Der Ukraine-Krieg, die Trump-Wahl und der Sturz des Assad-Regimes

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Zu den aktuellen Entwicklungen in der Ukraine und im Nahen Osten

Es ist oft ein Paradox des Krieges, dass Bodenkämpfe zunehmen, wenn sich das Ende in der Ferne abzeichnet. Mit der Wahl von Donald Trump ins Weiße Haus hat der Krieg in der Ukraine, der seit mehr als 1.000 Tagen andauert, erheblich an Schärfe gewonnen. Trump hat angekündigt, dass er beabsichtige, den Krieg „innerhalb von 24 Stunden“ zu beenden. Ungeachtet Trumps Großspurigkeit betrachten beide Konfliktparteien seine Machtübernahme als einen Weckruf, nun zu versuchen, vor Verhandlungen oder einem Waffenstillstand so viele territoriale Vorteile wie möglich zu erlangen.

Der scheidende US-Präsident, „Genozid-Joe“, hat den Forderungen des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj nachgegeben und den Einsatz von Atacms-Langstreckenraketen gegen Ziele in Russland erlaubt. Das Regime von Selenskyj zögerte nicht lange, die Waffen im Norden der Region Kursk einzusetzen, wo ukrainische Streitkräfte etwa 600 km² russisches Territorium besetzen.

Es überrascht nicht, dass der russische Präsident Wladimir Putin wütend auf den Einsatz dieser und anderer von der britischen Regierung gelieferter Raketen reagierte. Putin erklärte, dies habe zu „einer neuen Spirale der Spannungen“ geführt. Das russische Militär startete einen „experimentellen“ Raketenangriff auf Ziele in der Ukraine und Hunderte von Drohnenangriffen auf Energieanlagen und andere Ziele.

Putin kündigte außerdem die „Senkung der Schwelle für den Einsatz von Atomwaffen“ durch Russland an. Im Westen wird spekuliert, dass das Putin-Regime neben dem Säbelrasseln mit Atomwaffen auch den Huthi-Truppen im Jemen militärische Hilfe leisten wird, die verheerende Auswirkungen auf die internationale Schifffahrt haben könnte.

Nach Putins Invasion in der Ukraine im Februar 2022 entwickelte sich der Krieg zu einem Zermürbungskrieg mit einer mehr als 1.000 km langen Frontlinie, die sich von der südlichen Region Cherson bis nach Charkiw im Nordosten der Ukraine erstreckt. In den letzten Monaten verliefen die Kämpfe vor Ort jedoch zugunsten von Putins Regime. „Die russischen Streitkräfte erzielen auf dem Schlachtfeld so rasche Gewinne wie seit 2022 nicht mehr“, kommentierte die Financial Times (28.11.2024). Das Regime von Präsident Selenskyj hat fast 20 Prozent des ukrainischen Staatsgebiets und Zehntausende Soldaten verloren (westlichen Politiker*innen und Medien zufolge hat Russland weitaus mehr Truppen verloren, nämlich bis zu 100.000, aber diese Zahlen sind nicht unabhängig überprüfbar). Russland hat seit August mehr als 1.200 km² in der Ukraine erobert, was doppelt so viel ist wie das Gebiet, das die Truppen Kiews in der russischen Region Kursk halten.

Obwohl ukrainische Truppen im vergangenen August Teile der russischen Region Kursk eroberten, befinden sie sich seit Oktober auf dem Rückzug und verlieren in Kursk stetig an Boden an Russland. Selenskyjs riskanter Schachzug im August ging auch auf Kosten des Verlusts von Territorium in der östlichen ukrainischen Region Donezk an Russland.

Die Kontrolle über Kursk an Russland abzutreten, wäre ein schwerer Rückschlag für Selenskyj, da er damit ein wertvolles Druckmittel für künftige Verhandlungen verlieren würde. Militärexpert*innen sagen, dass Selenskyj, der einer größeren und besser ausgerüsteten russischen Armee gegenübersteht, in erster Linie versuchen wird, die Position der Ukraine im Osten zu stärken und ihre Verteidigung zu stabilisieren, falls er von Trump zu Verhandlungen mit Putin gezwungen wird.

