Auf der Straße gegen rechten Terror

Berichte von Demonstrationen in Hanau, Köln, Aachen

Sol-Mitglieder waren in den letzten Tagen an vielen Demonstrationen und Mahnwachen gegen rechten Terror und Rassismus beteiligt. Wir veröffentlichen hier einige Bericht eund Fotos davon.

Demonstration in Hanau: Von der Trauer zum Widerstand!


Der rechte Anschlag in Hanau hat zu viel Trauer und Bestürzung geführt. Jetzt ist es wichtig, dass aus der Trauer Widerstand wird, um rechten Terror, Rassismus, Ausgrenzung und soziale Ungleichheit zu bekämpfen.


Von Max Klinkner, Mainz

Am 22. Februar fand in Hanau eine große Gedenkkundgebung und Demonstration für die Opfer des rechten Attentäters statt. Zu dieser wurde bundesweit mobilisiert und es beteiligten sich über 6000 Menschen. Auch in zahlreichen anderen Städten kam es zu Kundgebungen mit mehreren tausend Teilnehmenden. In der Woche zuvor demonstrierten 18.000 Menschen in Erfurt gegen die AfD und das Paktieren von CDU und FDP mit ihr. Viele haben diese Ereignisse politisiert und der Kampf gegen Rechts muss weiter aufgebaut werden.


In Hanau beteiligten sich sehr viele Migrant*innenverbände, aber auch Gewerkschaften und linke Gruppen. Gerade jetzt braucht es eine große Kampagne gegen Rassismus, rechten Terror und für soziale Verbesserungen. Dafür müssen Gewerkschaften, LINKE sowie antirassistische und migrantische Organisationen gemeinsam agieren. Solidarität statt Spaltung!
Auf Flugblättern, von denen wir über hundert Stück verteilten, haben wir erklärt, wie wichtig es ist, durch den gemeinsamen Kampf für soziale Verbesserungen, wie niedrige Mieten, höhere Löhne, Investitionen in Infrastruktur und Soziales, gleiche Recht für Alle, dem Rassismus der Nährboden entzogen werden kann. Einen Kapitalismus ohne Rassismus gibt es nicht.

Sol- und linksjugend-Mitglieder aus Mainz bei der Demo in Hanau
Demo in Aachen

Das Dilemma der Linken zum greifen


Bericht von den Kundgebungen gegen Rassismus in der Keupstraße in Köln Mülheim, 20.02.2020 (Weiberfastnacht), sowie am Kölner Dom, 21.02.2020

