Peru: Amtsenthebung des Präsidenten Pedro Castillo

Pedro Castillo im Jahr 2021

Solidarität mit den peruanischen Massen – für einen sozialistischen Ausweg aus der Krise

Vorbemerkung: Wir veröffentlichen hier einen Artikel der unmittelbar nach der Amtsenthebung von Pedro Castillo in Peru geschrieben wurde und eine Solidaritätserklärung des Komitees für eine Arbeiter*inneninternationale (CWI) mit den daraufhin einsetzenden Protesten peruanischer Arbeiter*innen und Jugendlicher.

Nach der Verhaftung des ehemaligen Präsidenten Pedro Castillo und dem Votum des Kongresses, ihn seines Amtes zu entheben, wurde Peru in eine tiefe politische und soziale Krise gestürzt. Dies geschah, nachdem Castillo seine Absicht erklärt hatte, den Kongress zu suspendieren und eine “Ausnahmeregierung” zu bilden. Seine Verhaftung und Amtsenthebung wurde von reaktionären Kräften durchgeführt, was das CWI entschieden ablehnt.

Von Tony Saunois, Komitee für eine Arbeiter*inneninternationale (CWI)

Diese dramatischen Ereignisse sind Teil der politischen und sozialen Umwälzungen in Lateinamerika und der zweiten “rosa Welle”, die den Kontinent mit der Wahl einer Reihe von “linksradikalen” Präsidenten in Chile, Kolumbien und Peru überrollt hat. Doch sobald sie an der Macht waren, haben diese neuen “linken” Regierungen schnell versucht, einen Kompromiss mit dem Kapitalismus zu schließen, sind schnell nach rechts gerückt und haben es versäumt, eine radikal linke oder sozialistische Politik zu betreiben, die den Kapitalismus angreift.

Castillo war da keine Ausnahme. Als er 2021 mit einer knappen Mehrheit gewählt wurde und für die sozialistische Partei Peru Libre antrat, die sich selbst als marxistisch-leninistisch bezeichnet, versuchte er schnell, einen Kompromiss mit einem Teil der herrschenden Klasse in Peru zu schließen. Peru Libre forderte ihn auf, aus der Partei auszutreten, was er kurz nach der Wahl auch tat, weil er ihre Grundsätze aufgegeben und eine neoliberale Politik verfolgt hatte. Seine Regierung befand sich von Anfang an in einer Krise. Seit seinem Wahlsieg sind nicht weniger als achtzig Minister und fünf Premierminister zurückgetreten oder ersetzt worden. Dies ist eine Fortsetzung der politischen Turbulenzen, die Peru in den letzten Jahren erschüttert haben. Seit 2018 hat das Land sechs Präsidenten gehabt – von denen nur zwei gewählt wurden.

Schlag gegen die herrschende Klasse

Castillo gewann die Wahl knapp mit 50,277 Prozent der Stimmen. Sein Sieg war ein schwerer Schlag für die herrschende Klasse, die Keiko Fujimori, die Kandidatin der Korruption und Reaktion, unterstützte. Ihre Partei verteidigt die Diktatur ihres Vaters, Alberto Fujimori (der von 1990 bis 2000 regierte). Er befindet sich wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Gefängnis. Nachdem sie der herrschenden Klasse diesen Schlag versetzt hatten, versuchte Castillo jedoch sofort, mit Teilen der herrschenden Klasse Frieden zu schließen. In der zweiten Runde des Wahlkampfs verteidigte er die Rolle des Privatsektors und versprach, “verantwortungsvoll” und gemäßigt zu regieren. Er sprach sich gegen Abtreibung, gleichgeschlechtliche Ehe und Aufklärungsunterricht aus. Er argumentierte, er sei ein Progressiver und kein “Sozialist” oder “Kommunist”. Er war Vorsitzender der Lehrergewerkschaft und galt als Vertreter der Armen und Unterdrückten. Peru Libre nominierte ihn als Parteivorsitzenden, nachdem der vorherige Kandidat, Vladimir Cerrón, mit dubiosen Korruptionsvorwürfen konfrontiert wurde. Doch die herrschende Elite hat Castillo nie akzeptiert und versucht seit seinem Wahlsieg, ihn von der Macht zu entfernen. Sie trauen Castillo nicht und fürchteten, die Folgen seiner Wahl. Zweimal haben sie versucht, Castillo zu entmachten.

