diese anderen Ideen von drei oder von drei Millionen Menschen vertreten werden.

Die Linke ist zur Zeit in Deutschland und weltweit sehr schwach. Nur auf der Grundlage richtiger Ideen, die Anleitung zum Handeln sein können, wird sie diese Schwäche überwinden können. Und deshalb ist es wichtig, Ideen zu klären.

Ist Putin verrückt (geworden)?

Die erste Frage, die sich aufdrängt, ist natürlich: Warum dieser schreckliche Krieg? In den Medien wird uns Putin als gefährlicher Irrer dargestellt und auch viele friedliebende Menschen haben diesen Eindruck. Als erste, emotionale Reaktion ist das verständlich. Aber es hilft nicht beim Verstehen der Ereignisse.

Zunächst einmal ist eindeutig, dass Putin schon seit Jahrzehnten ein eingefleischter Reaktionär ist. Angesichts des Krieges haben findige Menschen ein Zitat des damaligen stellvertretenden Bürgermeisters von St. Petersburg, Putin, aus dem Jahre 1993 herausgesucht, in dem er die chilenische Pinochet-Diktatur lobte.

Damals war Boris Jelzin Präsident Russlands, der vom Westen stark unterstützt wurde, weil er die Restauration des Kapitalismus in Russland durchgeführt hatte. Das änderte sich auch nicht wesentlich, als der russische Staat in Tschetschenien 1994-95 einen brutalen Krieg führte, um die Lostrennung Tschetscheniens von Russland zu verhindern. 1999 begann die russische Regierung einen zweiten Krieg in Tschetschenien. Begründet wurde er mit Terroranschlägen tschetschenischer Separatisten. Kritiker*innen behaupteten, dass der damalige russische Ministerpräsident – Wladimir Putin – sich als Kriegsherr im Präsidentschaftswahlkampf profilieren wollte. Wenn das der Zweck war, hatte er Erfolg. Putin wurde Präsident und führte den Krieg weiter. Dabei wurden tausende russische Soldaten und Zivilist*innen getötet, die tschetschenische Hauptstadt Grosny in Trümmer gebombt. Putin verkaufte den Krieg als Kampf gegen den islamischen Fundamentalismus, stützte sich aber dafür auf die Milizen des reaktionären islamistischen Diktators Kadyrow (die er auch jetzt wieder in der Ukraine einsetzt).

2001 sprach der blutige Tschetschenienkrieger Putin im deutschen Bundestag und wurde mit Standing Ovations bedacht. Im Jahre 1998 waren die G7, die Gruppe der sieben wichtigsten kapitalistischen Staaten, um Russland zu den G8 erweitert worden. Die westlichen imperialistischen Staaten kamen damals nicht auf die Idee, Russland wegen der blutigen Kriege in Tschetschenien nicht aufzunehmen oder wieder auszuschließen. Das geschah erst 2014 nach der militärischen Intervention zur Eingliederung der Krim. Die Beziehungen zwischen Russland und dem Westen waren zu Beginn von Putins Amtszeit so gut, dass die Nato eine Luftwaffenbasis in Russland für ihren eigenen blutigen Krieg in Afghanistan nutzen durfte und Putin von der Möglichkeit eines Beitritts Russlands zur Nato sprach.

Die Restauration des Kapitalismus unter Jelzin hatte zu einem beispiellosen Wirtschaftseinbruch geführt. Das Bruttoinlandsprodukt fiel um 45%, die Investitionen um 65%, der Lebensstandard sank drastisch, auch die Lebenserwartung der Bevölkerung sank um viele Jahre.

Nach diesem Zusammenbruch begann eine wirtschaftliche Erholung des Landes, insbesondere führten die hohen Öl- und Gaspreise zu hohen Einnahmen der entsprechenden Staatskonzerne.

Russland blieb aber wirtschaftlich eine Mittelmacht, mit einem ähnlichen Bruttoinlandsprodukt wie Italien. Militärisch blieb es aber eine Supermacht, wie es die Sowjetunion früher gewesen war, mit dem wesentlichen Unterschied, dass es inzwischen kapitalistisch war.

Die Triebfeder des kapitalistischen Wirtschaftssystems ist aber die Profitmaximierung. Dafür werden alle Mittel eingesetzt, von denen man hofft, dass sie zum Ziel führen. Dass ein wirtschaftlich schwacher, aber militärisch starker Staat versucht, seine militärische Macht zum Tragen zu bringen, ergibt sich aus der Logik des Kapitalismus. Aus dieser Logik ergab sich auch, dass das Putin-Regime die Spielräume durch die höheren Öl- und Gaseinnahmen nutzte, um seine Armee auszubauen und zu modernisieren. Dafür wurde 2008 ein 700-Milliarden-Euro-Programm gestartet.

Die USA sind anders als Russland eine wirtschaftliche Supermacht, auch wenn sie bei manchen Kennziffern von China überholt werden. Aber ihre wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit ist durchaus eingeschränkt, wie die jährlichen gigantischen Handels- und Zahlungsbilanzdefizite und die als ihre Folge aufgehäufte Auslandsverschuldung beweisen. Wenn nicht der US-Dollar Weltreservewährung wäre, wäre dieses Wirtschaftsmodell schon längst zusammengebrochen. Aber da auch bei den USA die wirtschaftliche Dominanz viel geringer ist als die militärische, versuchen auch in dort die Herrschenden immer wieder, internationale Konflikte auf die militärische Ebene zu schieben, wo sie ihre Überlegenheit ausspielen können.

Aus dem gleichen Grund ist erklärlich, dass sich China bisher militärisch zurückgehalten und Gewalt vor allem gegen die eigene Bevölkerung eingesetzt hat. Es kann bisher Märkte mit billigen Waren erobern und braucht dafür keine Waffengewalt. Aber wenn Wirtschaftskriege mit dem Westen zunehmen, wird die Möglichkeit an Grenzen stoßen, mit wirtschaftlicher Konkurrenzfähigkeit allein Profite zu machen, dann wird auch China mehr militärisch vorgehen. Deshalb rüstet China auf und deshalb ist die militärische Großmacht Russland für China eine wichtige Verbündete, die es auch jetzt nicht fallen lässt, trotz der Differenzen in der Ukraine-Frage. China hatte nämlich erst 2021 ein Abkommen mit der Ukraine über den Ausbau der Infrastruktur geschlossen. Es betrachtet das Land als Handelspartnerin, als Transitland für den Handel nach Westen und als Nahrungsmittellieferanten.

Russland rüstete unter Putin nicht nur auf, sondern setzte seinen Waffen auch ein, 2008 im Krieg gegen Georgien (bei dem es auch darum ging, einen Nato-Beitritt Georgiens zu verhindern), ein paar Jahre später dann im syrischen Bürgerkrieg.

2021 zeigte der blamable Rückzug der USA und ihrer Verbündeten einschließlich Deutschlands aus Afghanistan und die Rückkehr der Taliban die Schwäche des westlichen Imperialismus.

Ein kalter kapitalistischer Machtpolitiker wie Putin konnte sich da die Frage stellen, ob er sich einen Krieg in der Ukraine leisten kann.

Zugleich ist Putin innenpolitisch geschwächt, besonders gegen seine Rentenreform gab es Proteste. Putin war mit dem „erfolgreichen“ (auf Kosten der Menschen) Krieg in Tschetschenien aufgestiegen, 2014 hatte ihm die Annexion der Krim und die Unterstützung der separatistischen „Volksrepubliken“ einen Popularitätsschub in Teilen der Bevölkerung gegeben. Ließ sich das nicht wiederholen? Und das war keine russische Besonderheit. 1982 schaffte es die britische Premierministerin Thatcher, die durch ihre reaktionäre Wirtschaftspolitik und eine schwere Wirtschaftskrise unpopulär war, durch einen erfolgreichen Krieg um die Falkland-Inseln ihre Popularität wieder aufzupolieren und fast ein Jahrzehnt weiter an der Regierung zu bleiben. „Falkland-Faktor“ wurde international zum stehenden Begriff.

Wenn Putin gedacht hat, dass ein Krieg in der Ukraine für ihn zum Falkland-Faktor werden könne (es war sicher nicht sein Hauptmotiv), dann ist seine Rechnung offensichtlich nicht aufgegangen. Aber die USA haben sich in Vietnam oder Afghanistan oder Irak auch verkalkuliert. Ein berechnender Machtpolitiker, der sich verrechnet, ist etwas anderes als ein Geisteskranker. Dabei soll nicht bestritten werden, dass der diktatorische Charakter des Putin-Regimes ein Faktor bei der Entscheidung war. In einem solchen Regime ist die Wahrscheinlichkeit von Entscheidungen auf Grund von einseitigen und verzerrten Einschätzungen sicher höher, was auch Auswirkungen auf den weiteren Kriegsverlauf haben kann.

Putins Vorgehen zu pathologisieren, lenkt jedoch von dem „pathologischen“, irrationalen Charakter des kapitalistischen Systems ab, in dessen Rahmen Putin ebenso operiert wie Biden, Scholz, Selenskyj & Co.

Dabei ist nicht nur der Kapitalismus an sich irrational, sondern seine Widersprüche spitzen sich zu und damit auch seine Irrationalität. Die Corona-Pandemie wirkt dabei als „große Beschleunigerin“. Man kann von einer langgezogene Todeskrise des Kapitalismus sprechen.

Ist Russland imperialistisch?

Viele Linke bezeichnen Russland als imperialistisch, andere bekämpfen diese Bezeichnung. Um die Frage zu beantworten, muss man klären, was man unter Imperialismus versteht.

Gabi Fechtner (MLPD) sagte am 7. März auf einer „Montagsdemonstration“: „Wir sprechen von Imperialismus, weil wir meinen dass auch Russland heute ein Land ist, das versucht, sein Territorium auszuweiten, sich weitere Völker und Gebiete zu unterwerfen.“ Nach dieser Logik, waren auch das alte Rom, Dschingis Khan oder das Aztekenreich imperialistisch. Das hat nichts mit Lenins Bestimmung des Imperialismus als Stadium des Kapitalismus zu tun. Von einer Partei, die „Leninistisch“ im Namen führt, hätte man erwarten können, dass sie von diesem Leninschen Imperialismusverständnis ausgeht.

Aber auch andere Strömungen machen den Fehler, dass sie nicht von Lenins Bestimmung ausgehen, dass der Imperialismus ein Stadium des Kapitalismus ist. Statt zu untersuchen, ob der Kapitalismus heute der Leninschen Definition noch entspricht, untersuchen sie, ob einzelne Länder ihr entsprechen … und kommen dann zum Teil zu dem Schluss, dass das für Russland nicht der Fall sei.

Die winzige Spartakist Arbeiterpartei Deutschland (SpAD), die viele Jahrzehnte lang darauf spezialisiert war, andere Gruppen zu „entlarven“, was manchmal einen gewissen Unterhaltungswert hatte, dann vor allem entlarvte, was sie selber jahrelang vertreten hatten und dann verstummte, meldete sich zu Beginn des Ukrainekriegs wieder zu Wort „Die Welt wird von den Zentren des Finanzkapitals beherrscht, von New York, Frankfurt, Paris, London und Tokio, nicht von Moskau. Russlands herrschende Klasse ist zwar ausgesprochen reaktionär, aber nicht imperialistisch. Sie unterdrückt ihre eigene Arbeiterklasse und ist eine regionale Macht. Im Gegensatz dazu pressen die Imperialisten die Arbeiter auf dem ganzen Planeten bis aufs Blut aus.“ Hat 1914 Deutschland die Welt beherrscht oder war es eine regionale Macht? Hat irgendein Land 1914 die Welt beherrscht? Nach dieser Logik wäre der Erste Weltkrieg kein imperialistischer Krieg gewesen, weil er ein Krieg zwischen Regionalmächten war, die erst darum kämpften, weltweite Hegemonie zu erlangen (bzw. Großbritannien seine Hegemonie bereits verloren hatte) Die schräge Schlussfolgerung, die sie aus ihrer schrägen Erklärung ziehen, zeigt, dass solche theoretischen Fehler zu gravierenden Schlussfolgerungen führen können: „Sollte die NATO oder irgendeine imperialistische Macht direkt in diesen Krieg eintreten, wäre es die Verpflichtung jedes Revolutionärs, militärisch die Seite Russlands zu beziehen, für die Niederlage der Imperialisten, die international das Hauptbollwerk der kapitalistischen Reaktion sind.“

Aber auch die wesentlich ernster zu nehmende französische trotzkistische Organisation Lutte Ouvrière hat ein falsches Verständnis des Imperialismus: „In einer von der Bourgeoisie beherrschten Wirtschaft ist Imperialismus seit über einem Jahrhundert die Politik der weltweiten Expansion und Herrschaft der mächtigsten kapitalistischen Gruppen, die nach Absatzmärkten für ihr Kapital und ihre Waren, nach geschützten Rohstoffquellen und nach der Festigung ihrer Märkte suchen. (…) wenn russisches Kapital in großen Mengen aus dem Land exportiert wird, liegt das nicht daran, dass es in Russland selbst keine rentablen produktiven Investitionen geben könnte. Im russischen Produktionssystem herrscht sogar ein akuter Mangel an Investitionen. Tatsächlich exportieren die russischen Oligarchen ihr Geld, um es in Schweizer Banken oder Steuerparadiesen anzulegen.“ (Cercle Léon Trotsky, Nr. 140, 06. 03. 2015) Nach dieser Logik hätte Lenin das zaristische Russland niemals als imperialistisch bezeichnen dürfen, denn es war kein Kapitalexporteur, sondern ein Kapitalimporteur. Beträchtliche Teile der russischen Wirtschaft gehörten internationalen Konzernen. Manche kennen ja noch die „Proletenpassion“ der Schmetterlinge: „Nur weil Frankreichs Kapital / Deine Kohle hat und deinen Stahl / Es fließt bei Baku ein ergiebiger Quell / Es hat Englands Bank die Hand auf dem Öl.“ Wenn Lenin und Trotzki im Ersten Weltkrieg die Kriterien mancher heutiger „Leninist*innen“ und „Trotzkist*innen“ angewendet hätten, hätten sie das zaristische Russland als „Halbkolonie“ oder „abhängigen Kapitalismus“ gegen den deutschen Imperialismus verteidigen müssen.

Auch die „Trotzkistische Fraktion – Vierte Internationale“, die vor allem in Argentinien stark ist (PTS, in Deutschland Revolutionäre Internationalistische Organisation RIO) lehnt es mit ähnlichen Argumenten wie Lutte Ouvrière ab, Russland „imperialistisch“ zu nennen.

Tatsächlich hat sich gegenüber Lenins Zeiten vor allem eines geändert. Damals gab es ein paar Kolonialmächte und riesige Kolonialreiche. Länder, die Zwischenstufen einnahmen, gab es viel weniger als heute. Trotzdem war es auch damals so, dass z.B. Portugal zugleich Kolonialmacht war und wirtschaftlich dem britischen Imperialismus untergeordnet. Schwarz-Weiß-Malerei war schon damals nicht angebracht und wurde auch von Lenin nicht betrieben, wie seine Einordnung des rückständigen Russlands als imperialistisch zeigte.

Das gilt für heute umso mehr. Wenn man die ganze Welt in die Schubladen „imperialistisch“ und „halbkolonial“ stecken will, was macht man dann mit Kanada? Es ist wirtschaftlich eng mit den USA verflochten, ein Anhängsel der USA. Aber es ist auch eines der G7-Länder und z.B. kanadische Bergbaukonzerne beuten auf verschiedenen Kontinenten die Arbeiter*innen aus und zerstören die Umwelt. Was macht man mit Österreich? Es steht zu Deutschland in einem ähnlichen Verhältnis wie Kanada zu den USA, aber zugleich spielt es in verschiedenen Ländern insbesondere des Balkans eine imperialistische Rolle, teils als Juniorpartner Deutschlands, teils auf eigene Rechnung. Was macht man mit der Türkei, die wirtschaftlich so rückständig ist, die Millionen türkischer Arbeiter*innen nach Westeuropa auswanderten? Zugleich beutet der türkische Staat die kurdischen Gebiete aus, hält sich in Nord-Zypern seit 1974 einen Marionettenstaat, interveniert in Syrien, versucht gelegentlich, Einfluss auf die Turk-Völker in Zentralasien zu nehmen.