Einen Tag nach den Morden von Hanau rief das Bündnis Köln gegen Rechts zu einer Kundgebung an der Kreuzung Keupstraße / Schanzenstraße auf. Dreißig Meter vom Ort der Kundgebung entfernt explodierte am 09. Juni 2004 eine Nagelbombe vor dem Friseurladen von Özcan Yildirim. Sieben Jahre lang, bis zur Enttarnung des NSU im Jahre 2011 schürte die Polizei und alle amtlichen Stellen die Sicht, dass die Bombe aus dem Inneren der Keupstraße kam, aus dem vermuteten politischen oder mafiösen Milieu, dass nach Ansicht der Behörden selbstverständlich überall dort existiert, wo das mafiöse Milieu der etablierten deutschen Parteien, Wirtschaft und Strafverfolgungsbehörden keinen Einblick hat. Sieben Jahre lang wurden die Anwohner der Keupstraße von den Behörden
stigmatisiert und terrorisiert. Schließlich wurde scheibchenweise offenbar, dass die Behörden nicht nur voreingenommen und rassistisch an die Ermittlungen heran gegangen waren, sondern dass sie in nächster Nähe des NSU operativ agierten.
Der Donnerstag vor Rosenmontag heißt in der kölschen Mundart Wieverfastelovend. Es ist der Tag der Frauen im Karneval, sie dürfen ungestraft Kravatten abschneiden, symbolisch Attribute des Patriarchats verstümmeln. An Wieverfastelovend steht die Stadt Kopf. Behörden, Schulen und Geschäfte haben geschlossen, durch die Straßen ziehen
Scheichs, Schlümpfe, Lappenclowns, Cowboys und Krankenschwestern mit Schnurrbärten. Aus den Fenstern und Garagen schallt Schunkelmusik. Wieverfastelovend ist der offizielle Feiertag von Toleranz, Emanzipation und Weltoffenheit. Wer den Karneval liebt, hat ab 11.11 Uhr sechs Tage Dauerparty vor sich. Die Kundgebung in der Keupstraße stand im krassen Kontrast zu diesem Hintergrund. Zwar waren auch einige Kundgebungsteilnehmer karnevalisitisch gekleidet, doch die Stimmung war von Trauer und Entsetzen geprägt. Vertreter von ca. zehn Gruppen aus dem antirassistischen und linken Spektrum hielten kurze Beiträge. Dabei wurden viele richtige Aussagen über die politische Verfasstheit unserer Zeit gemacht. Die Gleichsetzung von linken und rechten Positionen, die sogenannte Hufeisen-Theorie, die die etablierten Politiker gerne aus der
Tasche ziehen, wenn sie sich nicht inhaltlich mit linkem Protest auseinandersetzen wollen, wurde in mehreren Beiträgen zurückgewiesen. Die Kritik an der politischen Mitte von links und von rechts unterscheidet sich fundamental. Während sich die rechte Gesellschaftskritik durch neoliberale Wirtschaftspolitik und rassistische Krisenszenarien kennzeichnet, fordert linke Politik Gleichberechtigung für Minderheiten, sozial Benachteiligte und Menschen mit Migrations- oder Fluchthintergrund sowie gerechte Verteilung des gesellschaftlichen Reichtums. Fast alle RednerInnen thematisierten die AfD als geistigen Brandstifter des Mordanschlags von Hanau und anderer rechter Gewalttaten. Die AfD ist ein leichtes Ziel in diesem Zusammenhang, der bequeme gemeinsame Gegner aller Demokraten und Linken.
Angesichts dieses bequemen gemeinsamen Feindbildes mit Krakehlern wie Björn Höcke, altrechten Intriganten wie Alexander Gauland oder völkisch-revanchistischen Miesmuscheln wie Beatrice von Storch darf man aber nicht versäumen, den täglichen Rassismus von CDU, SPD, FDP und Grünen zu erwähnen, der den Aufstieg der AfD erst möglich gemacht hat.
Zwei Tage nach dem Attentat gab es in Köln die weit größere Kundgebung und Demonstration auf dem Roncalliplatz direkt neben dem Dom. Hier kamen mehr als 2000 Menschen zusammen. Veranstalter war wiederum das Bündnis Köln gegen Rechts. Hauptredner waren hier jedoch Kölns Oberbürgermeisterin Henriette Reker und der Vorsitzende des Festkomitees des Kölner Karnevals, der Unternehmer Christoph Kuckelkorn. Sie erhielten tosenden Applaus für ihre Appelle an ein friedliches Miteinander und die anderen leeren Phrasen, mit denen Vertreter des Establishments ihre Betroffenheit heucheln. Personen wie Reker und Kuckelkorn sind aber keine verlässlichen Partner im Kampf gegen Rassisten und Faschisten. In ihren Ämtern vertreten sie heute diese, morgen jene Position. Henriette Reker schmückt sich mit ihrer Rede auf der Kundgebung gegen Rechts als Aktivistin gegen Rassismus, doch wie sieht ihre politische Praxis aus? Sie steht einer Stadtverwaltung vor, die die rassistischen Sondergesetze gegen Menschen ohne deutschen Pass umsetzt und allein in der ersten Jahreshälfte 2019 mehr als 120 Menschen abschieben ließ.
Den Kampf gegen Rechts müssen wir selbst in die Hand nehmen – die ArbeiterInnen, Angestellten, Azubis, SchülerInnen und StudentInnen aller Länder auf allen Kontinenten. Wir führen diesen Kampf nicht in unserer Freizeit, sondern und gerade im Beruf. Wir lassen uns nicht gegen KollegInnen an anderen Standorten, in anderen Ländern ausspielen. Daher ist es selbstverständlich, dass wir in Gewerkschaften aktiv sind und als
Vertreter unserer Gewerkschaften für Gleichberechtigung eintreten. Wir mobilisieren im Betrieb und in der Gewerkschaft für die Teilnahme an Aktionen gegen Rassismus. Auf den Kundgebungen in Köln war keine einzige Gewerkschaftsfahne zu sehen. Das ist ein schlechtes Zeichen. Eine der Aufgabe von Antirassisten und Antifaschisten wird in Zukunft darin bestehen, die Gewerkschaften wieder zu politisieren und sie von Co-Managern im Dienste der Aktionäre in kämpfende Keimzellen einer gleichberechtigten, demokratischen Gesellschaft zu verwandeln.

