Gegen das “Analyse-Verbot”

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Manifest-Verlag veröffentlicht Textsammlung zum Nahost-Konflikt

Im Februar diesen Jahres hat der Manifest-Verlag die Textsammlung “Naher Osten in Flammen” veröffentlicht. In dem Buch sind marxistische Texte aus fast hundert Jahren zusammengestellt, die eine umfassende Analyse des Konflikts Vornehmen und Lösungsvorschläge machen. Um eine Geschmacksprobe zu bieten, drucken wir hier das Vorwort der Herausgeber Wolfram Klein und Sascha Staničić ab. 

Keine Frage wurde in den letzten Monaten so kontrovers, emotional und unversöhnlich diskutiert, wie die Eskalation des Konflikts zwischen dem Staat Israel und den Palästinenser*innen. Der auf den Terrorangriff der rechts-islamistischen Hamas vom 7. Oktober folgende Krieg Israels gegen Gaza hat weltweit zu Massendemonstrationen von Millionen Arbeiter*innen und Jugendlichen geführt – und das nicht nur in der arabischen Welt und in muslimisch geprägten Ländern, sondern auch in Europa, Australien und den USA. Gleichzeitig gibt es, insbesondere in Deutschland, eine unvergleichliche Propagandakampagne, die fast jede Kritik am Staat Israel und seiner Regierung mit dem Stigma des Antisemitismus belegt. Und es bleibt nicht bei diesem Vorwurf – dieser wird als Legitimation für Demonstrationsverbote, willkürliche Verhaftungen, Entlassungen vom Arbeitsplatz etc. genommen. Eine sachliche Debatte findet, zumindest in den Massenmedien und der so genannten Öffentlichkeit, nicht statt. Wie es der slowenische Philosoph Slavoj Žižek bei der Eröffnung der Frankfurter Buchmesse formulierte, gibt es zur Zeit eine Art „Analyse-Verbot“. Die Tatsache, dass er in seiner Rede den Angriff der Hamas auf israelische Zivilist*innen in einen historischen Kontext stellte, führte zu wütenden Protesten und zum Eklat bei der Auftaktveranstaltung der Messe.

Debatte in Deutschland

Es wurde in Deutschland und anderen Ländern eine Atmosphäre geschaffen, in der Menschen sich tatsächlich nicht mehr trauen, offen zu sagen, was sie zur Politik des Staats Israel denken.

Im Oktober haben wir mit anderen zusammen den Aufruf „Stoppt den Angriff auf Gaza“ gestartet, der sich sowohl vom Angriff der Hamas distanzierte und gleichzeitig dazu aufrief, sich dem Krieg Israels gegen Gaza und der Unterstützung durch die Bundesregierung entgegenzustellen. Noch nie zuvor haben wir bei vergleichbaren Initiativen Absagen nicht aufgrund inhaltlicher Differenzen bekommen, sondern weil die Angefragten die Konsequenzen einer Unterschrift fürchteten.

Die Kontroverse läuft dabei auch quer durch Gewerkschaften und linke Organisationen. Gerade in Deutschland gibt es eine unsägliche Tradition so genannter antideutscher Positionen, die eine bedingungslose Unterstützung des Staates Israel propagieren und dabei oftmals bei pro-imperialistischen und islamfeindlichen Positionen landen. Aber auch unter den pro-palästinensischen Kräften auf der Linken gibt es gewichtige Differenzen über wichtige analytische, programmatische und strategische Fragen. Dazu gehört die Frage nach Charakter der Hamas und welches Verhältnis die Linke und die organisierte Arbeiter*innenklasse zur Hamas und zum rechten politischen Islam generell einnehmen soll. Manche betrachten, für uns unverständlicherweise, die Hamas als einen anti-imperialistischen Bündnispartner. Es geht dabei auch um die Frage, wie die israelisch-jüdische Arbeiter*innenklasse einzuschätzen ist, ob es ein „Existenzrecht“ für Israel geben solle und wie ein Ende von Unterdrückung und Besatzung erreicht werden kann.

Voller Analysen und Ideen

In diesem Buch haben wir Texte aus den letzten fast einhundert Jahren zusammengestellt, die Analysen und programmatische Vorschläge zum Nahost-Konflikt beinhalten. Sie stammen von Autor*innen aus der Sol und dem Komitee für eine Arbeiter*inneninternationale (CWI) bzw. von Trotzkist*innen aus den 1920er, 1930er und 1940er Jahren.

Wir hoffen, dass diese Texte all denjenigen, die die Unterdrückung der Palästinenser*innen beenden und Frieden im Nahen Osten für alle Menschen erreichen wollen, dabei helfen werden, nicht nur ihr Verständnis der Ursachen des Nahost-Konflikts zu vertiefen, sondern auch ein Programm und eine Strategie zu finden, mit der eine Kraft in der Arbeiter*innenklasse in der Region und internationale aufgebaut werden kann, die diese Ziele auch erreichen kann.