Welche schwerwiegenden Folgen eine falsche Zuordnung in der Imperialismusfrage haben kann, mussten wir im CWI in den späten 1980er Jahren erfahren. Damals gab es auf Sri Lanka einen blutigen Bürgerkrieg des Staates gegen die tamilische Minderheit. Einige Linke hofften, dass Indien, das in Südindien eine starke tamilische Bevölkerung hat, als Friedensstifter in Sri Lanka eingreifen könnte. Sie verstanden nicht, dass Indien zwar ein wirtschaftlich rückständiges Land und eine ehemalige Kolonie, aber trotzdem zugleich eine imperialistische Regionalmacht in Südasien war. Als die indische Intervention in Sri Lanka stattfand, diente sie nicht der tamilischen Minderheit, sondern den eigenen imperialistischen Interessen. Die Organisationen, die Illusionen in diese Intervention geteilt hatten, wurden dadurch schwer geschädigt, auch die Mehrheit der damaligen CWI-Sektion, NSSP. (Die NSSP schloss 1988 die Minderheit, die die Kritik der internationalen Führung des CWI teilte, aus. Die Ausgeschlossenen bilden seitdem die neue CWI-Sektion, während die NSSP-Mehrheit sich 1991 dem „Vereinigten Sekretariat der Vierten Internationale“ anschloss.)

Eines der zentralen Merkmale von Lenins Imperialismusdefinition war, dass die Aufteilung der Welt unter den Konzernen und Staaten weitgehend abgeschlossen ist und deshalb der Kampf um die Neuaufteilung stattfindet. Dieses Merkmal lässt sich naturgemäß nicht einem einzelnen Land zuordnen. Aber es passt wie der Schlüssel ins Schloss zum Konflikt um die Ukraine.

Es ist natürlich richtig, dass verschiedene kapitalistische und imperialistische Staaten und Bündnisse verschieden stark sind und sie deshalb verschieden agieren. Aber wenn eine Löwin einen Schakal von ihrer Beute vertreibt, um sie selber zu fressen, macht das den Schakal nicht zu einem Pflanzenfresser. Und es ist nicht die Aufgabe von Linken, kleine Gangsterbanden gegen große Gangsterbanden zu verteidigen. Es ist ja auch nicht die Aufgabe von Arbeiter*innen, die Profite von kapitalistischen Großkonzernen vor der Konkurrenz von kapitalistischen Riesenkonzernen zu schützen.

Sanktionen?

Verständlicherweise interessieren sich die meisten Menschen aber mehr für das, was man jetzt gegen den Krieg tun kann als für seine Ursachen und seinen Charakter. (Wir werden aber sehen, dass das zusammenhängt).

Die westlichen Staaten haben auf den Krieg sofort mit der Verhängung (oder vielmehr drastischen Verschärfung) von Sanktionen reagiert. Diese Maßnahmen haben breite Unterstützung, bis tief in die Arbeiter*innen- und die Friedensbewegung hinein. Der DGB schrieb: „Deshalb befürworten der DGB und seine Mitgliedsgewerkschaften die scharfen wirtschaftlichen Sanktionen, die von der Bundesregierung, der Europäischen Union und den westlichen Bündnispartnern gegen Russland verhängt worden sind.“ „Ohne Rüstung leben“ erklärte am 3. März: „Wir begrüßen, dass viele Länder der Welt mit scharfen Sanktionen und großem wirtschaftlichem sowie diplomatischem Druck gegenüber Russland klar machen, dass ein solcher Krieg nicht toleriert wird und nicht folgenlos bleibt.“

Wir haben Verständnis dafür, dass große Teile der Bevölkerung Sanktionen für eine gewaltlose, wirksame Alternative zu Kriegen mit ihren Schrecken haben. Aber von gesellschaftlichen und politischen Organisationen sollte man erwarten, dass sie Erfahrungen der Vergangenheit nicht so schnell vergessen. Als 1990 der irakische Diktatur Saddam Hussein Kuwait besetzte, wurden Sanktionen verhängt, für die es damals auch große Unterstützung in der Bevölkerung bis in die Linke und Friedensbewegung hinein gab. Es zeigte sich aber dann, dass diese Sanktionen keine Alternative zum Krieg, sondern ein Vorspiel zu ihm waren. Sie wurden auch nicht aufgehoben, als die Souveränität Kuwaits wieder hergestellt war und sie hatten schreckliche Folgen für die irakische Zivilbevölkerung. In den Jahren 1990 bis 2003 ist jedes achte irakische Kind verhungert oder auf Grund mangelnder medizinischer und hygienischer Versorgung verstorben. Weitere 960.000 Kinder waren unterernährt. 1996 erklärte die Botschafterin der USA bei der UNO und spätere Außenministerin Madeleine Albright in einem Interview, dass der Tod von hunderttausenden Kindern eine sehr schwierige Wahl sei, aber den Preis wert sei. In ihrer Autobiografie distanzierte sie sich von der Aussage, aber nicht von den Sanktionen.

Angeblich sollen Sanktionen heute anders, viel zielgenauer sein. Stimmt das?

Die Sanktionen gegen Russland haben die Zivilbevölkerung sofort massiv getroffen. Der Rubelkurs brach in einer Woche um 30% ein. Um den Wechselkurs zu stabilisieren wurden die Zinsen von 9,5% auf 20% erhöht, was die Wirtschaft abwürgt. Westliche Konzerne haben ihre Betriebe in Russland geschlossen, was zu massiver Arbeitsplatzvernichtung führt. Unterstützungen von Russ*innen im Ausland an ihre Angehörigen im Lande leiden unter den Sanktionen im Bankwesen.

Deshalb lehnen wir die Unterstützung der Sanktionen durch den DGB und andere Organisationen entschieden ab. Es klingt fast wie Hohn (auch wenn das sicher nicht beabsichtigt ist), wenn „Ohne Rüstung leben“ nach der Befürwortung der „scharfen Sanktionen“ schreibt: „Es ist wichtig, zu betonen, dass der Angriff auf die Ukraine in erster Linie Putins Krieg ist. Wir werden nicht der Versuchung nachgeben, Russland als Feind oder die russische Bevölkerung als unseren Gegner anzusehen. Solidarisch sind wir auch mit jenen Menschen in Russland und Belarus, die sich mutig öffentlich gegen den Krieg aussprechen.“

Andere Organisationen fordern Sanktionen, die zielgenau Putin und seine Unterstützer*innen treffen. Amira Mohamed Ali und Dietmar Bartsch erklärten für DIE LINKE am 4. März „Wir sprechen uns für gezielte Sanktionen gegen Putin, die ihn unterstützenden Oligarchen und die russische Militärindustrie aus“ Aber allgemeine Aussagen zu möglichen gezielten Sanktionen sind kein Ersatz zu der konkreten Stellungnahme zu den tatsächlich bereits eingeführten Sanktionen. Wir fordern DIE LINKE auf, diese konkreten Sanktionen ohne Wenn und Aber abzulehnen.

Und wir fordern DIE LINKE auf, aus diesen Sanktionen die Lehre zu ziehen, dass man den Herrschenden keinerlei Vertrauen entgegenbringen kann, dass sie Sanktionen einführen, die die Richtigen Treffen. Bei den beschlossenen Sanktionen wurden z.B. Luxusgüter aus Italien oder die belgische Diamentenindustrie ausgenommen. Wirksamen Sanktionen gegen Putin und sein Umfeld stehen die Vermögensverschleierung durch Briefkasten- und Offshore-Firmen usw. entgegen. Dagegen wirksam vorzugehen, würde auch den Konzernen und Reichen im Westen massiv auf die Füße treten. Das sollten Linke der deutschen Regierung nicht zutrauen.

Wenn westliche Staaten hier und da auch Sanktionen beschließen, die die Oligarch*innen treffen, so haben wir sicher keinerlei Mitgefühl für sie. Deren in verschiedenen Ländern zusammengekauften Immobilien zur Unterbringung von Geflüchteten zu verwenden, wäre eine gute Idee. (Uns fallen da aber noch viele weitere geeignete Immobilien ein.) Wir sollten aber nicht glauben, dass das ein wichtiger Beitrag zum Kampf gegen Putins Krieg ist.

Traurigerweise schreibt auch das Internationale Büro (ehemalige Vereinigte Sekretariat) der „Vierten Internationale“: „- Unterstützung von Sanktionen gegen Russland – wie sie vom ukrainischen Widerstand gefordert werden –, die Putins Möglichkeiten einschränken, die laufende Invasion und seine Kriegstreiber-Politik überhaupt fortzusetzen. Ablehnung jeglicher Sanktionen, die eher das russische Volk treffen als die Regierung und die Oligarchen.“ Auch hier kein Gedanke daran, dass man den Herrschenden in den imperialistischen Ländern nicht vertrauen kann, Sanktionen in diesem Sinne durchzuführen. Kritiklos haben sie einen Aufruf aus der Ukraine verbreitet, der den Ausschluss Russlands aus dem Swift-Abkommen fordert, obwohl es eindeutig ist, dass das auch die Geldüberweisungen von Angehörigen aus der Arbeiter*innenklasse an Freund*innen und Verwandte in Russland trifft.

Noch heftiger ist eine Forderung einer der Organisation aus der „morenistischen“ Tradition: Neben verschiedenen richtigen oder akzeptablen Punkten fordert die Internationale Arbeiterunion – Vierte Internationale (spanische Abkürzung UIT-CI, englisch IWU-FI): „Für den Abbruch der Beziehungen zu Russland durch alle Regierungen!“ Inzwischen wird diese Forderung auch in gemeinsamen Erklärungen mit einer anderen „morenistischen“ Internationalen, der Internationalen Arbeiterliga – Vierte Internationale (spanische Abkürzung LIT-CI, englisch IWL-FI) vertreten. Das ist eine direkte Aufforderung an imperialistische Regierungen, die Beziehungen zu Russland abzubrechen (was neben der Wirtschaft natürlich auch drastische Auswirkungen auf den kulturellen, sportlichen, wissenschaftlichen etc. Austausch hätte).

Viele verknüpfen mit Sanktionen die Hoffnung, dass sich die russische Bevölkerung gegen Putin wendet. Tatsächlich gab es von Beginn des Krieges an Proteste, die angesichts der in Russland herrschenden Repression beeindruckend groß und mutig sind. Das war keine Folge von Sanktionen, sondern Ausdruck der Empörung vieler Menschen in Russland, dass ihr Land zum Täter geworden ist. Die Sanktionen können dazu führen, dass wachsende Teile der russischen Bevölkerung ihr Land als Opfer sehen. Sie können zu einer Wagenburg-Mentalität führen, die den Widerstand gegen Putin schwächt. Wie sie sich genau auswirken, hängt von vielen Faktoren ab und lässt sich nicht vorhersehen. Es gibt jedoch verschiedene Länder auf der Erde, in denen die Bevölkerung seit Jahrzehnten unter Sanktionen leidet, ohne dass sie die Regierung gestürzt hätte.

Und was ist es für eine Einstellung, die Bevölkerung eines anderen Landes durch Sanktionen in Opposition gegen ihre Regierung hinein terrorisieren zu wollen, statt zu versuchen, sie davon zu überzeugen? Erst Recht, wenn es aus Ländern kommt, deren Regierungen in den letzten Jahrzehnten verschiedene blutige Kriege geführt haben.

Im Unterschied dazu gibt es in der Arbeiter*innenbewegung eine lange Tradition von Boykotten von unten, z.B. Hafenarbeiter*innen, die sich weigern, Schiffe zu be- und entladen.

Es gibt keine Garantie, dass solche Boykotte die Richtigen treffen. Arbeiter*innen werden auch durch die kapitalistischen Medien beeinflusst, viele Gewerkschaften international befinden sich politisch im Schlepptau kapitalistischer Regierungen.

Wenn Boykotte von Arbeiter*innen und Gewerkschaften ausgehen, ist das etwas grundsätzlich anderes als Sanktionen konkurrierender kapitalistischer Regierungen. Sie bedeuten aber nicht automatisch, dass sie alle unterstützenswert sind. Auch hier ist entscheidend, wen sie treffen. Aber auch, wie sie von der Arbeiter*innenklasse in dem sanktionierten Land gesehen werden.

Ein wichtiges Kriterium ist, ob es im betreffenden Land eine relevante fortschrittliche Opposition gibt, die solche Boykotte befürwortet. Das war zum Beispiel bei den Boykotten gegen das Apartheid-Regime in Südafrika der Fall.

Innerhalb der Arbeiter*innenbewegung ist zumindest eine demokratische Diskussion darüber möglich, ob Boykotte eine Hilfe für die Menschen in der Ukraine oder die Antikriegsbewegung in Russland sind, während wir den Herrschenden in Deutschland und anderen westlichen Ländern nicht zubilligen können, dass ihnen das Wohl dieser Menschen ehrlich am Herzen liegt.

Dabei gilt, dass die Boykotte, die es jetzt von Gewerkschaften gegen russische Schiffe gibt, dann am glaubwürdigsten sind, wenn sie von Gewerkschaften kommen, die in der Vergangenheit solche Maßnahmen auch befürwortet haben, wenn sie nicht im Sinne der eigenen Herrschenden waren. Auf der anderen Seite können solche Maßnahmen auch dazu führen, dass Arbeiter*innen darüber nachdenken: Warum machen wir das jetzt, warum haben wir das nicht bei Saudi-Arabien wegen dem brutalen Krieg im Jemen gemacht etc. Oder dazu, dass Bankangestellte, die den Finanztransaktionen russischer Oligarch*innen auf die Finger schauen, dabei auch auf andere schmutzige Finanztransaktionen stoßen.

Ein weiterer zentraler Aspekt bei Sanktionen ist: Befürworter argumentieren, dass Putin ein Verbrecher ist, der bestraft werden muss. Aber wer verhängt hier die Strafe? Nicht ein*e unparteiische*r Richter*in, keine neutrale Instanz, die die Guten belohnt und die Bösen bestraft, sondern konkurrierende Verbrecher*innen, die ebenso andere Länder in Grund und Boden gebombt haben.

Aufrüstung der Bundeswehr?

In der Erklärung des DGB heißt es: „Die Bundesregierung hat zu Recht verteidigungspolitisch schnell auf den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine reagiert. Die dauerhafte Aufstockung des Rüstungshaushalts zur Erfüllung des Zwei-Prozent-Ziels der NATO wird vom DGB und seinen Mitgliedsgewerkschaften weiterhin kritisch beurteilt.“

Solange der DGB diese Aufrüstung nur kritisch sieht, statt sie vollständig abzulehnen und einen entschiedenen Kampf dagegen anzukündigen, ist es leider notwendig, sich auch mit dieser Frage in einem Artikel, der die Linke und die Ukraine behandelt, zu befassen.

Es ist einfach eine Lüge, wenn jetzt von einem Kurswechsel die Rede ist. Die Zeiten nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion, als den Menschen eine Friedensdividende versprochen wurde, sind längst vorbei. Deutschland hat in den letzten Jahren die Rüstungsausgaben massiv gesteigert. Der Bundeswehretat stieg seit 2014 von 32,4 auf 50,3 Milliarden Euro (und vor 2021 war die Inflation bekanntlich gering). Es handelt sich also um keinen Kurswechsel, sondern um eine halsbrecherische Beschleunigung des Tempos in der seit Jahren eingeschlagenen Richtung, die nun eine neue Qualität erlangen soll und Deutschland zur drittstärksten Militärmacht der Welt machen soll.