Selbst westliche Medien mussten über eine weit verbreitete Demoralisierung unter ukrainischen Soldat*innen berichten, wobei es auch zu Desertionen kam. Viele Zivilist*innen versuchen, der Einberufung zu entgehen, und es gibt Berichte über Zwangsrekrutierungen. Immer mehr Menschen in der Ukraine fordern Verhandlungen, um den Konflikt zu beenden. Die Zeiten des patriotischen Fieberwahns und der Kriegsbegeisterung sind lange vorbei.

Es überrascht nicht, dass Putin es nicht eilig hat, Friedensgespräche aufzunehmen, da er im Moment im Vorteil ist. Er fordert, dass er nur dann in Gespräche eintritt, wenn die Ukraine die russische Besetzung von vier ukrainischen Regionen akzeptiert.

Syrien

Die russische Armee ist jedoch auch an ihre Grenzen gestoßen, wie die jüngste Intervention in Syrien und die gescheiterten Versuche, das inzwischen abgesetzte Regime von Baschar al-Assad zu stützen, zeigen. Das verhasste Regime der Assad-Dynastie, das seit 1970 an der Macht ist, ist zusammengebrochen, was bei Teilen der syrischen Bevölkerung Jubel auslöste. Die rechte islamistische Gruppe Hayat Tahrir al-Sham (HTS), die von der Syrischen Nationalarmee (unterstützt vom NATO-Mitglied Türkei) und ehemaligen Mitgliedern der vom Westen unterstützten Freien Syrischen Armee unterstützt wurde, fegte durch Syrien, da sie die Gelegenheit sah, gegen das geschwächte und korrupte Assad-Regime vorzugehen, während seine wichtigsten Verbündeten, Russland, Iran und Hisbollah, durch den Ukraine-Krieg und die Konflikte in Gaza und im Libanon gebunden waren.

In der ersten Zeit nach Assads Sturz, teilweise aufgrund des Wunsches der Massen von unten, sprachen sogar Vertreter von HTS von der Verteidigung der Rechte von Minderheiten und erklärten ihren Sieg zum „Sieg der großen syrischen Revolution nach dreizehn Jahren Geduld und Opferbereitschaft“.

Die arbeitenden Massen in Syrien können jedoch kein Vertrauen in HTS und andere reaktionäre Kräfte haben, die Assad gestürzt haben. Um eine neue Runde konfessioneller und ethnischer Konflikte erfolgreich zu durchbrechen, müssen einheitliche, überkonfessionelle Verteidigungskomitees gebildet werden, um Arbeiter*innen, Arme und andere vor Angriffen von allen Seiten zu schützen. Um wirklich das Ende von Diktaturen, Armut und Konflikten zu erreichen, ist eine Regierung aus Vertreter*innen der Arbeiter*innen und Armen erforderlich, die bereit ist, mit allen imperialistischen Mächten zu brechen.

Obwohl berichtet wird, dass sowohl Russland als auch der Iran in den letzten Monaten das Vertrauen in das Assad-Regime verloren haben, ist der Sturz des Regimes in Damaskus immer noch ein schwerer Schlag für ihre Interessen in der Region. Der Verlust der russischen Stützpunkte im Land würde die Reichweite der russischen Armee in der Region und im Mittelmeerraum ernsthaft untergraben. Donald Trump behauptete in den sozialen Medien, dass der Sturz von Assad ein Rückschlag für Russland sei und Putin nun Gespräche aufnehmen müsse, um den Krieg in der Ukraine zu beenden.

Es bleibt abzuwarten, was in den nächsten Tagen, Wochen und Monaten in Syrien geschehen wird. Kann eine „Übergangsregierung“ angesichts derkonfessionellen und ethnischen Spaltungen und konkurrierenden Milizen zusammenhalten? Das russische Militär könnte gezwungen sein, erneut einzugreifen, um die Interessen Moskaus zu verteidigen, und der Ukraine wertvolle Ressourcen zu entziehen.