Redebeitrag von Johannes Bauer (Sol Köln), der auf der Demonstration nicht gehalten werden konnte:

Die Toten von Hanau haben den Preis bezahlt, den die Flüchtenden im Mittelmeer täglich bezahlen: Rassismus ist keine Erfindung der AfD, Rassismus ist ein Pfeiler der kapitalistischen Welt. Die Ungleichbehandlung von Menschen aufgrund ihrer Herkunft, ihres Geschlechts, ihrer sexuellen Orientierung oder ihrer Religion gehört zum Kapitalismus wie Aktien, Banken und Dividenden. Im Kapitalismus wird der Zugang zu Ressourcen wie Bildung , Gesundheitsversorgung, Wohnraum hier in Deutschland und auf der ganzen Welt menschen vorenthalten, weil sie zufällig auf der falschen Seite eines Zaunes zur Welt gekommen sind.

Kampf gegen Rasssimus bedeutet Kampf gegen die AfD, gegen die NPD, gegen faschistische Kameradschaften. Aber Kampf gegen Rassismus bedeutet auch Kampf für bezahlbaren Wohnraum, Kampf für gleiche, höhere Löhne, Kampf gegen Sondergesetze für Menschen ohne deutsche Staatsbürgerschaft.

Ich möchte daher Frau Reker fragen, die sich hier gerade gegen Rassismus ausgesprochen hat, wann sie ein Wohnungsbauprogramm anstößt, das die in Köln fehlenden 60.000 Wohnungen bereitstellt, was sie heute gegen das Racial Profiling der Kölner Polizei unternommen hat und wann sie Abschiebungen aus Köln stoppt.

Bericht der linksjugend[‘solid] über die Kundgebung in Aachen vom 21.2.2020

Heute haben 600 Menschen (Schätzung der Polizei, wir haben selber nicht gezählt) an einer kraftvollen und lauten Demonstration gegen rechten Terror, rechte Gewalt und alltäglichen Rassismus teilgenommen. Anlass war der schreckliche Terror-Anschlag von Hanau.



Die Demonstration wurde mit dem Verlesen der Namen Ermordeten begonnen: Gökhan Gültekin, Ferhat Ünvar, Mercedes K., Sedat Gürbüz, Hamza Kurtović, Kalojan Welkow, Bilal Gökçe, Fatih Saraçoğlu und Said Nessar El Hashemi sowie die Mutter des Mörders. Mit Ausnahme der Mutter kamen alle Opfer oder ihre Eltern aus verschiedenen Teilen der Welt. Sie wurden umgebracht, weil sie nicht in das rassistische Weltbild des Mörders passten. Um ihnen und allen Opfern rechter Gewalt zu gedenken gab es eine Schweigeminute.

Im Anschluss folgten erste Redebeiträge. Udo von der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschist*innen ging auf alltäglichen Rassismus und die Kriminalisierung antifaschistischen Engagements ein. So wurde seinem Verbund kürzlich die Gemeinnützigkeit abgesprochen, was eine weitere finanzielle Hürde für antifaschistisches Engagement bedeutet. Danach ging unser Landessprecher Chris auf Rassismus in seiner Vielfalt ein – nicht nur auf Rassismus von Neonazis und AfD, sondern auch auf staatlichen Rassismus, Rassismus von bürgerlichen Parteien und rassistische Medien. Sie alle bereiteten den Nährboden, der rassistische Fanatiker zu rassistischen Terroristen werden lasse.