Schon nach dem Debakel in Afghanistan gab es Forderungen nach mehr Rüstungsausgaben. Eine wirklich kühne Schlussfolgerung: In Afghanistan war ja die größte Militärmacht der Welt gescheitert. Will man sich wirklich zum Ziel setzen, da zu siegen, wo die USA gescheitert sind?

Jetzt wird die Ukraine als neuer Vorwand für Aufrüstungsforderungen missbraucht. Die Rüstungsausgaben der Nato-Länder sind 17 mal so groß wie die Russlands. Glaubt im Ernst jemand, dass Putin im Bett vor dem Schlafengehen oder an seinem endlos langen Tisch sitzend gedacht hat: „Wenn die westlichen Rüstungsausgaben nur 17 mal so groß sind, kann ich in der Ukraine einmarschieren, aber wenn sie 18 mal, 20 mal oder 25 mal so groß wären, dann müsste ich es bleiben lassen.“

Dazu kommt, dass dieses Aufrüstungsprogramm sich natürlich über einen Zeitraum von Jahren erstreckt. Wir hoffen doch alle, dass der Krieg in der Ukraine bis dahin längst beendet ist. Und falls jemand am 24. Februar gedacht haben sollte, die russische Armee erobert in wenigen Tagen die Ukraine und ist in zwei Wochen in Berlin und in drei Wochen an der Atlantikküste, dann dürfte der bisherige Kriegsverlauf solche Vorstellungen zerstreut haben.

Hier werden das Leid der Menschen in der Ukraine und das Mitgefühl der Menschen in Deutschland politisch instrumentalisiert, missbraucht, um den deutschen Staat aufzurüsten, damit er in Zukunft imperialistische Interessen weltweit kräftiger vertreten kann. Nachdem der deutsche Imperialismus in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts zwei Weltkriege begonnen hatte, musst er sich jahrzehntelang militärische Zurückhaltung auferlegen. Eine stehende Redewendung war, dass Deutschland wirtschaftlich ein Riese, militärisch ein Zwerg sei. Nach 1990 wurde diese Zurückhaltung immer mehr aufgegeben. Jetzt wird der Ukrainekrieg genutzt, um die letzte Zurückhaltung fallenzulassen. Ob das dann zufällig „Verteidigungskriege“ sind oder Angriffskriege (die dann von den Herrschenden ebenso wenig Kriege genannt würden, wie der Krieg in Afghanistan Krieg genannt wurde oder wie Putin jetzt den Krieg in der Ukraine so nennen will), kann niemand vorher wissen.

Und in der Regierung, die dieses gigantische Aufrüstungsprogramm durchpeitscht, sind SPD und Grüne die stärksten Parteien. Diejenigen in der LINKEN, die diese Parteien für einen Teil eines „linken Lagers“ gehalten haben oder vielleicht immer noch halten, sollten endlich aus ihrer Traumwelt aufwachen.

Auf der anderen Seite: Wir haben viel Kritik an der LINKEN. Aber es ist eine Tatsache, dass die SPD dieses gigantische Aufrüstungsprogramm durchsetzen will und die LINKE es ablehnt. Diejenigen auf der Linken, die die SPD immer noch für eine bürgerliche Arbeiter*innenpartei halten, die zwischen der LINKEN und der SPD keinen qualitativen Unterschied sehen wollen und wie die Gruppe Arbeiter*innenmacht (GAM) die SPD als „großen reformistischen [!!!] Zwilling“ der LINKEN bezeichnen (Jürgen Roth, Infomail 1181, 9. März 2022), sollten sich fragen, was noch passieren muss, bis sie ihre Einschätzung der SPD ändern? Die Rolle ist auch nicht vergleichbar mit der Zustimmung zu den Kriegskrediten am 4. August 1914. Erstens trottete sie damals der Regierung hinterher, während sie heute Taktgeberin der Hochrüstung ist. Zweitens gab es damals von Anfang an beträchtliche Opposition in der Partei, die nur durch die Zensur lange Zeit unhörbar gemacht werden konnte. Heute gibt es in der Partei keinen Aufschrei, den jemand zum Schweigen bringen müsste.

Waffenlieferungen?

Wenn eine Aufrüstung der Bundeswehr offensichtlich keine kurzfristigen Auswirkungen auf den Ukrainekrieg hat, wäre das bei Waffenlieferungen anders.

Die Unterstützung dafür ist nicht so groß wie für Sanktionen, da sie nicht so friedlich wirken.

Es gibt eine pazifistische Opposition. Z.B. bei der Großdemonstration am 13. März in Stuttgart ist Jürgen Grässlin aus pazifistischen Gründen gegen Waffenlieferungen in die Ukraine eingetreten und hat dafür von Teilen der Demo Pfiffe, Buhrufe und „Aufhören“-Sprechchöre eingesteckt.

Marxist*innen sind keine Pazifist*innen. Wir denken nicht, dass Waffen aufgrund ihrer physikalischen oder chemischen Eigenschaften schlecht sind, sondern erklären ihre mörderischen Folgen aus den gesellschaftlichen Verhältnissen, in denen sie meistens eingesetzt werden.

Für uns stellt sich die Frage: Wer liefert Waffen an wen? Als es in Spanien 1936 einen faschistischen Militärputsch gegen die demokratisch gewählte Regierung gab, gab es eine Internationale Kampagne für Militärhilfe für Spanien. Aber die „westlichen Demokratien“ weigerten sich, der linken Volksfrontregierung zu helfen (auch Frankreich, wo ebenfalls ein linkes Volksfront-Parteienbündnis an der Regierung war). Nur die Sowjetunion (die sich dafür mit dem Gold der spanischen Zentralbank bezahlen ließ) und Mexiko halfen Spanien.

Als vor wenigen Jahren Kurd*innen einen verzweifelten Kampf gegen den Islamischen Staat führten, durchbrach Deutschland theatralisch seine bisherige Ablehnung von Waffenlieferungen in Kriegsgebiete … und lieferte Waffen an die Peschmerga des Irak, wo der rechte, korrupte Barsani-Clan an der Macht ist, statt an die linke YPG, die sicher die effektiveren Kämpfer*innen gegen den IS waren. Der US-Imperialismus fühlte sich damals durch den IS so bedroht, dass er sogar die YPG unterstützte, als aber das Nato-Land Türkei in Syrien einmarschierte (wie Russland jetzt in der Ukraine), zogen die USA ihre Unterstützung von der YPG ab und lieferten die Kurd*innen praktisch der türkischen Invasion aus.

Sozialist*innen sind seit den Anfängen der Arbeiter*innenbewegung für Arbeiter*innen- oder Volksmilizen, also dafür, dass die bewaffneten Kräfte nicht von der Bevölkerung in Kasernen abgeschottet werden, dass sie weder gegen die eigene Bevölkerung (gegen Demonstrationen, Streiks etc.) noch für Angriffskriege eingesetzt werden können. Im Erfurter Programm der SPD von 1891 hieß es „Volkswehr an Stelle der stehenden Heere“. Im 1938 von Trotzki geschriebenen Übergangsprogramm der Vierten Internationale stand: „Ersetzung des stehenden Heeres, d. h. der Armee der Kasernen, durch eine untrennbar mit den Fabriken, Bergwerken, Bauernhöfen usw. verbundene Volksmiliz.“ Heute ist natürlich der Begriff „Miliz“ in Bezug auf die Ukraine missverständlich, weil damit auch rechtsextreme paramilitärische Verbände gemeint sein können. Man kann auch Formulierungen wie „multiethnische, demokratisch kontrollierte bewaffnete Verteidigungskräfte“ verwenden. Wenn es solche Kräfte gibt, dann haben sie natürlich auch das Recht, Waffen zu nehmen, von woher auch immer sie sie bekommen können. Nach den historischen Erfahrungen ist aber zu befürchten, dass die westlich-imperialistischen Regierungen ihnen kaum Waffen liefern werden. Es ist wahrscheinlicher, dass sie durch einen Klassenappell an die Arbeiter*innen in Uniform in der russischen Armee Leute finden können, die zu ihnen überlaufen oder zumindest Waffen „vom Lastwagen fallen“ lassen.

Aber natürlich dürften solche multiethnischen Verteidigungskräfte Waffen von überall her annehmen, wo sie sie kriegen können (wenn dafür nicht unannehmbare Gegenleistungen erpresst werden). Im Februar 1918, nachdem die Verhandlungen in Brest-Litowsk zwischen Sowjetrussland und dem deutschen Imperialismus abgebrochen waren, nahm der deutsche Imperialismus den Krieg wieder auf. Ein paar Tage war es unsicher, ob Deutschland damit bessere Vertragsbedingungen erpressen oder das Land großflächig erobern wollte. Damals diskutierten die Bolschewiki, ob sie von England und Frankreich, die sich noch mit Deutschland im Ersten Weltkrieg befanden, Hilfe annehmen sollten. Lenin konnte an der entscheidenden Sitzung des Zentralkomitees nicht teilnehmen und teilte seine Haltung brieflich mit: „Ich bitte, meine Stimme zu den Stimmen zu zählen, die für den Erwerb von Kartoffeln und Waffen bei den Räubern des englischen und französischen Imperialismus sind. Lenin“ (22. Februar 1918, Lenin, Briefe, Band 5, S. 44)

Aber in der Ukraine heute gibt es weder eine Räterepublik noch eine Rote Armee. Trotzdem fordert das bereits zitierte Internationale Büro der „Vierten Internationale“: „Waffenlieferungen auf Ersuchen des ukrainischen Volkes im Kampf gegen die russische Invasion seines Territoriums.“ Aber wie, durch welche Organe kann dieses ukrainische Volk dieses Ersuchen zum Ausdruck bringen? Durch die Institutionen des ukrainischen Staates? Das wären keine Waffenlieferungen an das ukrainische Volk, sondern an den ukrainischen Staat, der diese Waffen auch dazu einsetzen wird, die Krim und die Separatist*innengebiete zurückzuerobern und gegen ein Aufbegehren der Arbeiter*innenklasse vorzugehen, wenn ihm das nötig erscheint. Wenn man warten will, bis ein ukrainischer Rätekongress gebildet wird, der solche Forderungen stellt, dann müsste man das sagen.

Andere sich als trotzkistisch verstehende Organisationen machen den selben Fehler. So schreibt die bereits erwähnte IWL-FI (LIT-CI) „Wir halten es für absolut richtig, zu mobilisieren, um von den Regierungen (insbesondere der imperialistischen Länder) zu fordern, dass sie dem ukrainischen Widerstand direkt und bedingungslos Waffen und alles notwendige Material (Munition, Lebensmittel, Medikamente) geben.” (For a broad international campaign of support and solidarity with the Ukrainian resistance!) Sie sprechen zwar ständig von Arbeiter*innen und Volk, aber da sie anders als wir nicht ausdrücklich fordern, dass Waffen an vom Staat unabhängige Arbeiter*innenorganisationen gehen, fordern sie faktisch Waffen für genau die Regierung, der sie nicht vertrauen. Professor Gilbert Achcar, der unter anderem beim International Institute for Research and Education mitwirkt, das unter maßgeblicher Beteiligung von führenden Mitgliedern des damaligen „Vereinigten Sekretariat der Vierten Internationale” gegründet wurde, spricht das offen aus: „Wir sind für die bedingungslose Lieferung von Defensivwaffen an die Opfer einer Aggression – in diesem Fall an den ukrainischen Staat, der gegen die russische Invasion seines Territoriums kämpft.” Er führt dann weiter aus, dass er mit Defensivwaffen z.B. Flug- und Panzerabwehrwaffen meint, aber keine Kampfflugzeuge. (L’anti-impérialisme aujourd’hui et la guerre en Ukraine.)

Im gegenwärtigen Krieg können wir weder den Lieferant*innen noch den Empfänger*innen trauen. Es gibt schon Berichte, dass Waffen an rechtsextreme Einheiten wie das Asow-Regiment übergeben wurden.

Verteidigung der Ukraine?

Mit der Frage der Waffenlieferungen ist eng verbunden die Frage, wer diese Waffen wofür einsetzt.

In diesem Krieg ist offenkundig die Ukraine angegriffen worden. Aber für Marxist*innen ist die Frage von Angriff und Verteidigung nicht das entscheidende Kriterium. Vor dem Ersten Weltkrieg war August Bebel einer der wenigen Marxist*innen oder Zentrist*innen (als Zentrist*innen bezeichnen wir Menschen, die in Worten revolutionär und in Taten reformistisch sind), die sich auf dieses Kriterium stützen wollten. (Obwohl er zugab, dass Bismarck ihn beim Deutsch-Französischen Krieg 1870 ein Stück weit hinters Licht geführt hatte, weshalb er und Wilhelm Liebknecht sich damals beim Kriegskredit enthielten, statt mit Nein zu stimmen, bildete er sich ein, dass so etwas in Zukunft nicht gelingen werde, ein Optimismus, den heute wohl niemand teilen würde.)

Aber wenn man von solchen Ausnahmen absieht, waren Marxist*innen sich einig, dass man sich in Kriegen nicht danach positionieren darf, wer den ersten Schuss abgegeben hat, sondern welche Interessen dahinter stecken. Oft wird dabei der Clausewitz-Satz verwendet: Der Krieg ist die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln. Also muss man schauen, welche Politiken die Staaten (d.h. die in ihnen herrschenden Klassen) getrieben haben, ob diese fortschrittlich oder reaktionär war.

Beim gegenwärtigen Krieg ist es eindeutig, dass die Politik der Herrschenden sowohl in Russland als auch in der Ukraine vor dem 24. Februar reaktionär war.

Beides sind kapitalistische Länder, in beiden hat es nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion im Zuge der Restauration des Kapitalismus eine massive Verelendung der Bevölkerung gegeben. In beiden Ländern wird die Wirtschaft von Oligarchen kontrolliert.

Die westlichen Medien stellen jetzt die ukrainische Demokratie der russischen Diktatur gegenüber. Aber in der Ukraine wurden nach dem „Euromaidan“ 2013/14 „Kommunistische“ Parteien und linke Symbole wie Hammer und Sichel verboten. Zehntausende Straßen mit „Kommunismus“-Bezug und 30 Städte wurden umbenannt. (Dafür hat Putin die Ukraine sehr gelobt.) 2015 wurde durch das Gesetz 2538-1 die Organisation Ukrainischer Nationalisten (OUN) und die Ukrainische Aufstandsarmee (UPA), die im Zweiten Weltkrieg mit den Nazis zusammenarbeiteten und Pogrome an der jüdischen und polnischen Bevölkerung verübten zu „Kämpfern für die ukrainische Unabhängigkeit“ erklärt und Kritik an ihnen unter Strafe gestellt. Noch vor kurzem gab es brutale Polizeieinsätze gegen streikende Bergarbeiter*innen. Die Sprache und Kultur der russischsprachigen Bevölkerung wurde immer mehr zurückgedrängt, in der Verwaltung, im Bildungswesen, in den Medien, im Alltag usw., usf. Im Herbst 2020 wurde die „pro-russische“ „Oppositionsplattform – Für das Leben“ in Umfragen stärkste Partei, wenige Monate später wurden die ihr nahestehenden drei Fernsehsender dicht gemacht. Im Dezember 2021 wurden zwei weitere kritische Fernsehsender dicht gemacht.

Selenskyj wurde von Oligarchen wie Rinat Achmetow, dem reichsten Mann des Landes und ein wahres Symbol für die Korruption des Systems, und Oleg Kolomojskyj, dem Besitzer des Fernsehsenders, in dem die Serie lief, die ihn berühmt machte, aufgebaut. 2020 wurde durch die Enthüllungen der Pandora-Papers bekannt, dass er sich über Offshore-Firmen eine Villa in der Toskana im Wert von 3,8 Millionen Euro und Luxusimmobilien in London gekauft hatte. Im Wahlkampf hatte Selenskyj sich als Vorkämpfer gegen die Korruption gegeben.

