Streik im Norden

Interview mit einem Beschäftigten der Rostocker Straßenbahn AG (RSAG)

Seit Jahresbeginn befindet sich ver.di in einer harten Tarifauseinandersetzung in Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern. Mehrere Streiks begleiteten bislang die Verhandlungen für den Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV). In Rostock haben Sol-Mitglieder mit den Kolleginnen und Kollegen bei den Streikposten gesprochen und Vorschläge für den weiteren Kampf vorgebracht. „Solidarität“ sprach mit Pierre Prühs, Bus-und Straßenbahnfahrer der Rostocker Straßenbahn AG (RSAG).

Um was geht es bei der Tarifrunde? Was sind die Forderungen von ver.di?

In dieser Tarifrunde geht es um die Erhöhung der Stundenlöhne um 2,06 Euro und einen Angleichungsbetrag von 100 Euro zu den Lohntabellen der Betriebe des ÖPNV im TV-N (Tarifvertrag für den Nahverkehr, Anmerkung der Redaktion) Schleswig-Holstein.

Wie sind die Arbeitsbedingungen bei euch?

Die Arbeitsbedingungen sind bei uns, so wie im gesamten ÖPNV Gewerbe, gekennzeichnet durch Wechselschicht und Sonn- und Feiertagsarbeit. Hinzukommen geteilte Dienste und Arbeitsbeginne oder -ende früh am Morgen bzw. spät in der Nacht und das Ganze an verschieden Anfangs-und Endorten.

Was ist deine Einschätzung wie es weitergeht?

Ich denke, dass die Arbeitgeber uns in den weiteren Verhandlungsrunden noch weiter entgegen kommen werden. Geht man bei der derzeitigen Klimadiskussion von einem weiteren Wachstum und dem damit verbundenen Ausbau des ÖPNV aus, wird es schwer junge Leute für den Nachwuchs zu gewinnen. Die vorgenannten Arbeitsbedingungen lassen sich in dieser Branche nur schwer verbessern, deswegen kann auch ein anständiges Gehalt gut motivieren.

Ihr habt jetzt drei Warnstreiks gemacht. Zwei davon ganztägig. Wie wurde der Streik von den Fahrgästen aufgenommen? Habt ihr auch Solidarität erfahren?

Als wir in der Hamburger Straße als Streikende vor dem Betriebstor der RSAG standen, gab so manches vorbeifahrende Auto ein kleines Hupkonzert. Auch LKW Fahrer drehten ihre Seitenscheiben herunter und zeigten den nach oben gerichteten Daumen. Liest man sich so durch die sozialen Netzwerke, gibt es natürlich auch genügend negative Meinungen, gerade von Betroffenen, welche an den Streiktagen den ÖPNV der RSAG nicht nutzen konnten. In Zeiten wachsender Entsolidarisierung innerhalb der Gesellschaft ist auch vielen unbewusst, das Lohnforderungen nur über Arbeitskampfmaßnahmen einer Gewerkschaft durchgesetzt und durchgeführt werden können. Schließlich ließen sich noch Vertreter linker Parteien und Gruppierungen bei uns sehen und zeigten ihre Zustimmung.

Was sind deine Erwartungen an deine Gewerkschaft, wie der Arbeitskampf weiter geführt werden soll?

Meine Gewerkschaft musste in der Vergangenheit, was die Mitgliederzahl betrifft, ganz schön Federn lassen. Eine wesentliche Rolle spielte dabei im TV-N Mecklenburg-Vorpommern die lange Laufzeit der Abschlüsse bis 2015. Die moderaten Lohnsteigerungen, die auch Arbeitsplätze sichern sollten, konnten den Preissteigerungen lange nicht mehr standhalten. Die Preise fürs Wohnen und für Energie liefen uns davon. Auch heute ist es noch schwer bis nahezu unmöglich als Familienvater mit Kindern eine neu gebaute Wohnung im privat finanzierten Bereich anzumieten. Deswegen gehen meine heutigen Erwartungen an ver.di, für zukünftige Abschlüsse bei Tarifverhandlungen,von Forderung über der Inflationsrate von Preisen für Mieten und Bauen, Energie und Lebensmittel und Laufzeiten nicht über zwei Jahre aus. Das Vertrauen in ver.di ist gegenwärtig wieder am Steigen. Ob es dabei bleibt wird sich noch in der jetzigen Tarifrunde zeigen.

Wie ist die Stimmung bei den Kolleginnen und Kollegen? Wie groß ist die Geschlossenheit?

Da die RSAG so ungefähr 700 Mitarbeiter beschäftigt, die innerhalb des TV-N in verschiedenen Einstufungen gruppiert sind, gibt’s natürlich auch 700 verschiedene Meinungen und Stimmungen. Bis 2015 hatten gerade die Mitarbeiter im Fahrdienst die größten Einbußen in ihren Entgeldstufen, im Verhältnis zu den steigenden Lebenshaltungskosten. Deswegen ist hier die Geschlossenheit und Streikbereitschaft auch am Größten.Schlussendlich sind die jetzigen Forderungen nach Lohnsteigerung durch die Mitarbeiter an die ver.di Mitglieder und weiter in die Tarifkommissionen getragen worden, im Herbst2019 wurden diese einheitlich für das gesamte TV-N Nord Gebiet (Schleswig-Holstein/ Mecklenburg Vorpommern) gebündelt und von ver.di aufs Papier gebracht.

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