Vorwand für Hetze

Polizeistatistik und rassistische Kampagne

Das Bundeskriminalamt (BKA) veröffentlicht jährlich die Polizeiliche Kriminalstatistik, in der die angezeigten Straftaten in Deutschland dargestellt werden.

Ob diejenigenBeschuldigtenauch von einem Gericht verurteilt wurden, steht auf einem anderen Blatt – ebenso wie die Fälle, die gar nicht angezeigt wurden. Die Veröffentlichung dieser Statistik ist daher unseriös und dient den Herrschenden zur Stimmungsmache.

von Torsten Sting, Rostock

Die Berichterstattung konzentrierte sich zum einen darauf, dass die angezeigten Gewaltdelikte um 8,6 Prozent zugenommen hätten. Des weiteren habe es bei minderjährigen Tatverdächtigen einen Zuwachs um 17 Prozent gegeben. Hier wurde der überproportionale Anteil von männlichen Heranwachsenden ohne deutschen Pass betont. Während der Zuwachs der Tatverdächtigen im Alter von 14 bis 18 Jahren mit deutscher Staatsangehörigkeit bei einem Prozent lag, waren es bei Nichtdeutschen 31 Prozent. „Zahlen lügen nicht“, ist ein geflügeltes Wort. Diese müssen jedoch interpretiert und eingeordnet werden, das ist durchaus politisch.

Was steckt hinter den Zahlen?

Es gab während der Corona-Pandemie einen deutlichen Rückgang von Straftaten. Durch die weitgehenden Einschränkungen waren die Menschen viel mehr zu Hause. Dies machte etwa einen Einbruch unwahrscheinlicher, weil das Risiko erwischt zu werden, groß war. Persönliche Begegnungen außerhalb der eigenen vier Wände fanden weniger statt, somit gab es weniger Anzeigen wegen körperlicher Gewalt.

Durch den Zuzug von vielen Menschen aus der Ukraine infolge des Krieges und einer höheren Anzahl von Asylsuchenden wuchs zu Beginn des Jahres 2023 die Bevölkerung in Deutschland um über eine Millionen Personen gegenüber dem Vorjahreszeitraum. Mehr Menschen führen im Regelfall zu einer steigenden Zahl von Straftaten. Das sollte auch dem BKA einleuchten.

Während die Zahl der deutschen Staatsangehörigen etwa gleich bleib, stieg also Zahl und damit der Anteil der Nichtdeutschen an der Gesamtbevölkerung. Das bei den Zugewanderten in absoluten Zahlen die Zuwächse der Beschuldigtenhöher sind als bei den Deutschen, ist da kaum verwunderlich. Auch das BKA muss zugeben, dass dieser Umstand die Zahlen verzerrt. Setzt man die Zahlen ins Verhältnis zum gestiegenen Anteil an der Gesamtbevölkerung, dann ist bei den Gewaltdelikten, der Anstieg der Nichtdeutschen mit 1,2 Prozent geringer als bei Deutschen mit 2,2 Prozent. Die „Süddeutsche Zeitung“ fasst das wie folgt zusammen: „Mit anderen Worten: Die Nichtdeutschen sind im vergangenen Jahr nicht wesentlich auffälliger geworden, sondern vor allem mehr.“

Verzerrte Statistik

Es gibt zudem einige Faktoren, die die Statistik zu Lasten von Nichtdeutschen beeinflussen. Rassistische Vorurteile spielen hierbei eine Rolle. Schon vor einigen Jahren meinte der Kriminologe Christian Pfeiffer: „Deutsche haben ein Privileg. Sie haben das niedrigste Risiko angezeigt zu werden.“

Bestimmte Straftaten können nur von Zuwandernden begangen werden. Deutsche werden zum Beispiel wohl eher selten einen „illegalen“ Grenzübertritt begehen.

Bei Geflüchteten aus dem arabischen Raum ist der Anteil von jungen Männern groß. Dieser Personenkreis gehört klassisch zu den Hauptbeteiligten an Gewaltdelikten.

Migrant*innen haben zudem traumatische Erfahrungen mit Kriegen, Armut und Flucht erlebt. Sehr beengte Massenunterkünfte mit wenig Privatsphäre und die Unsicherheit, ob man in Deutschland bleiben kann, steigern die Wahrscheinlichkeit von Gewaltausbrüchen, die häufig andere Nichtdeutsche trifft.

Politische Kampagne

Der bayrische Innenminister Joachim Herrmann (CSU) meinte, dass sich „eine hohe illegale Zuwanderung negativ auf die Sicherheitslage auswirkt“. Niedersachsens Innenministerin Daniela Behrens (SPD) forderte die „konsequente Rückführung“ von Zuwander*innen, die sich einer Straftat schuldig gemacht haben. Somit wird die Polizeiliche Kriminalitätsstatistik für die Zuspitzung der rassistischen Kampagne genutzt, die schon lange läuft.

Die etablierten Parteien und ihre pro-kapitalistische Politik produzieren unsichere Verhältnisse für Millionen. Kriminalität, Drogenmissbrauch und Gewalt sind das Produkt einer Gesellschaft, die in vielen Stadtteilen und Gegenden von Armut, Wohnungslosigkeit, Zukunftsängsten und Behörden- oder Polizeischikanen geprägt ist. Als es Silvester 2022/2023 zum Beispiel zu Krawallen in Berlin-Neukölln kam, gab es eine rassistisch aufgeladene Debatte über gewaltbereite Jugendliche. Doch was hat sich seit dem getan? Senat und Bezirk setzen Haushaltskürzungen um, welche u.a. eine Neuköllner Musikschule oder Hilfsangebote für Obdachlose und Drogenabhängige bedrohen. Diese Politik ist ein Rezept für mehr Gewalt und Kriminalität.

Gemeinsam kämpfen

Die kapitalistische Gesellschaft produziert Krisen und Probleme am laufenden Band. Daher ist es kein Wunder, dass die Gewalt in der Gesellschaft perspektivisch steigt. Die Welt um uns herum wird unsicherer. Da ist es für die Herrschenden ein gefundenes Fressen mit Statistiken, dieses Gefühl zu verstärken und in rassistische Bahnen zu lenken. Die Arbeiter*innenklasse darf sich nicht entzweien lassen und muss gemeinsam für günstige Mieten, höhere Löhne und gleiche Rechte für alle hier lebenden Menschen kämpfen.