Die ukrainische Regierung reagierte auf den Krieg mit der Außerkraftsetzung demokratischer Rechte und es gibt keine Garantie, dass sie nach Kriegsende wiederhergestellt werden. Ihr vorläufiger Höhepunkt war am 20. März das (offiziell nur vorübergehende) Verbot der „Oppositionsplattform“ und zehn kleinerer für pro-russisch erklärter Parteien und die Zusammenlegung der Nachrichten-Fernsehsender.

Wie weit der ukrainische Nationalismus und die Hexenjagd-Stimmung gehen, zeigte die ukrainische Filmakademie: Sie entließ ihren Direktor Sergej Loznitsa wegen des Vorwurfs des „Kosmopolitismus“. Loznitsa hatte selbst zu Beginn des Krieges die Europäische Filmakademie verlassen, weil deren Verurteilung des russischen Einmarsches ihm zu zahnlos war. Zugleich lehnte er aber den Boykott russischer Kolleg*innen ab, die „die Verbrechen des Putin-Regimes ablehnen“.

In den letzten acht Jahren gab es ständig bewaffnete Auseinandersetzungen mit den abtrünnigen „Volksrepubliken“ Luhansk und Donezk, wobei 14.000 Menschen getötet, fast 1,5 Millionen vertrieben worden sind. Achtzig Prozent der Geschosse sollen von der ukrainischen Seite abgefeuert worden sein.

Von Verteidiger*innen des Putin-Regimes wird behauptet, dass der ukrainische Staat, der in den letzten Jahren vom Westen aufgerüstet wurde, in den letzten Monaten konkret die gewaltsame Rückeroberung dieser Gebiete vorbereitet habe. Das ist möglich. Ebenso ist möglich, dass die Ukraine, falls sie den aktuellen Krieg gewinnen sollte (weil sie massive Unterstützung durch Waffen, Söldner*innen etc. bekommt, weil die russische Armee demoralisiert ist, weil in Russland Putin durch eine Regierung abgelöst wird, die den Krieg beendet … in einem Krieg ist vieles möglich), versucht, die Volksrepubliken und die Krim zurückzuerobern und die Menschen dort dann ähnliches erleiden müssen wie jetzt die in den von der russischen Armee angegriffenen Teilen der Ukraine. Wenn Achcar schreibt, dass „die Ukraine nicht die Ambition, geschweige denn die Absicht hat, russisches Territorium einzunehmen“ (a.a.O.), dann gilt das nur, wenn man davon ausgeht, dass die Krim die ganze Zeit ukrainisches Territorium geblieben ist.

Die GAM bezeichnet die Ukraine als „Halbkolonie“. Ihrer Meinung nach müssten Marxist*innen für die Verteidigung der Ukraine sein, wenn der Krieg nicht Teil des Konflikts zwischen Russland und dem westlichen Imperialismus wäre. Sie verweisen auf die Haltung, die Lenin 1915 im Ersten Weltkrieg zu Serbien einnahm. Deshalb müssten Marxist*innen im russischen Parlament (wenn es dort welche gäbe) gegen Kriegskredite stimmen, sich im ukrainischen, wie 1914 im serbischen enthalten. (Jürgen Roth, Infomail 1181, 9. März 2022) Bei dieser Aussage stimmen nicht einmal die Fakten. Trotzki schrieb damals („Der Krieg und die Internationale“, Kapitel 1), dass es „keine Veranlassung gibt, unsere Mission mit den Zielen der serbischen Armee zu identifizieren, – und eben diesem Gedanken gaben die serbischen Sozialisten Ljaptschewitsch und Katzlerowitsch in ihrem mannhaften Votum gegen die Kriegskredite Ausdruck.“ In einer Fußnote ergänzte er: Unsere „Freunde Ljaptschewitsch und Katzlerowitsch [haben] in unerschütterlichem Bewusstsein ihrer sozialistischen Pflicht ihrer Regierung das Vertrauen rundweg verweigert.“ Sie setzten damit die Haltung aus dem Balkankrieg 1912 fort. „Der Verfasser dieser Seiten war in Serbien am Anfang des Balkankrieges. In der Skuptschina, in einer Atmosphäre unbeschreiblicher nationaler Begeisterung, stimmte man über die Kriegskredite ab. Die Abstimmung geschah durch Namensaufruf. Auf zweihundert „Ja“ klang durch Grabesruhe ein einziges „Nein“, des Sozialisten Ljaptschewitsch. Alle empfanden die moralische Kraft dieses Protestes, der als eine unvergessliche Erinnerung in unserem Gedächtnis verblieb.“ Die GAM macht aus dem von Trotzki gelobten Nein eine von der GAM gelobte Enthaltung. 1937 gab es eine briefliche Kontroverse zwischen Trotzki und seinem damaligen US-Anhänger Shachtman, weil Trotzki meinte, man müsste im spanischen Parlament gegen den Militärhaushalt stimmen. Das war im spanischen Bürgerkrieg, als die spanische Republik gegen den Faschistenputsch Francos kämpfte. Trotzki war dafür, international für Waffen für Spanien zu kämpfen, aber zugleich im spanischen Parlament durch eine Nein-Stimme deutlich zu machen, dass man keine Vertrauen in die Regierung hat, die Waffen sinnvoll einzusetzen (tatsächlich wurden die Waffen auch gegen linke Kritiker*innen eingesetzt). Was damals in Spanien galt, müsste heute für Trotzkist*innen in der Ukraine erst Recht gelten.

Trotzdem kann man in der Ukraine für ein „positives“ politisches Programm in der Kriegsfrage kämpfen, das einen alternativen Weg des Kampfes gegen den Angriff des russischen Regimes aufzeigt und keine pazifistischen Illusionen verbreitet. Trotzki vertrat im Übergangsprogramm nicht nur die bereits zitierte Forderung nach einer „Volksmiliz“, sondern auch Forderungen wie „Arbeiter*innenkontrolle über die Kriegsindustrie“,Beschlagnahme der Kriegsgewinne“,Enteignung der für den Krieg arbeitenden Betriebe“, „Militärische Ausbildung und Bewaffnung der Arbeiter*innen, Bäuerinnen und Bauern unter der unmittelbaren Kontrolle der Arbeiter*innen-, Bäuerinnen- und Bauernkomitees“, „Schaffung von Militärschulen für die Ausbildung von Offizieren, die aus den Reihen der Arbeiter*innenschaft kommen und von den Arbeiter*innenorganisationen gewählt werden“. Im Sommer 1940, kurz vor seiner Ermordung, hat Trotzki insbesondere die letzten beiden Forderungen zu einem Programm ausgebaut, das er „proletarische Militärpolitik“ nannte. Manche Sektierer*innen hielten das für eine Panikattacke nach der Besetzung Frankreichs durch Nazi-Deutschland und übersahen, dass Trotzki diese Ideen im Kern schon 1938 formuliert hatte. Es handelt sich bei diesen Forderungen um einen Versuch, in einem Krieg, für den es große Unterstützung in der Bevölkerung gibt, der aber von einer reaktionären Regierung geführt wird, eine Brücke zu den Massen zu schlagen und gemeinsam mit ihnen für konkrete Forderungen zu kämpfen … eine Situation, die offenkundig große Übereinstimmung mit der aktuellen Lage in der Ukraine hat.

Trotzkis Übergangsprogramm hatte den Zweck, die Arbeiter*innen mit mobilisierenden Forderungen an die Schwelle der Machtübernahme, der Revolution zu führen. Auch die Umsetzung der Übergangsforderungen im Militärbereich würden den Klassencharakter eines Staates und damit den Klassencharakter des Krieges nicht ändern. 1917 erreicht die russische Februarrevolution eine teilweise Demokratisierung der Armee. Die Bolschewiki erklärten damals, dass das den Charakter des Krieges nicht ändert, dass dafür die Regierung durch eine Räteregierung ersetzt werden muss (was einige Monate später gelang). Zwischen einer solchen Armee und einer kapitalistischen Regierung besteht ein Widerspruch, der in die eine oder andere Richtung aufgelöst werden muss. In Russland versuchte im Sommer 1917 die Regierung, die alte Disziplin wieder herzustellen, bis hin zur Wiedereinführung der Todesstrafe. Auch in der Ukraine würde die Verwirklichung von Übergangsforderungen in Bezug auf die Armee den Charakter der Regierung und des Krieges nicht ändern, aber sie könnte Teil einer Brücke sein hin zu einer Machtübernahme durch die Arbeiter*innen und aller Ausgebeuteten.

Auf jeden Fall hat die Formulierung solcher Forderungen einen ganz anderen Charakter als die Forderung nach einer Unterstützung des „Widerstands“ des ukrainischen Volkes ohne zu spezifizieren, von welchen Organen er durchgeführt werden soll.

Manche Linke, wie der Herausgeber der „Zeitung gegen den Krieg“, Winfried Wolf sprechen sich für eine militärische Kapitulation und „zivilen Widerstand“ aus. Der Gedanke, dass ein Verzicht auf militärischen Widerstand viele Menschenleben gerettet und viel Zerstörung verhindert hätte, ist nachvollziehbar. Doch ein sozialistisches Programm muss an den realen Begebenheiten ansetzen und eine Verbindung zum Bewusstsein in der Arbeiter*innenklasse schlagen. In der gegenwärtigen Situation ist davon auszugehen, dass linke Kräfte, die offen eine Kapitulation fordern würden, als Agent*innen des russischen Aggressors betrachtet würden und mit diesem Programm nicht einmal in den Dialog mit Teilen der Arbeiter*innenklasse treten könnten.

Starke Länder, schwache Länder und der Kriegsverlauf

Verschiedene Organisationen bestimmen den Charakter des Krieges dahingehend, dass ein starkes ein schwaches Land angreift. Mariano Rosa von der MST in der FITU (einer argentinischen trotzkistischen Organisation, die Mitglied der International Socialist League ist), schreibt: „Der Charakter der russischen Invasion als imperialistisches Land (ist) (…) die Aggression eines stärkeren kapitalistischen Landes mit expansionistisch-imperialistischen Bestrebungen gegen ein halbkoloniales Land, das sich in einem Zustand der Unterlegenheit befindet.” (On Imperialisms and National-Trotskyism). Im bereits zitierten Aufruf der IWL-FI (LIT-CI) „For a broad international campaign of support and solidarity with the Ukrainian resistance!“ heißt es: „Deshalb sagen wir, es ist die Aggression einer viel stärkeren Nation (Russland, eine der größten Militärmächte der Welt) gegen eine schwächere, mit dem Ziel, sie zu unterwerfen.“

Alejandro Iturbe von der IWL-FI (LIT-CI) beruft sich dabei auf Lenin: „Für Lenin hingen die Position im Krieg und sein Ausgang nicht von der Art der Führung dieses Kampfes im unterdrückten Land ab, sondern vom Charakter der Länder, die sich bekämpfen.“ (Controversy over the “No to War in Ukraine“ slogan) Tatsächlich beruft er sich nicht wie Lenin auf den Charakter der beteiligten Länder, sondern auf deren Kräfteverhältnis … und das kann sich im Verlauf eines Krieges ändern, zum Beispiel, in dem ein Krieg sich ausdehnt. Trotzki diskutierte 1938 in einer ausführlichen Bilanz das Münchner Abkommen, in dem England, Frankreich und Italien die Tschechoslowakei Hitler auslieferten, auch, was gewesen wäre, wenn die Tschechoslowakei Widerstand geleistet hätte: „Einen oder zwei Monate später würde der tschechisch-deutsche Krieg — wenn die tschechische Bourgeoisie sich hätte schlagen wollen und können — die fast unvermeidliche Intervention der anderen Staaten herausgefordert haben. Darum wäre es für die Marxisten ein Irrtum, ihre Position auf der Grundlage zeitlicher diplomatischer und militärischer Gruppierungen und nicht auf der Basis des allgemeinen Charakters der Kräfte, die hinter diesem Kriege stehen, zu bestimmen.“ (Eine ganz frische Lehre, 10. Oktober 1938) In diesem zu Unrecht weitgehend vergessenen Artikel wendet sich Trotzki auch gegen das Bestreben, sich auf der Grundlage von Mutmaßungen über den Kriegsverlauf zu positionieren: „Es ist absolut klar, dass das Proletariat seine Politik aufbauen muss, indem es von dem gegebenen Kriege ausgeht, so wie er ist, d.h. wie er durch den vorherigen Gang der Entwicklung bedingt ist, und nicht, indem es von hypothetischen Mutmaßungen den möglichen strategischen Ablauf des Krieges ausgeht. Mit solchen Mutmaßungen wird jeder unvermeidlich die Variante wählen, die seinen eigenen Wünschen, seinen eigenen nationalen Sympathien und Antipathien am besten entspricht. Es ist klar, dass eine solche Politik nicht einen marxistischen, sondern einen subjektiven, nicht einen internationalistischen, sondern chauvinistischen Charakter hat.“ Aber genau diesen Fehler begehen Organisationen, die aus der Mutmaßung heraus, dass der Krieg mit der nationalen Unterdrückung der Ukraine enden werde, schon heute die Ukraine als unterdrückte Nation bewerten. So schreibt Achcar zur Rechtfertigung von Waffenlieferungen an die Selenskyj-Regierung: „Die Unterstützung eines gerechten Kampfes gegen nationale Unterdrückung und erst recht gegen ausländische Besatzung muss unabhängig von der Art seiner Führung erfolgen“ (a.a.O. Ebenso argumentierte Iturbe in dem obigen Zitat). Ihnen kommt nicht einmal in den Sinn, dass der Krieg auch mit einer Rückeroberung der Krim und der „Volksrepubliken“ durch die Ukraine, möglicherweise gegen den Willen der örtlichen Bevölkerung und dann mit der Unterdrückung dieser Bevölkerung, enden könnte. Um noch einmal Trotzkis Text zu zitieren: „Man kann einwenden, dass sich Hitler nach der Abtrennung der Sudetendeutschen, der Ungarn, der Polen, und, vielleicht, der Slowaken, nicht genieren werde, die Tschechen selbst in die Sklaverei zurückzuführen, und dass in diesem Falle der Kampf für die nationale Unabhängigkeit alles Recht auf die Unterstützung des Proletariats haben würde. Eine solche Art die Frage zu stellen, ist nichts anderes als ein sozialpatriotischer Sophismus. Welches die weiteren Phasen der Entwicklung der Imperialistischen Antagonismen sein werden, wissen wir nicht. Die vollständige Zermalmung der Tschechoslowakei ist gewiss durchaus möglich. Aber es ist auch möglich, dass, noch ehe diese Zermalmung vollendet ist der europäische Krieg ausbricht, in dem die Tschechoslowakei sich an der Seite der Sieger befinden und an einer neuen Zerstückelung Deutschlands teilnehmen wird. Ist die Rolle der revolutionären Partei etwa die einer Krankenschwester am Lager der vom Imperialismus ‘verkrüppelten’ Gangster?“

Achcar hat zur Begründung seiner Position argumentiert, dass die Ukraine bei einer Niederlage eine Leibeigene Russlands würde, bei einem Sieg aber eine Vasallin des Westens … und eine Vasallin sei doch besser als eine Leibeigene. Auch das ist eine sehr willkürliche Spekulation, auf die man keine Positionierung im Krieg gründen kann. Ob Putin nach einem Sieg eine zwar neutrale, aber in vielen anderen Fragen eigenständige Ukraine zulassen oder ein Marionettenregime errichten würde, hängt von vielen Faktoren ab. Auf der anderen Seite haben NATO und EU gezeigt, dass sie von Ländern, teils von ihren eigenen Mitgliedsländern, mehr als Vasallentreue erwarten können. Man erinnere sich nur an die weitgehende Bevormundung südeuropäischer Länder wie Griechenland während der „Schuldenkrise“.

Faschist*innen in der Ukraine?

Ein außerhalb der Linken fast nicht, aber innerhalb stark diskutiertes Thema ist die Rolle der Faschist*innen in der Ukraine. Putin hat seinen Krieg mit der Entnazifizierung der Ukraine begründet.