Die Folgen des Ukraine-Krieges

Der Ukraine-Konflikt hat Folgen für die gesamte Region und weltweit, die mit den Folgen der Kämpfe im Gaza-Streifen und im Libanon zusammenwirken. In den letzten Jahren haben die Militärausgaben in den USA, Europa, Russland und China erheblich zugenommen. Der Ukraine-Konflikt hat diesen Prozess nur beschleunigt. Während die Arbeiter*innenklasse in ganz Europa und international unter der Krise der Lebenshaltungskosten leidet, werden obszöne Summen für Waffen ausgegeben.

Der Ukraine-Krieg überschattet auch die Politik der Region. Die jüngsten Wahlen und Referenden in Georgien und Moldawien, wo es bedeutende russischsprachige Minderheiten gibt, haben zu einer starken Polarisierung und zu Straßenschlachten geführt. In Rumänien kam es kürzlich in der ersten Runde der Präsidentschaftswahlen zu dem überraschenden Wahlsieg eines populistischen Nationalisten und vermeintlichen Pro-Putin-Politikers.

Obwohl Russland mit Sanktionen des Westens konfrontiert ist, hat die russische Wirtschaft neue Handelsbeziehungen zu China, Iran, Nordkorea und anderen Ländern geknüpft. Russland ist zu einer „Kriegswirtschaft“ geworden, mit Fabriken und einer Produktion, die auf die Kriegsanstrengungen zugeschnitten sind.

Mit dem Amtsantritt von Trump wird Selenskyj wahrscheinlich unter großem Druck stehen, ein Ende des Konflikts auszuhandeln. Gleichzeitig wird Selenskyj von ukrainischen Nationalist*innen, darunter auch rechtsextremen Elementen, unter Druck gesetzt werden, kein Stück ukrainischen Territoriums an Russland abzutreten. Es ist nicht ausgeschlossen, dass Selenskyj aus dem Amt entfernt wird, damit die Ukraine sich mit Russland an den Verhandlungstisch setzen kann.

Durch den Druck des Weißen Hauses unter Trump ist es möglich, dass in den nächsten Monaten eine Verhandlungsvereinbarung zwischen den beiden Seiten erzielt werden kann. Dies ist jedoch nicht sicher, da Kriege ihre eigene Dynamik haben. Ein Waffenstillstand kann auch ohne formelle Verhandlungsvereinbarung zustande kommen. Dies könnte zu einem weiteren sogenannten „eingefrorenen Konflikt“ in der Region werden, bei dem das Ausmaß der Kämpfe zumindest für eine gewisse Zeit abnimmt.

Einige westliche Politiker*innen schlagen vor, dass die europäischen Mächte die Ukraine weiterhin mit Waffen und Finanzmitteln für den Krieg ausstatten sollten, falls Trump Kiew seine Unterstützung entziehen sollte. Dies setzt jedoch voraus, dass sich die europäischen Großmächte auf eine solche Politik einigen, und das zu einer Zeit, in der sich Deutschland und Frankreich in einer wirtschaftlichen und politischen Krise befinden, und mit enormen finanziellen und militärischen Kosten für die EU und das Vereinigte Königreich. Und die Fortsetzung eines Krieges gegen Russland wäre ohne die hochmoderne Militärhilfe der USA, der stärksten Militärmacht der Welt, nicht möglich.

Es kann keine langfristige Lösung für Krieg, Spaltung und Armut in der Ukraine und in Russland auf der Grundlage des Kapitalismus geben – der Herrschaft der Oligarch*innen, die nationale und ethnische Spaltungen ausnutzen, um Rivalen zu bekämpfen, und unter Einmischung externer Mächte, die die Ukraine als Spielball in ihren geostrategischen Überlegungen benutzen.

Sozialistische Alternative

Für die Arbeiter*innenklasse der Ukraine und Russlands besteht der einzige Ausweg aus diesem Horror darin, zu den Idealen der Bolschewiki und der sozialistischen Oktoberrevolution von 1917 zurückzukehren. Nur so kann wirklich dauerhafter Frieden und Wohlstand erreicht werden. Dazu müssen zunächst Massenorganisationen der Arbeiter*innenklasse aufgebaut werden, wie unabhängige Gewerkschaften und Massenparteien der Arbeiter*innenklasse, die mit einer mutigen sozialistischen Politik den Oligarch*innen und der Herrschaft von Putin und Selenskyj entgegentreten.

