Putin-Knechte oder Friedensfreund*innen?

Zur Debatte um Sahra Wagenknechts und Alice Schwarzers „Manifest für den Frieden“

Sahra Wagenknecht, Alice Schwarzer und andere haben ein „Manifest für den Frieden“ veröffentlicht, das innerhalb weniger Tage von 420.000 Menschen (Stand 14.2. 17 Uhr) unterschrieben wurde und heftige Gegenreaktionen ausgelöst hat. Für den 25. Februar rufen sie zu einer Kundgebung in Berlin auf. An dieser Kundgebung sollten möglichst viele Arbeiter*innen und Jugendliche teilnehmen, denn sie wird einen deutlichen Kontrapunkt gegen die Militarist*innen und Aufrüstungsfetischist*innen in den etablierten bürgerlichen Parteien setzen können. Linke und sozialistische Kräfte sollten aber mit eigenen Inhalten an der Demonstration teilnehmen und dem hilflosen und nationalistischen Appell der Initiator*innen an die Bundesregierung eine internationalistische und antikapitalistische Position entgegen stellen.

Von Sascha Staničić

Wenn man heute in Deutschland für einen Waffenstillstand in der Ukraine, für Friedensverhandlungen und gegen Waffenlieferungen in ein Kriegsgebiet eintritt, wird man als „Putin-Knechte“ und„Second-Hand-Kriegsverbrecher“ denunziert und muss sich von grünen Bellizistinnen vorwerfen lassen, man befürworte, dass „Putin und seine Leute unschuldige Ukrainerinnen und Ukrainer überfallen, einsperren, Frauen vergewaltigen und Kinder verschleppen lassen“. Allein solche Reaktionen auf das „Manifest für den Frieden“ sind ein Beleg für die alte Weisheit: das erste Opfer des Krieges ist die Wahrheit …. denn eine sachliche Debatte über die Ursachen für den Ukraine-Krieg und die Möglichkeiten diesen zu beenden ist kaum mehr möglich, wird doch jede Infragestellung der Politik der Bundesregierung als Putin-Unterstützung ausgelegt.

Millionen unterstützen Kernforderungen

Dabei werden viele Millionen Menschen die Kernforderungen des Aufrufs von Sahra Wagenknecht und anderen unterstützen und erleichtert darüber sein, dass eine Stimme gegen die unkritische militärische Unterstützung der Selenskyj-Regierung hörbar wird. Tatsächlich erscheint Wagenknecht im politischen Mainstream als eine Stimme der Vernunft angesichts des vorherrschenden russophoben Kriegswahns. Ihre Einschätzung, dass die Ukraine den Krieg gegen Russland nicht wird gewinnen können, ist wahrscheinlich korrekt, genauso wie die Warnung vor der Gefahr einer nuklearen Eskalation. Und gegen einen Waffenstillstand und Friedensverhandlungen kann man eigentlich nicht sein, wenn man den Krieg beendet sehen möchte. Deshalb wird eine massenhafte Beteiligung an der Friedenskundgebung am 25. Februar, zu der die Erstunterzeichner*innen des Manifests aufrufen, den gesellschaftlichen Diskurs in die richtige Richtung verschieben, nicht zuletzt, weil sie auch ein Ende der Waffenlieferungen fordern.

Das war es dann aber auch mit der positiven Wirkung dieses Aufrufs, denn inhaltlich ist er nicht nur schwach, sondern auch so formuliert, dass er für rechte Kräfte anschlussfähig ist. Kein Wunder, dass der AfD-Chef Tino Chrupalla verlautbaren ließ, er habe den Appell ebenfalls unterschrieben. Das gilt, auch wenn Sahra Wagenknecht erklärt hat, dass AfD-Vertreter*innen bei der Kundgebung am 25.2. unerwünscht sind und Vorwürfe, der Aufrufer*innenkreis stelle eine „Querfront“ mit Rechtsextremist*innen dar ungerechtfertigt sind.

Appelle an die Regierenden bringen nichts

Dass sich Sahra Wagenknecht ihre Mitstreiter*innen vor allem in (bildungs)bürgerlichen Kreisen und nicht unter Gewerkschafter*innen, Linken und Anti-Kriegs-Aktivist*innen gesucht hat, spricht Bände. Denn der Aufruf verzichtet nicht nur darauf, einen Zusammenhang zwischen Krieg, Kapitalismus, Imperialismus und sozialer Frage herzustellen, sondern gipfelt in dem Vorwurf an Kanzler Scholz, seinen Schwur, „Schaden vom deutschen Volk zu wenden“ nicht gerecht zu werden. Das „deutsche Volk“ statt der internationalen Arbeiter*innenklasse zum Bezugspunkt zu nehmen ist Nationalismus. Vor allem aber ist der Aufruf ein hilfloser Appell an genau diejenigen Kräfte – die Bundesregierung und die Kriegsparteien – den Krieg zu beenden, die dazu offensichtlich nicht bereit sind.