Er ist ein Heuchler. Er arbeitet mit Nazis, Ultranationalist*innen etc. in Russland zusammen,

Wladimir Schirinowski von der rechtsradikalen LDPD bekam zahlreiche Auszeichnungen vom Putin-Regime, den Verdienstorden für das Vaterland gleich viermal, erst 4., dann 3., dann 2. und 2021 1. Klasse. Die LDPD bekam 2021 immer noch 7,55 Prozent. Das war zwar deutlich weniger als ihrer großer Erfolg von 1993, aber mehr als ukrainische faschistische Parteien bei Wahlen bekommen.

Putin hat enge Beziehungen zur AfD, zu Le Pen in Frankreich und ihresgleichen in zahlreichen anderen Ländern.

In den letzten Jahren kämpften in der Ostukraine auf beiden Seiten Faschist*innen mit, auf russischer unter anderem serbische Faschist*innen und die Söldner*innentruppe des russischen Nazis Dmitri Utkin, der sich nach dem Komponisten den Kampfnamen „Wagner“ zulegte, weshalb seine Bande „Gruppe Wagner“ heißt.

Die Ukraine ist kein faschistischer Staat, bei Wahlen schnitten faschistische Organisationen schlecht ab, im einstelligen Bereich, allerdings ist eine Unterstützung in der Westukraine teils deutlich höher als in anderen Landesteilen. 2015 erreichte die rechtsextreme Partei Swoboda in vier der 24 (Krim mitgezählt) Bezirke zweistellige Ergebnisse, 2019 in keinem mehr, im Großteil der Ukraine unter zwei Prozent, ähnlich der Rechte Sektor. Anders als zum Beispiel Teile der AfD in Deutschland sind in der Ukraine Faschist*innen nicht mehr im Parlament vertreten. Die auf eine Verständigung mit Russland abzielende „Oppositionsplattform – Für das Leben“ wurde dagegen 2019 mit 13,05 Prozent zweitstärkste Kraft.

Aber der Einfluss faschistischer Organisationen auf die Politik ist wesentlich größer als ihre Stimmergebnisse. Sie konnten der Politik teilweise ihre Agenda diktieren, das Asow-Bataillon und der Rechte Sektor wurden in die bewaffneten Formationen des ukrainischen Staats integriert. Das Asow-Bataillon machte Angriffe auf Linke, Antifaschist*innen, LGBTQ+-Menschen, Roma,

Der Faschist*innenführer der 30er und 40er Jahre Bandera wird als Nationalheld verehrt. „Erst im Dezember 2021 hat Selenskyj einen Vertreter des faschistischen „Rechten Sektors“, Dmytro Kozjubailo, im Parlament zum „Held der Ukraine“ gekürt.

Bei den Präsidentschaftswahlen wurde mit Selenskyj der Kandidat in einem deutlichen Sieg (etwa 73 Prozent) mit dem Versprechen des Kampfes gegen die Korruption und einer Entspannung gegenüber Russland und den „Volksrepubliken“ gewählt. Nach der Wahl machte er in beiden Fragen das genaue Gegenteil. Wie weit die Haltung gegenüber Russland auf Überzeugung oder dem Druck der nationalistischen und faschistischen Kräfte im Staatsapparat und der USA beruhte, darüber kann man spekulieren. Es wird oft auf Selenskyjs jüdische Herkunft verwiesen, aber Schirinowski Vater war auch Jude. Schirinowski ist der Vorsitzender stramm rechten LDPR in Russland.

Diese fehlenden Berührungsängste mit ukrainischen Faschist*innen sind aber nicht auf die ukrainischen Politiker*innen beschränkt. In Deutschland haben unsere bürgerlichen Politiker*innen landauf landab den Querdenker*innen-Protesten vorgehalten, dass man nicht gemeinsam mit Nazis demonstriere. Bei den Euromaidan-Protesten im Winter 2013-2014 hatten sie solche Bedenken nicht. Der heutige Bundespräsident Steinmeier traf sich damals in Kiew mit Faschisten vom Rechten Sektor, besprach sich und machte Gruppenfotos mit ihnen.

Der Imperialismus, insbesondere die USA haben sich gegen linke Kräfte und andere Gegner*innen jahrzehntelang international auf reaktionäre islamistische Kräfte gestützt und tun das teilweise heute noch. Osama bin Laden und Al Kaida sind das beste Beispiel, dass so etwas nach hinten losgehen kann und sie sich dadurch ihr eigenes Frankensteinmonster schafften.

Ähnlich begannen sie nach dem Zweiten Weltkrieg in der ukrainischen Diaspora insbesondere in den USA, Kanada und Deutschland den Faschismus in der Tradition der OUN und der UPA zu fördern. Bis zu seiner Liquidierung durch den sowjetischen Geheimdienst 1959 spielte Bandera selbst in seinem Exil in München eine zentrale Rolle. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion wurde diese faschistische Ideologie dann in die Ukraine zurück exportiert. Der fanatische Hass gegen alles Russische machte diese faschistischen Strömungen zu Verbündeten für den westlichen Imperialismus in ihrem Kampf gegen die russische Konkurrenz. Je nach dem Verlauf der Ereignisse ist es gut möglich, dass auch ukrainische faschistische Organisationen zu ähnlichen Frankensteinmonstern wie Bin Laden & Co. werden können.

Aber meint Putin oder jemand sonst im Ernst, dass der russische Einmarsch im Kampf gegen diese Faschist*innen hilft? Sie können sich in ihrem fanatischen Russenhass bestätigt fühlen. Ukrainer*innen, die in einem verzweifelten Kampf gegen die russische Armee stehen, werden nicht jetzt auf einmal eine Zusammenarbeit mit Faschist*innen ablehnen.

Wir müssen dem gegenüber darauf beharren, dass die weitaus überlegene russische Armee nicht besiegt werden kann, solange deren Kampfmoral nicht untergraben wird. Aber dazu ist ein internationalistischer Klassenappell am besten geeignet und der Russenhass der Faschist*innen am ungeeignetsten. Deshalb ist der politische Bruch mit dem ukrainischen Faschismus im Interesse des wirksamen Kampfes notwendig.

Putins weiteres Argument für den Einmarsch war ein angeblicher „Genozid“. Deutsche „Putin-Versteher*innen“ blasen ins gleiche Horn. „Die Lage spitzte sich seit Anfang Februar 2022 dermaßen zu, dass ein Genozid drohte. Im diesem Moment war eine rote Linie überschritten und Russland hat darauf reagiert.“ (vom Deutschen Freidenker-Verband veröffentlichter Kommentar von Wolfgang Bittner) Tatsächlich gab es seit 2014 schwere Verbrechen gegen die Zivilbevölkerung in der Ostukraine, unter denen die Bewohner*innen der „Volksrepubliken“ besonders litten. Aber das Genozid zu nennen, war genauso eine Übertreibung wie Milošević Verbrechen im Kosova oder Gaddafis versuchte Rückeroberung von Bengasi im libyschen Bürgerkrieg 2011 so zu nennen. Putin hat hier einfach die Kriegspropaganda des westlichen Imperialismus kopiert.

Kampf zwischen Demokratie und Diktatur?

Die Herrschenden im Westen stellen den Krieg als Kampf zwischen Demokratie und Diktatur dar. Russland ist in der Tat eine Diktatur, aber wie beschränkt die Demokratie in der Ukraine ist, haben wir schon gesehen. Trotzdem übernehmen verschiedene Linke diese Gegenüberstellung. „Die Ukraine ist ein unabhängiges Land, das sich eine formale Demokratie bewahrt hat. Russland hat ein autoritäres, repressives parlamentarisches System mit rechtsextremen Abgeordneten in der Duma.“ (Die bereits zitierte Erklärung des Büros der „Vierten Internationale“) Von Leuten, die sich für die Erben Trotzkis halten, ist das besonders verwunderlich, denn Trotzki hat in den späten 1930er Jahren, als die stalinistischen „kommunistischen“ Parteien in Westeuropa Volksfrontbündnisse mit bürgerlichen Parteien anstrebten, einen unermüdlichen Kampf gegen diese Gegenüberstellung geführt.

Eine besonders groteske Aussage hat die erwähnte Internationale Arbeiterliga – Vierte Internationale (spanische Abkürzung LIT-CI, englisch IWL-FI) vollbracht: „Aber was Putin in der Ukraine macht, ist die Reproduzierung der Nazi-Barbarei als ihr Militär die damalige UdSSR und die Ukraine als Teil der Sowjetrepubliken überfiel.“ Die Nazis haben zusätzlich zur Ausrottung der jüdischen Bevölkerung die Russ*innen und Ukrainer*innen als „slawische Untermenschen“ beschimpft und betrieben eine gezielte Ausrottungspolitik, um Platz für deutsche „arische“ Siedler*innen zu schaffen. Putins Verbrechen damit auf eine Stufe zu stellen, ist eine skandalöse Verharmlosung der Nazi-Gräuel.

Völkerrecht?

In einem großen Teil der Verurteilungen des Krieges wird mit seinem völkerrechtswidrigen Charakter argumentiert. Das Völkerrecht, wie es insbesondere in der UN-Charta festgelegt wurde, verurteilt den Angriffskrieg. Aber wie bereits gesagt, ist das für Marxist*innen nicht das entscheidende Kriterium. Als die UNO gegründet wurde, waren fast ganz Afrika und große Teile Asiens (und kleine Gebiete in Lateinamerika) noch Kolonien. Die Staaten, die diese Kolonien ausbeuteten, wurden Mitglieder der UNO (bzw. waren ihre Mitbegründer), die beiden größten Kolonialherren-Staaten – Großbritannien und Frankreich – wurden ständige Mitglieder des Weltsicherheitsrats mit Veto-Recht.

Angriffskriege zur Befreiung dieser Kolonien waren aus UNO-Sicht ebenso völkerrechtswidrig wie der jetzige reaktionäre Krieg des russischen Regimes.

Das Völkerrecht sieht an sich die Gleichberechtigung der Staaten vor. Aber in der Realität gibt es die fünf ständigen Mitglieder des Weltsicherheitsrats mit Vetorecht.

Dass das Verbot von Angriffskriegen nicht so einfach ist, wie es auf den ersten Blick scheinen mag, zeigt ein Beispiel. In den 1970er Jahren hat das Terrorregime der Roten Khmer in Kambodscha in dem kleinen Land ungefähr zwei Millionen Menschen das Leben gekostet. Die Ideologie der dortigen Herrschenden war eine groteske Karikatur des Maoismus, die die städtischen Bevölkerungen vernichten wollte. Bei uns wird manchmal an dieses Regime erinnert, um den Sozialismus zu diskreditieren (der mit ihm natürlich nichts zu tun hatte). Aber als das Nachbarland Vietnam Kambodscha besetzte, die Roten Khmer vertrieb und ein ihnen genehmes Regime einsetzte, war das völkerrechtswidrig. (Vietnam machte das sicher nicht aus Menschenliebe, sondern um einen Faktor der Instabilität an der eigenen Landesgrenze loszuwerden, aber für Kambodscha war es gleichwohl eine Verbesserung … und eine Arbeiter*innenklasse, die eine Revolution hätte anführen können, gab es ja nicht.) Die westlichen imperialistischen Staaten haben in der UNO durchgesetzt, dass der Sturz der Roten Khmer nicht anerkannt wurde, dass diese Verbrecher, die in Thailand im Exil saßen, noch über ein Jahrzehnt die offizielle Vertretung Kambodschas in der UNO blieben

Die Abstraktionen des Völkerrechts sind kein Ersatz dafür, dass wir uns, ausgehend von den Klasseninteressen der Arbeiter*innen, die realen Verhältnisse anschauen.

Selbstbestimmungsrecht?

Besonders deutlich zeigt sich der beschränkte und beschränkende Charakter des Völkerrechts in seinem Widerspruch zum Selbstbestimmungsrechts der Völker.

Das Völkerrecht lehnt Gewalt zwischen Staaten und die Einmischung in die inneren Angelegenheiten anderer Staaten ab. Damit geben sie den Staaten praktisch eine Blanko-Vollmacht, die eigene Bevölkerung zu unterdrücken innerhalb des Rahmens der historisch entstandenen Staatsgrenzen. Das gilt auch für nationale Minderheiten. Teilweise heißt es, dass diese Unterdrückung von nationalen Minderheiten nicht zu weit gehen dürfe.1 Man stelle sich vor, jemand würde sagen, dass eine Frau sich von einem Mann erst dann scheiden lassen dürfe, wenn dessen Gewalt gegen sie ein gewisses Maß übersteigt und würde dann fachsimpeln, ab wann die Grenze erreicht ist: Bei blauen Flecken noch nicht, aber vielleicht bei Platzwunden? Oder doch erst bei Knochenbrüchen? Es ist klar, dass eine solche Haltung nur Ekel und Abscheu auslösen könnte. Aber bei der nationalen Unterdrückung wird eine solche Herangehensweise auch von Leuten geteilt, die sich als links verstehen

Obendrein wird durch eine solche Herangehensweise der Willkür Tür und Tor geöffnet: Bei Kosova oder beim Südsudan war die Unterdrückung so groß, dass sie sich aus Sicht der Herrschenden im Westen lostrennen durften, bei Katalonien oder der Krim ist das nicht der Fall … und das hat natürlich gar nichts damit zu tun, welche Regierungen den Herrschenden genehm sind und welche nicht.

Im Unterschied zu dieser „Völkerrechts“-Position sind Marxist*innen für das Selbstbestimmungsrecht der Völker. Das heißt, dass Völker demokratisch entscheiden können müssen, zu welchem Staatsverband sie gehören. Wie das konkret aussehen kann, zeigte Trotzki 1918 in den Friedensverhandlungen in Brest-Litowsk. Dort setzte er sich dafür ein, dass Gebiete, die sich von Russland lostrennen wollen, darüber in Volksabstimmungen entscheiden, mit demokratischer gesellschaftlicher Debatte, ohne Druck durch auswärtige Besatzungstruppen, mit der Möglichkeit für Geflüchtete, zurückzukehren und teilzunehmen etc.

In Bezug auf die Ukraine stellt sich nicht nur die Frage, ob das Land möglicherweise als Ergebnis des Krieges national unterdrückt sein könnte, sondern es gibt auch eine lange Geschichte der nationalen Unterdrückung. Nationale Unterdrückung kann verschiedene Formen annehmen. Im zaristischen Russland bestand die Unterdrückung für viele Nationalitäten darin, dass sie zahllosen Sondergesetzen unterworfen waren. Für die Ukrainer*innen bestand sie darin, dass eine eigene ukrainische Nationalität geleugnet wurde. An diese schlimme Tradition knüpfte Putin wieder an. Nach der Russischen Revolution wurde das Selbstbestimmungsrecht der Völker anerkannt … aber Völker bestehen eben nicht nur aus Kapitalist*innen und Großgrundbesitzer*innen, die nach der Revolution in Russland ihre Liebe zur Unabhängigkeit von der Revolution entdeckten, sondern überwiegend aus arbeitenden Menschen, die sich gerade wegen der Enteignung der Kapitalist*innen und Großgrundbesitzer*innen zur Russischen Revolution hingezogen fühlten. Auf dieser Grundlage fand der Zusammenschluss verschiedener nationaler Räterepubliken zur Sowjetunion statt. Aber die Isolation der Revolution führte zur Entstehung einer abgehobenen Bürokrat*innenkaste unter Stalin, auf die soziale Revolution von 1917 folgte ein paar Jahre später eine politische Konterrevolution, die die demokratischen Errungenschaften der Revolution zu großen Teilen zerstörte und auch nationale Unterdrückung zurückbrachte. In der Folge war die Entwicklung auch in der nationalen Frage zwiespältig: Auf der einen Seite gab es auf der Grundlage von Wirtschaftswachstum ein Zusammenwachsen der Landesteile und eine kulturelle Entwicklung, auf der anderen Seite die Bevormundung durch Moskau. Je mehr die Bürokrat*innenherrschaft zur Fessel der Entwicklung wurde, desto mehr traten die negativen Seiten in den Vordergrund und 1991 zerfiel die Sowjetunion in ihre Bestandteile und auch die Ukraine wurde wieder unabhängig. Die Restauration des Kapitalismus führte zu einem wirtschaftlichen Absturz, von dem die Ukraine besonders stark betroffen war. Das verschärfte die nationale Frage innerhalb der Ukraine auf verschiedene Weise. Zum einen ist das Schüren von Nationalismus ein altbewährtes Mittel, um von Problemen abzulenken und eine Teile-und-Herrsche-Politik zu betreiben. Zum anderen führt der Konflikt um knappe Ressourcen in einem mehrsprachigen Land zu der Frage, welche Sprache welche Rolle spielt (im Bildungswesen, in der Kultur etc,) Zum dritten führte die Geschichte der Ukraine (der Westen hatte vom Ende des 18. Jahrhunderts bis zum Hitler-Stalin-Pakt zum „Westen“ gehört, erst zu Österreich-Ungarn, dann überwiegend zu Polen, der Osten zur Russland bzw. der Sowjetunion) und die geografische Lage dazu, dass ein Teil des Landes nach Westen zerrte, der andere nach Osten.