Danach zog die Demo über große Straßen durch die Innenstadt: Über Bushof und Hansemannplatz, Kaiserplatz und Adalbertsteinweg zur Josefskirche, wo eine Zwischenkundgebung abgehalten wurde. Dort, vor einer Shisha-Bar, wurde von Igor, LINKE-Kreissprecher, auf die Kriminalisierung migrantischer Kultur eingegangen. Shisha-Bars seien einer der wenigen Orte, wo migrantische Jugendliche keinen rassistischen Anfeindungen ausgesetzt seien – und würden von Innenminister Reul, der Landesregierung und Medien als Teil einer „Clan-Kriminalität“ bekämpft. Dafür würden immer wieder viele Polizist*innen für groß angelegte Razzien abgestellt, während Neonazis oft viele Straftaten begehen müssten, bis sie mal vor Gericht gestellt würden. Darauf folgte ein Beitrag von Baran vom kurdischen Zentrum, in dem er betonte, dass man sich immer und überall gegen Rassismus, Unterdrückung und Ungerechtigkeit einsetzen müsse. Die kurdische Bewegung ist reich an leidigen Erfahrungen, was Unterdrückung und Gewalt angeht, um so wichtiger sei es, solidarisch für eine befreite Gesellschaft zu kämpfen.

Von dort ging es weiter zum Kennedypark, wo eine Abschlusskundgebung stattfand. Hier sprach Aleks von der Sozialistischen Organisation Solidarität und erklärte, wie Rassismus den Reichen und Mächtigen dient: Wenn die Bevölkerung sich nicht einig sei, lasse sie sich besser ausbeuten. Die Alternative dazu sei eine sozialistische Gesellschaft, die sich an den Bedürfnissen der Mehrheit orientiere. Nach Aleks sprach Abdurrahman, Vorsitzender der Yunus-Emre-Moschee-Gemeinde. Die Moschee bekommt fast täglich Hassbriefe, erst letzte Woche gab es Bombendrohungen. Davon dürfe man sich aber nicht einschüchtern lassen, sondern müsse erst recht aufstehen gegen Rassismus. Zum Abschluss gab es einen Redebeitrag von zwei Aktivisten, die über rechte und neonazistische Gewalt in Aachen und der Umgebung aufklärten. In Aachen gibt es eine aktive Neonazi-Szene, die immer wieder vermeintliche Linke angreife und dabei auch mit Messern vorgehe. Beim Kampf dagegen dürfe man sich nicht auf den Staat verlassen, sondern antifaschistischer Selbstschutz sei das Gebot der Stunde.

Der Anlass für die Demo ist ein sehr trauriger. Aber dass so viele Menschen zusammengekommen sind, um sich der rassistischen Gewalt, dem Terror und dem Versuch, Angst zu sähen, entgegenstellen, macht Mut. Jetzt darf die Bewegung nicht nachlassen: Diese Demo, und die vielen anderen Demos im ganzen Bundesgebiet müssen der Auftakt sein für eine bundesweite Bewegung, die gegen Rassismus und seine sozialen Ursachen kämpft. Diese Bewegung muss den Rassismus von Staat, bürgerlichen Parteien und Medien angreifen, aber auch soziale Forderungen wie bezahlbaren Wohnraum und gute Jobs aufstellen – so kann eine breite Bewegung für echten Fortschritt geschaffen werden. Vor allem wird Rassismus überall dort zurückgedrängt, wo solche Kämpfe stattfinden: In den Betrieben, Stadtvierteln, Schulen und Unis – überall, wo Menschen unterschiedlicher Herkunft erkennen, dass sie die gleichen sozialen Sorgen und Nöte haben, und dass eine kleine Minderheit mit ihrem kapitalistischen System davon profitiert.

Wir rufen nicht nur dazu auf, aktiv zu bleiben und wenn es nötig ist, auf die Straße zu gehen. Wir rufen dazu auf: Organisiert euch! Dann können wir unsere wahre Stärke entfalten. Am Dienstag treffen wir uns um 19 Uhr in der Augustastrasse 69. Dort werden wir u.a. die Demo und die Mahnwache gestern auswerten und weitere Aktionen gegen Rechts planen. Alle, die diesen Kampf mit uns führen wollen, sind herzlich zur Teilnahme eingeladen!

Demonstration in Aachen
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