Es ist natürlich nicht falsch, ein Ende der Kampfhandlungen zu fordern, aber den Eindruck zu erwecken, es gehe darum die Herrschenden davon zu überzeugen, dass sie doch lieber auf Diplomatie statt auf Krieg setzen sollen, kommt der Verbreitung einer Illusion gleich. Die Stunde der Diplomatie kommt in kapitalistischen Kriegen in der Regel erst, wenn eine der Kriegsparteien ihre Ziele militärisch erreicht hat oder wenn die Luft raus ist und es für keine der Kriegsparteien militärisch noch viel zu gewinnen gibt. Und es darf nicht vergessen werden, dass die kapitalistischen Regierungen unter Putin, Selenskyj, Biden, Scholz und Co. niemals die Interessen der arbeitenden Bevölkerung vertreten, sondern die der Kapitalistenklassen ihrer Länder. Das bedeutet, dass sie unfähig sind die Ursachen von Kriegen und militärischen Konflikten zu beseitigen und im Kapitalismus gilt: nach dem Krieg ist vor dem Krieg.

Für eine linke, internationalistische Antikriegsbewegung

Einen Beitrag zur vorzeitigen Beendigung des Krieges könnten vor allem Massenproteste liefern, die zu einer politischen Bedrohung für die Herrschenden werden. Deshalb gilt es die Antikriegsbewegung in Russland genauso zu unterstützen, wie diejenigen in der Ukraine, die sich der Einberufung in die Armee widersetzen und gegen die drakonischen Strafen für Kriegsdienstverweigerer protestieren. Deshalb gilt es eine Antikriegsbewegung in Deutschland, Großbritannien, den USA etc. aufzubauen, die die Mitverantwortung der westlichen imperialistischen Staaten benennt – sowohl hinsichtlich der Politik der NATO-Osterweiterung und Integration der Ukraine in das Einflussgebiet der EU als auch hinsichtlich der durch den ehemaligen israelischen Premierminister Bennett kürzlich bekanntgewordenes Einflussnahme Londons und Washingtons gegen die Aufnahme von Friedensverhandlungen in der ersten Phase nach dem Einmarsch der russischen Truppen in der Ukraine – und die ein Ende der Aufrüstung und der Waffenlieferungen an die Selenskyj-Regierung fordert.

Solche Positionen könnten die Basis für eine Antikriegsbewegung sein, die auch die Ursachen von Krieg und Militarismus – Kapitalismus und Imperialismus – ins Visier nimmt und die erklärt, dass Lohndrückerei und Sozialabbau einerseits und Kriege andererseits zwei Seiten derselben kapitalistischen Medaille sind. Das ist die Aufgabe von Linken und Sozialist*innen in der gegenwärtigen Situation. Dass Sahra Wagenknecht nichts von alldem tut und sich stattdessen mit der islamophoben Alice Schwarzer und einem ehemaligen Bundeswehrgeneral verbündet, zeigt in welche politische Richtung sich die selbsternannte „Linkskonservative“ entwickelt.

Auf zur Kundgebung und die Aufrufer*innen inhaltlich herausfordern!

Kritik an Wagenknecht ist mehr als berechtigt. Allerdings sollten diejenigen in der Partei DIE LINKE, die nun anlässlich dieses Aufrufs gegen Wagenknecht wettern, die Auseinandersetzung um diesen Aufruf und die Kundgebung am 25. Februar nicht dazu missbrauchen, den innerparteilichen Machtkampf zu führen. Für die Partei DIE LINKE ist, wenn es um den Ukraine-Krieg geht, die Unterstützung der Waffenlieferungen an die Ukraine durch prominente Parteivertreter*innen wahrlich der größere Skandal. Die Ablehnung solcher durch den Aufruf zur Kundgebung am 25. Februar liefert zumindest eine Basis, gemeinsam auf die Straße zu gehen. Linke und Sozialist*innen sollten dies tun, aber auf der Kundgebung für ihre eigenen antikapitalistischen Positionen und den Aufbau einer wirkungsvollen Antikriegsbewegung eintreten und Sahra Wagenknecht und ihre Freund*innen inhaltlich herausfordern.

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