Unter diesen Umständen ist eine Ablehnung von nationaler Unterdrückung von Minderheiten innerhalb der Ukraine von großer Bedeutung. Klassisch wurden die entsprechenden Forderungen von Lenin formuliert. Leider weichen immer wieder Organisationen, die sich auf Lenin und Trotzki berufen, davon ab. Z.B. hat die International Socialist Alternative (ISA, in Deutschland Sozialistische Alternative, SAV) einen sehr langen (über 50.000 Zeichen) Artikel von Walter Chambers „The National Question and New Cold War“ veröffentlicht, der ernste Schwächen hat. Er schreibt: „Wir sind gegen jede Einschränkung der Sprachrechte und unterstützen das Recht von Regionen wie Donezk und Luhansk auf Autonomie, wenn die Mehrheit der arbeitenden Bevölkerung dies in einer demokratischen Abstimmung wünscht.“

Die Beschränkung auf die Forderung nach Autonomie, statt – wie es die Position von Lenin war – das Selbstbestimmungsrecht nicht nur als Recht auf Autonomie, sondern auch als Recht auf Lostrennung zu verstehen, ist ein schwerwiegender Fehler, der auch in anderen Dokumenten der ISA nicht korrigiert wird und möglicherweise mit folgender Einschätzung zusammen hängt: „Die ISA sagt: Schon vor dem jetzigen Krieg können unter den Bedingungen des Kapitalismus des 21. Jahrhunderts weder in der Ukraine noch auf der Krim oder in der DNR/LNR die nationalen Rechte oder die Rechte von Minderheiten gewährleistet werden. Im Gegenteil, sie werden konsequent den Interessen des Großkapitals, der korrupten Bürokratie, den Interessen der Militärs, Banditen und Warlords geopfert, und wie jetzt brutal deutlich geworden ist, dem Konflikt zwischen den verschiedenen imperialistischen Mächten.”

Bedeutet diese Einschätzung, dass die Forderung nach dem Recht auf Lostrennung nicht erhoben werden soll? Lenin führte im Ersten Weltkrieg einen Kampf gegen eine Strömung innerhalb der Bolschewiki, die er „imperialistischen Ökonomismus” nannte. Ihre Vertreter*innen argumentierten, dass der Kampf für demokratische politische Forderungen wie das Selbstbestimmungsrecht im Zeitalter des Imperialismus nicht mehr zu verwirklichen sei. Lenin bestritt nicht, dass die Selbstbestimmung stark ausgehöhlt ist, aber die Notwendigkeit demokratischer Forderungen blieb bestehen. Heute ist es richtig, keine Illusionen in nationale Unabhängigkeit auf kapitalistischer Grundlage zu schüren. Deshalb hat das CWI bei Volksabstimmungen in Schottland oder Katalonien für ein sozialistisches Schottland bzw. ein sozialistisches Katalonien als Teil einer freiwilligen Föderation (mit England, Wales und Irland bzw. mit dem Rest des Spanischen Staates) argumentiert. Aber das stand nicht im Widerspruch dazu, für das Recht auf das Durchführen einer Volksabstimmung zu kämpfen (die der spanische Staat Katalonien zu verwehren versuchte und deren Ergebnis er nicht anerkannte) und eine klare Empfehlung zu geben, wo auf dem Stimmzettel das Kreuz gemacht werden soll. Damals waren wir mit der heutigen ISA noch in einer gemeinsamen Organisation und sie haben diese Haltung mitgetragen. Es ist nicht einzusehen, warum das heute in der Ukraine nicht anwendbar sein soll. Wenn Chambers die Ukraine in der nationalen Frage auf eine sozialistische Zukunft vertröstet, dann befindet er sich in der Tradition des „imperialistischen Ökonomismus“ von Bucharin, Pjatakow & Co, nicht in der Tradition Lenins und des CWI. Er schreibt nämlich: „Ein echter, von der Arbeiter*innenklasse geführter Befreiungskampf würde die Rechte aller Nationen und Gruppen auf sein Banner heben. Wenn in einem Land wie der Ukraine die Bewohner einer bestimmten Region ein gewisses Maß an Autonomie oder sogar Unabhängigkeit anstrebten, gäbe es keine wirtschaftlichen oder reaktionären Hindernisse mehr, die dies verhindern würden. So wäre es möglich, eine gütliche und für beide Seiten akzeptable Einigung zu erzielen. In gleicher Weise werden die sprachlichen und kulturellen Rechte nicht nur von Beschränkungen befreit, sondern es werden auch Mittel für die Entwicklung der regionalen und nationalen Kulturen bereitgestellt.”

Es ist deutlich, dass die Volksabstimmungen, die es 2014 auf der Krim und in den „Volksrepubliken“ stattfanden, den oben skizzierten Kriterien Trotzkis, die er bei den Friedensverhandlungen von Brest-Litwosk vorbrachte, nicht entsprachen. Trotzdem kann man insbesondere bei der Krim davon ausgehen, dass unter demokratischen Bedingungen die Mehrheit für eine Lostrennung von der Ukraine und den Anschluss an Russland zwar deutlich kleiner gewesen wäre, es aber trotzdem eine Mehrheit gewesen wäre. Deshalb lehnen wir es ab, diese Entscheidungen unter Berufungen auf das Völkerrecht nicht zu akzeptieren.

Aber das Eintreten für das Selbstbestimmungsrecht beinhaltet auch den Schutz von Minderheitenrechten, einschließlich von Gruppen, die durch eine solche Lostrennung von einer Mehrheit zu einer Minderheit geworden sind (wie z.B. Ukrainer*innen durch die Lostrennung der Krim von der Ukraine).

Außerdem beinhaltet das Selbstbestimmungsrecht selbstverständlich das Recht, eine neue Volksabstimmung unter demokratischen Bedingungen durchzuführen, wenn relevante Teil der Bevölkerung mit dem Ergebnis unzufrieden sind. Das gilt für die Krim, wo es eine Mehrheit für die Lostrennung von der Ukraine gab, ebenso wie für Schottland, wo es eine Mehrheit gegen die Lostrennung von Großbritannien gab.

Für Marxist*innen ist das Selbstbestimmungsrecht ein wichtiges demokratisches Recht, das bedeutet aber nicht, dass es absolut wäre. Insbesondere bedeutet die Unterstützung des Selbstbestimmungsrechts nicht die Unterstützung von allen denkbaren Methoden, mit denen man für das Selbstbestimmungsrecht kämpfen kann. Lenin trat sein Leben lang für das Selbstbestimmungsrecht Polens bis hin zur Lostrennung von Russland ein und hatte deshalb z.B. mehrere Debatten mit Rosa Luxemburg. Trotzdem schrieb er 1916: Polens „Unabhängigkeit ist jetzt ohne Kriege oder Revolutionen „undurchführbar”. Einzig und allein um der Wiederaufrichtung Polens willen für einen europäischen Krieg sein – das hieße ein Nationalist schlimmster Sorte sein, die Interessen der kleinen Anzahl von Polen höher stellen als die Interessen von Hunderten Millionen Menschen, die durch den Krieg leiden.“ (Die Ergebnisse der Diskussion über die Selbstbestimmung, Lenin Werke, Band 22, S. 326-368, hier S. 358)

Was damals für die Schaffung eines unabhängigen polnischen Staates galt, gilt jetzt für die Ukraine. Wer auf dem Weg eines europäischen oder Weltkrieges zu erreichen sucht, dass diese Grenzen nicht verschoben werden, ist ein „Nationalist schlimmster Sorte“. Das würde selbst dann gelten, wenn Putin tatsächlich vorhätte, die Ukraine zu „schlucken“.

Flugverbotszone?

Wir lehnen die Forderung nach einer Flugverbotszone ab. Wenn Menschen das fordern, denen oder deren Angehörigen die Bomben auf den Kopf fallen, dann ist das verständlich.

Aber wer soll das durchsetzen? Die Ukraine? Die macht das ohnehin, so gut sie kann. Die Schweiz? Sicher nicht. Also die NATO-Staaten. Das würde eine direkte militärische Konfrontation der NATO mit Russland bedeuten, wie soll man das anders nennen als Dritten Weltkrieg? Wir wollen denen, die das fordern, mal unterstellen, dass sie hoffen, dass die Beteiligten sich auf konventionelle Waffen beschränken, aber wer will riskieren, dass so ein Krieg weiter eskaliert?

Was wäre passiert, wenn Russland 1999 während des Jugoslawienkrieges oder 2001 während des Afghanistankrieges oder 2003 während des Irakkrieges versucht hätte, eine Flugverbotszone gegen die USA und ihre Verbündeten durchzusetzen? Dann wären wohl die meisten von uns längst tot und die jüngeren von uns wären nie geboren worden.

Deshalb ist es ein Skandal, wenn das ND das verharmlost. In dem Demonstrationsbericht vom 13. 3.22 „Erneut gehen in Berlin Zehntausende gegen den Krieg in der Ukraine auf die Straße“ werden gleich zwei Demoteilnehmer*innen zitiert, die das fordern, auch wenn gesagt wird, dass der Demoaufruf das ausdrücklich nicht forderte.

In einem Kommentar „Im Zwiespalt“ von Ulrike Wagener heißt es dann weiter: „Eine No-Fly-Zone käme einem Kriegsbeitritt der Nato gefährlich nahe. Doch was ist die Alternative? Eine Antwort auf diese Frage ist nicht leicht zu finden.“ Von „gefährlich nahe“ zu schreiben ist eine haarsträubende Untertreibung. Und die Antwort, was eine Alternative wäre, ist nicht schwer, sondern leicht. Fast alles andere wäre besser.

Weiter heißt es: „Ein Großteil der Linken in Osteuropa beantwortet das ganz klar mit Nein. Sie fordern die Schließung des Luftraums (…) ein Antikriegsbündnis kann den Standpunkt der Betroffenen nicht ignorieren, genauso wie im Kontext von häuslicher Gewalt, Rassismus und Kolonialismus nicht auf Stimmen der Betroffenen verzichtet werden kann.” Der kleine Unterschied ist, dass die Betroffenen von häuslicher Gewalt, Rassismus und Kolonialismus nicht als Gegenmaßnahme einen dritten Weltkrieg zu fordern pflegen.

Die NATO

Auch von vielen ehrlichen Linken hörte man zu Beginn des Krieges sinngemäß: „Wir wissen natürlich, was die NATO auf dem Kerbholz hat, aber jetzt ist nicht die Zeit, sie zu kritisieren.“

Diese Einstellung ist aus mehreren Gründen falsch.

Eine der erfreulichsten Entwicklungen nach dem 24. Februar war die trotz der massiven Repression beeindruckend starke und mutige Antikriegsbewegung in Russland. Diese Menschen werden von den Herrschenden dort in die NATO-Ecke gestellt, die den Eindruck erwecken, es gebe nur zwei Seiten. Wenn Linke im Westen in diesen Zeiten auf Kritik an der Nato verzichten, dann leisten sie genau dieser Vorstellung Vorschub.

Auch aus Solidarität mit den Protesten in Russland haben wir die Verantwortung, deutlich zu machen, dass es nicht nur zwei Lager gibt, dass man zugleich gegen die russische Regierung und gegen die NATO sein kann, sondern einen Klassenstandpunkt einnehmen kann, der die Arbeiter*innenklasse beider Staaten als „drittes Lager“ versteht.

Ein weiterer Grund ist, dass die Herrschenden im Westen gerade nicht sagen: „Jetzt ist nicht die Zeit.“ Sie sagen im Gegenteil: Jetzt ist die Zeit, Pflöcke einzurammen, Fakten zu schaffen. Wenn wir unsere Kritik an der NATO jetzt herunterschlucken würden, wäre das später nicht mehr gutzumachen.

Es ist nicht überraschend, dass kapitalistische Staaten, die sich von Russland bedroht fühlen, wie die Ukraine selbst, eine Aufnahme in die Nato fordern, aber können Linke das unterstützen?

Die NATO ist ein aggressives Militärbündnis, eine Bedrohung für andere Länder. Die NATO ist auch kein Hort der Demokratie nach innen, Gründungsmitglied Portugal war bis 1974 eine Diktatur, in der Türkei (Mitglied seit 1952) gab es wiederholt Militärputsche. Wie undemokratisch die Erdogan-Regierung ist, sollte bekannt sein. Zwischen den NATO-Ländern Griechenland und Türkei gibt es seit Jahrzehnten ein Wettrüsten. In den letzten Jahren haben die „Flüchtlingskrise“ und Erdgasfunde im östlichen Mittelmeerraum die Spannungen weiter ansteigen lassen.

Die Konflikte in der NATO (und in der EU) sind durch den Krieg in der Ukraine in den Hintergrund getreten. Aber das ist nicht von Dauer. Die verschiedenen Länder sind unterschiedlich betroffen. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass die Haltung der USA gegenüber Russland in den letzten Jahren auch damit zusammenhing, insbesondere die deutsche Konkurrenz zu schwächen, die engere Beziehungen zu Russland hatte. 2003, zur Zeit des Irakkriegs, stellte der damalige US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld ein schlechtes altes Europa (das sich nicht direkt am Krieg beteiligte … obwohl es in Wirklichkeit entscheidende logistische Hilfe leistete) und ein gutes neues Europa (die Mittel-Ost-Europäischen Länder) einander gegenüber. Länder wie Polen und Ungarn haben sich seitdem nicht als Vorzeigedemokratien erwiesen.

Nach der Weltwirtschaftskrise 2007-2009 gab es heftige Konflikte in der EU. Der Ukrainekrieg wird ebenfalls schwere wirtschaftliche Probleme nach sich ziehen. Solche Wirtschaftskrisen werden auch erneut zu Konflikten innerhalb der NATO und innerhalb der EU führen.

Die Rolle, die die USA und die NATO international spielen, führt dazu, dass sie in großen Teilen des Nahen Ostens, Afrikas, Asiens und Lateinamerikas ganz anders gesehen werden als in Osteuropa. In Lateinamerika hat nur Kolumbien eine institutionelle Beziehung zur NATO. Und Kolumbien ist einer der undemokratischsten Staaten Lateinamerikas, in dem rechte Paramilitärs und die Armee die Bevölkerung terrorisieren, linke Aktivist*innen, Gewerkschafter*innen etc. ermorden etc. Für die Präsidentschaftswahlen im Mai liegt gerade der linke Kandidat Petro vorn. Es ist zu hoffen, dass er gewinnt und dann auch in Kolumbien NATO-kritischere Zeiten anbrechen.

Es ist auch keineswegs gesagt, dass die NATO-Euphorie in der Ukraine anhält. Sie kann dem Gefühl Platz machen, von der NATO verheizt zu werden, da die NATO bis zu den letzten … ukrainischen Soldat*innen kämpft, um Russland zu schwächen.