Die Analyse und Herangehensweise des Komitees für eine Arbeiter*inneninternationale (CWI) an den Krieg in der Ukraine wurde durch die Ereignisse bestätigt. Das CWI ist nicht in die Falle getappt, Putin oder Selenskyj zu bejubeln. Einige Linke zogen den Trugschluss, dass Putins Russland eine Art fortschrittliche Herrschaft darstellen müsse oder dass Selenskyj einen militärischen Kampf führe, der mit dem Kampf gegen Francos Truppen in Spanien in den 1930er Jahren vergleichbar sei.

An der Herrschaft Putins und seiner Oligarch*innenfreunde ist rein gar nichts fortschrittlich. Sie vertreten die Interessen der reichen Elite, die im Gegensatz zu denen der Arbeiter*innenklasse und aller Minderheiten stehen.

Tatsächlich griff Putin bei seinem Angriff auf die Ukraine im Februar 2022 in einer langen, ausschweifenden Rede die Bolschewiki und insbesondere Lenin an, weil sie angeblich eine künstliche ukrainische Nation geschaffen hätten. In Wirklichkeit verstand Lenin, dass der Weg, die unterdrückten Nationalitäten für die sozialistische Revolution zu gewinnen, darin bestand, ihr Recht auf Selbstbestimmung zu garantieren, und zwar bis hin zur Abspaltung, wenn dies der Wunsch der unterdrückten Nationen war.

Die Ukraine wurde eine Republik innerhalb der Sowjetunion der Arbeiter*innen. Unter der Herrschaft Stalins und der großrussischen chauvinistischen Bürokratie wurden die Prinzipien Lenins und der Bolschewiki jedoch mit Füßen getreten. Anstelle einer sozialistischen Föderation, der die Nationen auf der Grundlage echter Gleichheit freiwillig beitreten, entstand die monströse, von der russischen Bürokratie dominierte Diktatur der UdSSR.

Heute ist es für Sozialist*innen und Marxist*innen notwendig, die Invasion der Ukraine durch Putins Streitkräfte zu verurteilen. Seit Beginn des Krieges hat das CWI das Recht der Ukrainer*innen auf Souveränität und auf Widerstand gegen ausländische Besatzung unterstützt und sich dafür eingesetzt, dass dies von Arbeiter*innen auf demokratische Weise organisiert wird, und einen Klassenappell an die russischen Truppen gerichtet. Das CWI hat das reaktionäre Selenskyj-Regime, das wie Putins Regime auf der Herrschaft des Kapitalismus und der Oligarch*innen basiert, nie auch nur im Geringsten unterstützt. Selenskyj hat den Krieg unter Verwendung rechter, ukrainisch-nationalistischer Propaganda und einer bürgerlichen, hierarchischen Armee, die rechtsextreme Elemente umfasst, im Bündnis mit dem westlichen Imperialismus geführt.

Gleichzeitig müssen Marxist*innen die Gefühle und Forderungen der Menschen auf der Krim und der ethnischen Russ*innen in der Donbass-Region und anderen Teilen der Ostukraine berücksichtigen. Auch sie haben das Recht, nicht unter den Zwang eines ukrainisch-nationalistischen, rechten Regimes wie dem von Selenskyj gestellt zu werden. Wir unterstützen das Recht der Menschen in diesen Gebieten, ihre Zukunft auf wirklich demokratische Weise und frei von jeglicher Einmischung externer Mächte zu bestimmen.

Es wird nicht einfach oder unkompliziert sein, die Arbeiter*innenklasse der Ukraine, Russlands und der Region für ein sozialistisches Programm zu gewinnen. Aber die „Alternative“ im Rahmen der kapitalistischen Restauration spielt sich vor unseren Augen wie ein dystopischer Film ab – Kriege, ethnische Spaltungen, Armut und eine diktatorische rechtsgerichtete Herrschaft.