Castillo kündigte an, den Kongress wenige Stunden vor einem dritten Amtsenthebungsversuch zu schließen. Dieser sollte wegen “moralischer Unfähigkeit” aufgrund von Korruptionsvorwürfen durchgesetzt werden. Ob Castillo in Korruption verwickelt war, ist noch nicht bewiesen, aber Korruption ist im politischen Establishment weit verbreitet. Castillos Stabschef floh, nachdem in seiner Bürotoilette Bargeld in Höhe von 20.000 US-Dollar gefunden worden war! Die herrschende Elite hat einen Staatsstreich verübt, um Castillo, dem sie nicht traute, abzusetzen.

Der peruanische Kongress ist völlig undemokratisch, durchsetzt von Reaktion und Korruption. Laut einer Umfrage hat er eine Zustimmungsrate von acht Prozent! Hätte Castillo versucht, ein Programm zum Bruch mit dem Kapitalismus durchzusetzen, die Arbeiter*innenklasse und die Armen zu mobilisieren und demokratisch gewählte Kampfkomitees zu bilden, auf die sich eine demokratische sozialistische Regierung stützen könnte und hätte er Wahlen zu einer revolutionären verfassungsgebenden Versammlung einberufen, wären Schritte zur Auflösung des Kongresses richtig gewesen. Diese Frage tauchte 1973 in Chile auf, als die Forderung nach Auflösung des kapitalistisch kontrollierten Kongresses erhoben wurde, der die Vorschläge des Präsidenten Salvador Allende blockierte. In Chile gab es damals jedoch eine demokratische Alternative in den gewählten Ausschüssen der Cordones Industrials in den Fabriken, der Poder Popular in den Städten und den Nachbarschaftsorganisationen, wie den JAPs.

Diese gab es in Peru jedoch nicht, und Castillo versuchte gar nicht, ähnliche Organisationen aufzubauen und ein Programm zum Bruch mit dem Kapitalismus umzusetzen. Die Armee, die Justiz, sein zerstrittenes Kabinett und andere verweigerten ihm die Unterstützung und unterstützten seine Verhaftung und Amtsenthebung. Die Vizepräsidentin, Dina Boluarte, eine “gemäßigte”, sichere Hand für die herrschende Klasse hat ihn in einer Art Gegenputsch abgelöst. Ihre Regierung wird jedoch kein Zeitalter der Stabilität oder des Fortschritts in Peru einleiten. Weitere Krisen und Umwälzungen werden folgen. Es hat einige Proteste gegen den Kongress und zur Unterstützung Castillos gegeben, doch scheinen sie sich in diesem Stadium in Grenzen zu halten. Das liegt vor allem daran, dass diese Regierung es versäumt hat, radikale sozialistische Maßnahmen einzuführen und die Massen auf einen Kampf zum Bruch mit dem Kapitalismus und zur Herausforderung des reaktionären Kongresses vorzubereiten.

Bei künftigen Umwälzungen müssen die Lehren aus dem Versagen der Castillo-Regierung und der Notwendigkeit eines Programms, einer Partei und des Aufbaus von Massenorganisationen zum Bruch mit dem Kapitalismus gezogen werden.

Dieser Artikel erschien erstmals in englischer Sprache am 12.12.2022 auf socialistworld.net

Solidaritätserklärung mit dem Protesten in Peru vom 15.12.2022

In Peru kommt es zu massiven Protesten von Arbeiter*innen und Armen gegen die neu eingesetzte Regierung von Dina Boluarte, die die Ausrufung vorgezogener Wahlen verschoben und den Ausnahmezustand verhängt hat. Boluartes Regierung wurde eingesetzt, nachdem der ehemalige Präsident Castillo, der die Suspendierung des korrupten Kongresses angekündigt hatte, verhaftet und anschließend seines Amtes enthoben worden war. Die Wahl Castillos im Jahr 2021 war ein Schlag für die herrschende Klasse und die Reichen in Peru, die mehrfach versucht haben, seine Regierung zu stürzen. Gewählt mit dem Versprechen, das Leiden der Armen zu beenden, hat Castillo leider versucht, eine Politik und ein Programm zu betreiben, das den Kapitalismus und die Reichen nicht herausfordert. Die herrschende Elite wollte ihn seit seiner Wahl aus dem Amt jagen. Der Kongress ist ein korruptes, undemokratisches Gremium, das sich in den Händen der rechten, pro-kapitalistischen Parteien befindet.

Das CWI sendet seine Solidarität und Unterstützung an die Arbeiter*innen und Armen Perus und fordert ein Ende der Repression und des Ausnahmezustands. Für Komitees des Kampfes! Nieder mit der Boluarte-Regierung – für eine revolutionäre verfassungsgebende Versammlung und eine Regierung der Arbeiter*innen und Armen, um mit dem Kapitalismus zu brechen.

Komitee für eine Arbeiter*inneninternationale

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