Egal wie der Krieg ausgeht – und selbst wenn danach die Grenzen der Ukraine anders aussehen – die geografische Lage der Ukraine wird sich nicht ändern. Ebenso wenig wird sich ändern, dass die Ukraine kulturelle und (zumindest mittelfristig, denn alles andere wäre verheerend) auch wirtschaftliche Verbindungen nach Ost und West hat.

1912-13 wurden Kriege auf dem Balkan geführt. Trotzki ging damals als Korrespondent für eine Kiewer Zeitung auf den Balkan. Er schrieb nicht nur über Kriegsereignisse, sondern auch über die Politik. Eines der Merkmale war damals, dass das Parteiensystem vieler Balkanländer nicht nach Klasseninteressen, sondern nach der außenpolitischen Orientierung gespalten war, in eine pro-österreichische und eine pro-russische Partei. Erinnert das nicht an das Parteiensystem und die politischen Konflikte in der Ukraine in den letzten dreißig Jahren? Die Antwort der kleinen sozialistischen Parteien der Balkanländer war damals die Forderung nach einer demokratischen Föderation der Balkanländer. Später entwickelte Trotzki die Idee weiter zur Idee einer sozialistischen Föderation Europas.

Sozialist*innen würden in eine gefährliche Sackgasse geraten, wenn sie meinen würden, die Alternative sei entweder die EU der Banken und Konzerne oder Nationalstaaten. Tatsächlich hat die EU gezeigt, dass sie die Nationalstaaten nicht überwinden kann und die künftigen Krisen der EU werden das noch viel deutlicher zeigen.

Der Einmarsch der russischen Armee weckt tiefen Hass in Teilen der ukrainischen Bevölkerung gegen alles Russische. Aber sieben Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg gründeten die jahrhundertelangen „Erbfeinde“ (West-)Deutschland und Frankreich mit anderen Staaten die Vorläufer der EU. Das war natürlich mit vielen Widersprüchen beladen, weil es auf kapitalistischer Grundlage stattfand und auch als Bollwerk gegen die Sowjetunion und den „Ostblock“ dienen sollte. Aber das zeigt, dass nationaler Hass nicht das Ende der Geschichte zu sein braucht. Die Größe der Antikriegsproteste in Russland zeigen, wie viel Abscheu es dort gegen den Krieg in der Ukraine gibt. Und auch wenn man Putins Leugnung der Existenz einer ukrainischen Nation selbstverständlich zurückweisen muss, gibt es doch enge verwandtschaftliche, kulturelle u.a. Verbindungen zwischen beiden Völkern. Die zitierten Wahlergebnisse in der Ukraine zeigen, dass vor dem Krieg ein ausgesprochener Russenhass auch alles andere als ein Massenphänomen war. Je nachdem, welche Rolle die mutigen russischen Antikriegsproteste weiter spielen werden, wird sich das Verhältnis zwischen Russland und Ukraine in der nächsten Zeit entwickeln.

Auch wenn der Name „Ukraine“ sinngemäß Grenzland bedeutet, hat das Land weder als Grenzland des russischen Imperialismus gegen den Westen noch als Grenzland des westlichen Imperialismus gegen Russland eine rosige Zukunft, sondern nur im Herzen eines sozialistischen Europas einschließlich Russlands.

Russlands Sicherheitsinteressen?

Auch wenn die Zahl der „Putinversteher*innen“ seit dem 24. Februar stark ausgedünnt ist, gibt es doch weiterhin Leute auf der Linken, die den russischen Krieg in der Ukraine als defensive Maßnahme darstellen (so auch der zitierte Idler) oder sogar rechtfertigen (letztere zum Beispiel im Umfeld des „Deutschen Freidenker-Verbandes“, der Name ist nicht ironisch gemeint). Dort wurde z.B. eine Stellungnahme der „Gesellschaft zur rechtlichen und humanitären Unterstützung“ (ein Verein ehemaliger DDR-Bürger*innen, die wegen ihrer Rolle in der DDR – z.B. als Grenzbeamt*innen, Spion*innen etc. – Probleme nach der „Wiedervereinigung“ hatten) veröffentlicht, die in dem Satz gipfelt: „Wir erklären uns solidarisch mit Russland und seinem Präsidenten.“

Auch die DKP fordert weiterhin, russische Sicherheitsinteressen zu berücksichtigen, obwohl sie zugeben müssen, „dass sich beim kapitalistischen Russland staatliche und nationale Interessen, mit denen der dort herrschenden Kapitalist*innenklasse vermischen und überlagern.“ (Erklärung des Sekretariats des Parteivorstands der Deutschen Kommunistischen Partei (DKP) vom 4. März 2022) Eine Partei, die sich kommunistisch nennt, sollte eigentlich wissen, wessen Interessen dann unter dem Strich den Ton angeben, nämlich die der Kapitalist*innenklasse.

Und da, wie gesagt, der Kapitalismus auf Profitmaximierung beruht, sind die Sicherheitsinteressen eines kapitalistischen Staates im Prinzip unbegrenzt. Am 4. Dezember 2002 sagte der damalige Verteidigungsminister Struck (SPD) über den Afghanistan-Krieg (den er ebenso wenig Krieg nannte, wie Putin den Ukrainekrieg): „Die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland wird auch am Hindukusch verteidigt.“ Unter Sicherheit verstehen solche Politiker*innen die Profitinteressen des deutschen Kapitals. Und der russische Imperialismus wird seine „Sicherheitsinteressen“ ebenso überall auf der Welt verteidigen, wenn er sich stark genug fühlt, wenn das Kosten-Nutzen-Verhältnis zu stimmen scheint.

Womöglich hätte dieser Krieg vermieden werden können, wenn die NATO oder die Ukraine nachgiebiger gegenüber den russischen Forderungen gewesen wären. Aber dann wäre nur das Spiegelbildliche zu dem passiert, was nach 1990 passierte. Damals war Russland aus Schwäche nachgiebig gegenüber der NATO und die NATO schob sich immer weiter nach Osten. Wenn ein imperialistisches Russland stark genug wäre, würde es seinen Einfluss ebenso nach Westen ausdehnen. Wenn andere Länder den russischen Forderungen nachgeben würden, würden die Forderungen früher oder später hochgeschraubt werden, so wie es NATO-Staaten immer wieder vorexerziert haben. Wenn man einem imperialistisches Land den Finger gibt, will es die ganze Hand.

Deshalb machen Menschen mit der Vorstellung, man könnte einen fairen Ausgleich zwischen den russischen, ukrainischen und „westlichen“ Sicherheitsinteressen finden, die Rechnung ohne den Wirt – die kapitalistische Profitmaximierung. Wenn auf beiden Seiten konkurrierende imperialistische Staaten stehen, dann ist jeder Ausgleich zwischen ihnen nur vorübergehend. Neue technische, politische, wirtschaftliche u.a. Entwicklungen können das Kräfteverhältnis zwischen ihnen verschieben. In den gegenwärtigen Krisenzeiten ist der Kapitalismus erst recht instabil. Jede Seite, die sich stark genug wähnt, wird ihren Einflussbereich ausdehnen. Wenn sich Linke einbilden, dass ihre Rolle in diesem instabilen System darin bestehen könne, dass sie das Gleichgewicht bewahren helfen, indem sie immer die jeweils schwächere Seite unterstützen und die stärkere unter Druck setzen, dann unterschätzen sie die Instabilität des Kapitalismus gewaltig.

Zum Beispiel fordert DIE LINKE, wie auch die DKP, ein „System der kollektiven Sicherheit“. Dieses System müsste immer wieder neu austariert werden. Das mag einmal, zweimal oder dreimal gut gehen. Aber wenn es ein einziges Mal schief geht, sind die Folgen verheerend.

Das gilt erst recht, weil wir nicht nur auf Europa schauen dürfen. Weltweit erleben wir den Niedergang des US-Imperialismus, der diesen Niedergang nicht freiwillig akzeptieren, sondern auch mit Gewalt versuchen wird, ihn zu verhindern. Auf der anderen Seite ist der Aufstieg Chinas. In der Vergangenheit sind solche internationalen Machtverschiebungen nie ohne Kriege abgegangen. Die einzige dauerhafte Lösung besteht in der Überwindung dieses kapitalistischen Systems. Dass die DKP, die sich „Kommunistische Partei“ nennt, in ihrem Kampf gegen den Krieg nicht die Brücke schlägt zur Notwendigkeit der Überwindung des Kapitalismus, den Sozialismus in die Sonntagsreden verbannt, ist ein großes Versäumnis.

Bis wir die sozialistische Lösung erreicht haben, besteht die Aufgabe von Linken in allen beteiligten Ländern nicht darin, die eigene Seite im Rüstungswettlauf zu unterstützen, sondern darin, in allen beteiligten Ländern diese Aufrüstung zu bekämpfen, die kapitalistischen Ursachen von Kriegen und Militarismus zu erklären und eine sozialistische Alternative aufzuzeigen.

Wenn Putin auf die Gewalt gegen die russischsprachige Bevölkerung in der Ostukraine verweist, dann übertreibt er nicht nur, wenn er von Genozid spricht. Wenn er gleichzeitig russische Menschen als Soldat*innen in den Tod schickt oder als Demonstrant*innen von der Polizei misshandeln lässt, zeigt das seine Heuchelei. Wenn er russischsprachigen Menschen etwas Gutes tun wollte, hätte er außerhalb der Ostukraine, im eigenen Land genug Möglichkeiten. Und damit würde er indirekt auch den Menschen in der Ostukraine helfen, anders als er es jetzt tut.

Reiner Rupp behauptet in einem auf der Website des erwähnten Freidenker-Verbandes veröffentlichten Artikel (Washingtons „Großes Spiel“, 11. März), dass die Ukraine an Atom- und biologischen Waffen arbeiten wollte. Ziel der russischen Militäroperation (er nennt sie nicht Krieg) sei „die Unterbindung der Entwicklung von Massenvernichtungswaffen“. Er verweist auf eine Befragung der stellvertretenden US-Außenministerin Victoria Nuland durch den Senator Rubio am 8. März, wo die Sorgen äußerte, dass jetzt Russland Zugriff auf biologische Labore in der Ukraine bekommen könne, was ja kein Grund zur Sorge wäre, wenn da harmlose Forschung stattfände. („Die Ukraine hat biologische Forschungskapazitäten, deren bezüglich wir gerade sehr besorgt sind, dass Russland sie unter Kontrolle bekommen könnte“, nachzulesen auf der Website dieses erzreaktionären Senators). Außerdem verweist er darauf, dass Selenskyj auf der Münchner Sicherheitskonferenz sagte, dass sich die Ukraine von den Verpflichtungen des Budapester Abkommens von 1994 befreie, auf dem die Ukraine als Gegenleistung für die Sicherung ihrer territorialen Integrität durch Russland auf Atomwaffen verzichtete.

Linke haben immer wieder darauf hingewiesen, dass die USA, wenn sie missliebige Länder angreifen, bei den potenziellen Opfern solcher Angriffe den Gedanken erzeugen können, sich Massenvernichtungswaffen zuzulegen, um gegen solche Angriffe abschrecken zu können. Dieser Mechanismus funktioniert natürlich ebenso, wenn es sich nicht um die USA, sondern um Russland handelt. Aber selbst wenn es im Fall der Ukraine so gewesen wäre. Was nützt es, ein Land an der Entwicklung solcher Waffen zu hindern, mit Methoden, durch die zehn Länder zu den Schluss kommen, dass sie sich solche Waffen zulegen müssen, um vor einem russischem Angriff geschützt zu sein?

Neuer kalter Krieg?

Die Internationale Sozialistische Alternative (ISA), zu der in Deutschland die SAV gehört, spricht von einem „neuen kalten Krieg“. Sie sagen, dass der alte kalte Krieg ein Systemgegensatz von Kapitalismus und Stalinismus war, während jetzt auf beiden Seiten kapitalistisch-imperialistische Länder stehen.

Dieser Begriff wird von anderen Linken auch gelegentlich verwendet, aber von der ISA besonders häufig.

Uns scheint er nicht hilfreich. Was bedeutet der Unterschied zum „alten“, also zum richtigen Kalten Krieg. Dass der Gegensatz nicht so groß ist, weil er kein Systemgegensatz ist? Oder dass der Gegensatz explosiver ist, weil auf beiden Seiten aggressive, expansive imperialistische Länder stehen?

Letzteres entspricht mehr der Realität. Die Sowjetunion hatte nach dem Zweiten Weltkrieg Puffer um sich errichtet, um sich nach dem Überfall Nazideutschlands vor einer Wiederholung zu sichern. Auf der Konferenz in Jalta wurde die Welt aufgeteilt und die Sowjetunion versuchte danach, diese Aufteilung einzuhalten. Sie hielt „kommunistische“ Massenparteien in Frankreich und Italien von dem Sturz des Kapitalismus ab. Wenn antiimperialistische Regime in Ägypten Ende der 1960er Jahre oder Nicaragua in den 80er Jahren mit der Idee der Errichtung eines stalinistischen Systems nach sowjetischem Vorbild flirteten, wurden sie aus Moskau gestoppt. Anders war es nur, wenn die sowjetische Führung vor vollendete Tatsachen gestellt wurde, z.B. von Kuba nach der Revolution von 1959 oder 1978 in Afghanistan. Dann konnte sich die Sowjetunion aus Prestigegründen oder aus Angst vor Destabilisierung oder vor islamischem Fundamentalismus gezwungen sehen, einzugreifen (wie in Afghanistan 1979).

Aber dass die Sowjetunion in Afghanistan außerhalb ihres unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg entstandenen Machtbereichs direkt militärisch eingriff, war eine Ausnahme. Und in diesem Krieg unterstützten die USA den Kampf der Mudschaheddin in Afghanistan viel zögerlicher, als sie jetzt die Ukraine unterstützen. Das ging so weit, dass dies nach Möglichkeit sowjetische Waffen lieferten, damit die Mudschaheddin so tun konnten, als hätten sie diese Waffen nicht geliefert bekommen, sondern im Kampf erbeutet. Der angebliche neue kalte Krieg ist in der Ukraine schon viel heißer geworden, als es der alte jemals war.

Organisationen, die anders als die ISA oder wir nicht verstehen, dass vor 1989/1991 in Osteuropa und der Sowjetunion der Kapitalismus beseitigt war und danach wieder eingeführt wurde, können der geänderte Lage noch weniger gerecht werden. Diese Staaten waren vorher Übergangsgesellschaften zwischen Kapitalismus und Sozialismus (deformierte oder degenerierte Arbeiter*innenstaaten, volkstümlich „Stalinismus“ genannt). Das heißt, das Privateigentum an den wichtigen Produktionsmitteln (Fabriken, Grund und Boden etc.) war abgeschafft, es gab eine geplante Wirtschaft. Das war kein Sozialismus, sondern eine von einer privilegierten Bürokrat*innenkaste verwaltete Mangelwirtschaft. Aber es war eben auch kein Kapitalismus, dessen Triebkraft die Profitmaximierung ist, und damit auch kein Imperialismus.

Ein Beispiel für die Eiertänze, falsche Theorien, dass die Sowjetunion kapitalistisch gewesen sei, mit der Realität unter einen Hut zu bringen, ist die MLPD. Laut ihr war die Sowjetunion unter Stalin sozialistisch, bis dann unter Chruschtschow das Unglück hereinbrach: „Ausgehend vom XX. Parteitag in der Sowjetunion 1956 übernahm die zentrale Bürokratie in der Partei-, Staats- und Wirtschaftsführung unter Führung Chruschtschows als kollektiver und staatsmonopolistischer Gesamtkapitalist die Rolle der herrschenden Klasse.“ (Stefan Engel, Der neuimperialistische Wiederaufstieg Russlands) Danach sei dann Russland „sozialimperialistisch“ gewesen.

Noch skurriler ist es aber, dass ausgerechnet die MLPD ihren guten Stalin und ihren bösen Chruschtschow verwechselt. Die Erklärung des Zentralkomitees der MLPD vom 22. Februar beschäftigt sich mit der Rede Putins zur „Anerkennung“ der beiden „Volksrepubliken“. Dort heißt es: „Er beklagte in seiner Rede am 21. Februar 2022, dass „Lenin“ und das „kommunistische Russland“ für das Selbstbestimmungsrecht der Ukraine eintraten und Stalin das Gebiet der Ukraine noch vergrößert habe.“ Tatsächlich war es Chruschtschow, der 1954 die Krim der Ukraine zugeschlagen hat, was Putin auch historisch richtig sagte. Stalin war bekanntlich 1953 gestorben. Aber wahrscheinlich war es der MLPD peinlich, dass Putin auf die Differenzen zwischen Lenin und Stalin hinwies und Stalin für sein Abweichen von Lenin lobte.

Die MLPD nimmt immerhin einen Unterschied zwischen der Sowjetunion und dem heutigen Russland wahr und versucht ihn, in ihre Theorie einzubauen, indem sie frühen „Sozialimperialismus“ und späten „Neuimperialismus“ gegenüberstellt. „Neuimperialistische Länder wie Russland und China handeln besonders aggressiv, um den USA ihre Rolle streitig zu machen.“ (Engel, a.a.O.) Aber wenn man die Aggressivität, die dem Imperialismus insgesamt eigen ist, nur einer besonderen Spielart des Imperialismus zuordnet, verharmlost man den Imperialismus insgesamt.

Noch merkwürdiger als die MLPD ist aber Sergio Garcías Versuch (von der argentinischen MST), einen richtigen Gedanken mit einem falschen Argument zu verteidigen. Um die These zu untermauern, dass Russland heute imperialistisch sei, verweist er darauf, dass alle anderen vier ständigen Mitglieder des Weltsicherheitsrats mit Vetorecht es ja auch sind. Er vergisst dabei, was er als Trotzkist eigentlich wissen sollte, dass die Sowjetunion und China jahrzehntelang stalinistisch, also weder kapitalistisch noch imperialistisch waren, aber trotzdem ein Vetorecht hatten (“Debates regarding Putin and Russian imperialism“).

Droht ein dritter Weltkrieg?

Richtig ist aber, dass der Niedergang der USA und der Aufstieg Chinas die Kriegsgefahr erhöht. In der Vergangenheit ist die Ablösung einer Hegemonialmacht durch eine andere nie ohne Kriege vonstatten gegangen. Aber in der Vergangenheit gab es auch keine Atomwaffen. Sie schaffen insofern eine andere Lage, weil der Zweck des Kapitalismus ja eben die Auspressung der Arbeiter*innen zur Profitmaximierung ist, nicht ihre radioaktive „Versaftung“.

Manche Linke übersehen das. So behauptete Stefan Engel (MLPD) am 28. 2. auf einer Montagsdemonstration: „die aktive Vorbereitung eines III. Weltkriegs. Ein solcher Weltkrieg – man braucht sich keine Illusionen machen – läuft nicht atomwaffenfrei, chemiewaffenfrei oder frei von biologischen Waffen. Längst haben sie sehr zielgenaue, kleinere Atomwaffen entwickelt. Wenn einer die Gesetzmäßigkeiten eines Kriegs etwas kennt, dann weiß er, dass keiner einfach nachgibt, sondern immer versucht, den Krieg für sich zu entscheiden, indem er noch mehr nachlegt, noch stärkere Waffen einsetzt. Wir kennen das aus beiden Weltkriegen, die das letzte Jahrhundert bestimmt haben. Wir stehen in einer akuten Gefahr des Weltkriegs, wenige Meter davor.“

Die Debatte über die Lieferung polnischer MiG an die Ukraine und eine Flugverbotszone bzw. deren Ablehnung zeigt, dass sich die Herrschenden im Westen durchaus dieser Gefahr bewusst sind.

Wahrscheinlich waren Putins unverhüllte Drohungen mit den russischen Atomwaffen dazu gar nicht notwendig. Auch wenn „aktiv“ eines der Lieblingsworte der MLPD ist – sie fordern häufig „aktiven Widerstand“ gegen dies und das, das klingt schön kämpferisch und ist zugleich unkonkret –, ist gegenwärtig die Realität, dass die Herrschenden aktiv eine solche Eskalation zu verhindern versuchen. Etwas ganz anderes ist, ob sie das dauerhaft schaffen. Konflikte haben ihre Eigendynamik und können außer Kontrolle geraten.

Und die Widersprüche im Kapitalismus spitzen sich zu. Deshalb können wir uns keineswegs darauf ausruhen, dass die Kapitalist*innen kein Interesse daran haben, die Arbeiter*innenklasse zu vernichten, wie das Alan Woods (International Marxist Tendency, in Deutschland „Funke“) in einem Artikel (The Ukrainian conflict: is this the start of World War III? 28. Februar) macht.

Vor dem Ersten Weltkrieg argumentierten Sozialist*innen, dass die Angst vor den revolutionären Folgen eines Weltkrieges die Herrschenden vor einem Krieg zurückhielt. Tatsächlich konnten vor 1914 mehrere internationale Krisen ohne Weltkrieg gelöst werden. Aber 1914 war es mit der Zurückhaltung vorbei … und 1917/18 zeigte sich, dass die Angst der Herrschenden vor den revolutionären Folgen von Kriegen berechtigt war. In Russland wurde der Kapitalismus gestürzt, in Deutschland, Österreich und anderen Ländern wurde der Kapitalismus nur mit Hilfe der Sozialdemokratie gerettet. Auch heute ist es richtig, dass die Angst vor den Folgen eines Atomkriegs die Herrschenden immer wieder am Rand des Abgrunds zurückschaudern lassen wird, so wie 1905-1913 in mehreren Marokkokrisen und Balkankrisen die Eskalation zu einem Weltkrieg vermieden werden konnte. Aber ein einzelner außer Kontrolle geratener Konflikt kann einer zu viel sein. Und der Kapitalismus ist ein so irrationales System, dass er letztlich seine eigenen Grundlagen zerstört. Letztlich macht er den Planeten unbewohnbar, wenn er nicht rechtzeitig gestoppt wird, ob durch Klimakrise oder durch Krieg.

Verhandlungen

Die größten Teile der Antikriegsbewegung hoffen auf Verhandlungen. Das ist verständlich. Es scheint der schnellste Weg, den Schrecken des Krieges zu beenden. Aber Verhandlungen und sogar Abkommen (insbesondere Minsk I und Minsk II) hat es in den letzten Jahren gegeben … und sie haben den Krieg nicht verhindern können. Wenn imperialistische Kriege am Verhandlungstisch enden, ist das Ergebnis eben ein imperialistischer Friede, der keines der grundlegenden Probleme löst. Er kann allenfalls eine Atempause bieten, die wir nutzen müssen, um uns zu organisieren und linke und sozialistische Kräfte zu stärken.

Auf der anderen Seite schrieb Alan Woods in dem bereits erwähnten Artikel:

„Das Ergebnis der Verhandlungen wird daher ein völliges Scheitern sein. Die Frage wird – das war von Anfang an klar – nicht durch Verhandlungen, sondern auf dem Schlachtfeld entschieden werden. Und dort werden sich die Ukrainer hoffnungslos unterlegen fühlen.“ (Alan Woods, The Ukrainian conflict: is this the start of World War III? 28. 2. 22) Inzwischen hat es sich gezeigt, dass die militärische Überlegenheit Russlands doch nicht so erdrückend ist. Es sieht eher nach einem langen Krieg oder doch einem imperialistischen Frieden aus, der nichts löst.

Es ist einseitig zu sagen, dass der Krieg nur durch Bewegungen von unten enden könne, wie das manche Organisationen tun: „Der Krieg wird nicht aufhören durch den Druck, durch Verhandlungen. Er wird nur aufhören, wenn das Volk aufsteht, das Volk in den betroffenen Ländern, in aller erster Linie in Russland, aber auch hier.“ (Stefan Engel, MLPD, 28. 2.)

„Aber dieser Krieg wird nicht durch Aufrufe zur „Diplomatie“ oder zu Maßnahmen von Gremien wie der UNO gestoppt werden, die für die Imperialist*innen ein Feigenblatt sind, um ihre Manöver zu verschleiern. Der Krieg wird nur durch die massive und kraftvolle Mobilisierung der Arbeiterklasse und der Jugend, die überall auf der Welt auf die Straße gehen, und durch eine revolutionäre, internationalistische und klassenunabhängige Politik gestoppt werden, die die kapitalistischen und imperialistischen Interessen der beteiligten Mächte und ihrer Regierungen in Frage stellt.“ (Internationale Revolutionäre Linke, Stoppt den imperialistischen Krieg in der Ukraine, NATO raus, Putins Truppen raus! 24. Februar 2022)

Trotzdem sind solche Proteste von unten die fortschrittliche Alternative. Gerade die russische Geschichte bringt wichtige Beispiele, dass Kriege durch Revolutionen beendet werden können. Das geschah mit dem russisch-japanischen Krieg 1904-1905. Und 1917 führte die russische Oktoberrevolution dazu, dass Russland aus dem Ersten Weltkrieg ausstieg.

Aber angesichts der Schwäche der Linken international und in Russland kann die Vorstellung einer Revolution unerreichbar scheinen. Aber das Beispiel des Vietnamkriegs in den USA zeigt, dass Massenproteste auch deutlich unterhalb der Schwelle der Revolution einen wichtigen Beitrag dazu leisten können, dass die Herrschenden eines Landes einen reaktionären Krieg abbrechen.

Defätismus

Manche Minigruppen fordern, dass Revolutionär*innen sich zum Defätismus bekennen müssen, also dass man eine Niederlage anstreben müsse, für eine oder beide beteiligten Seiten, je nachdem. Organisationen, die das nicht fordern, werden dann als opportunistisch etc. beschimpft

Was würde eine Niederlage Russlands heißen? Dass die ukrainische Armee Moskau besetzt? Wohl nicht. Sondern, dass das Putin-Regime seinen Krieg abbrechen muss, ohne seine Ziele zu erreichen. Und genau das fordern wir. Was würde einer Niederlage der Nato gleichkommen? Dass die Nato-Osterweiterung zurückgenommen wird, dass die Nato aufgelöst wird. Und genau das fordern wir. Wenn die ukrainischen Arbeiter*innen sich im Kampf gegen die russischen Truppen nicht der Selenskyj-Regierung unterordnen oder in faschistische Formationen einordnen, sondern unabhängige Arbeiter*innenmilizen bilden, die einen Klassenappell an russischen Arbeiter*innen richten, sich nicht zur Unterdrückung der russischsprachigen Bevölkerung der Ostukraine missbrauchen lassen und mit den ukrainischen Oligarch*innen abrechnen, dann wäre auch eine erfolgreiche Verteidigung der Ukraine eine Niederlage für Selenskyj.

Lenin hat in einzelnen Texten im Ersten Weltkrieg die Parole der Niederlage sehr entschieden vertreten. Das diente vor allem dazu, um nach der Kapitulation der überwältigenden Mehrheit der internationalen Arbeiter*innenbewegung vor ihren jeweiligen herrschenden Klassen eine zugespitzte Gegenposition zu beziehen. Aber als 1915 in Zimmerwald die internationale Vernetzung der Kriegsgegner*innen begann und Lenin die linkesten Kräfte in Zimmerwald, die dann Zimmerwalder Linke genannt wurden, zusammenbrachte, versuchte er nicht einmal, diese entschiedenen Formulierungen innerhalb der Zimmerwalder Linken durchzusetzen.

Nach der Rückkehr nach Russland zu Beginn der Revolution modifizierte er seine Position noch mehr. In einer Rede am 11. Juli 1921 sagte er im Rückblick: „Am Anfang des Krieges hatten wir Bolschewiki nur eine Losung: Bürgerkrieg – und zwar unerbittlich. Wir haben jeden als Verräter gebrandmarkt, der nicht den Bürgerkrieg predigte. Aber als wir im März 1917 nach Russland zurückkamen, da trat in unserer Haltung eine vollständige Änderung ein. Als wir nach Russland kamen und mit den Bauern und Arbeitern sprachen, sahen wir, dass sie alle für die Landesverteidigung sind. Aber selbstverständlich in ganz anderem Sinne als die Menschewisten, und wir konnten diese schlichten Arbeiter und Bauern doch nicht Schufte und Verräter schimpfen. Wir nannten das „gewissenhafte Landesverteidigung”. […] Unsere erste Haltung am Anfang des Krieges war richtig, da galt es, einen klaren, entschlossenen Kern zu bilden. Die spätere Haltung war auch richtig, da galt es, die Massen zu gewinnen.“ (Lenin Werke, Ergänzungsband 2, S. 333)

Als Trotzki 1934 die Thesen der Internationalen Linken Opposition zur Kriegsfrage formulierte, übernahm er zwar den Begriff Revolutionärer Defätismus, gab ihm aber eine abgeschwächte Bedeutung: „Lenins Formel: „die Niederlage das kleinere Übel“ bedeutet nicht, dass die Niederlage des eigenen Landes das kleinere Übel sei im Vergleich mit der Niederlage des gegnerischen Landes, sondern dass die durch die Entwicklung der revolutionären Bewegung verursachte militärische Niederlage für das Proletariat und das gesamte Volk unvergleichlich vorteilhafter ist als der durch den „Burgfrieden“ gesicherte militärische Sieg.“

Lösung Sozialismus

Alle Vorschläge, die auf eine Verständigung zwischen den Kriegsparteien setzen oder den russischen oder Nato-Imperialismus unterstützen, sind bestenfalls hilflos. Eine dauerhafte Lösung gibt es auf kapitalistischer Grundlage nicht, im Gegenteil, die Krisen verschärfen einander gegenseitig.

Das ist unser Problem, das die Gegenwehr behindert: Die Aufgabe erscheint so gigantisch groß!

Auf der anderen Seite zwingt die Tiefe der Krise zum Kämpfen, z.B. die Folgen eines Krieges zwischen dem größten und dem fünftgrößten Getreideexporteur der Welt (29% des Weizens, 19% des Mais, 80% des Sonnenblumenöls) für Afrika und den Nahen Osten und andere Regionen. Außerdem sind Russland und Belarus zentrale Düngerproduzenten. Je nachdem, wie sich der Krieg entwickelt, können die indirekten Opfer in Form von weltweiten Hungertoten noch schrecklicher sein als die direkten Opfer.

Aber 2011 trugen gestiegene Nahrungsmittelpreise zum arabischen Frühling bei, vor wenigen Wochen führten gestiegene Treibstoffpreise zu den Massenprotesten in Kasachstan.

Wenn die direkten und indirekten Folgen des Krieges zu Massenprotesten zu sozialen Fragen in verschiedenen Ländern führen, wird der politische Wind für unsere sozialistischen Ideen wesentlich günstiger werden.

Allerdings können Hungersnöte auch zu reaktionären ethnischen Konflikten und Kriegen führen. Auf keinen Fall können Sozialist*innen sich darauf zurückziehen, dass das politische Pendel einmal wieder mehr in unsere Richtung schwingen wird. Wir müssen aufklären, organisieren.

Wir haben nicht nur ein sozialistisches Ziel, sondern unser Eintreten für eine unabhängige Klassenposition und für Arbeiter*inneneinheit ist auch für die nächsten Schritte bedeutsam, wie dieser Artikel versucht hat zu zeigen.

1“Jedenfalls bei Vorliegen schwerwiegender Verletzungen von Menschen- und Minderheitenrechten kann von einem äußeren Recht auf Sezession ausgegangen werden.[10] Diese Schwelle ist weder in Bezug auf Katalonien, noch auf die Krim erreicht worden, sodass Ihnen völkerrechtlich gesehen kein Recht auf Sezession zusteht.[11]” (Wikipedia-Eintrag “Völkerrecht” mit Quellenangaben, https://de.wikipedia.org/wiki/V%C3%B6lkerrecht)

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