Deutschland vor den EU-Wahlen

Instabilität, Krise und Klassenkämpfe

Seit Monaten steht die Frage im Raum, ob diese Ampel-Regierung bis zum Ende der Legislaturperiode durchhält. Dass sie sich überhaupt solange gehalten hat – wankend von einer Krise zum nächsten Streit – war keine ausgemachte Sache. Immer wieder wurden Bruchlinien deutlich, insbesondere bei der Aufstellung des diesjährigen Haushalts, der durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts torpediert wurde. Doch nicht nur externe Schocks sondern auch die Uneinigkeit über den besten Weg für den deutschen Kapitalismus prägt die Koalition. Währenddessen werden die wirklich Mächtigen in diesem System – die Eigentümer*innen, Vorstände und Großaktionär*innen der Banken und Konzerne und ihre Verbände – unruhig. Der deutsche Kapitalismus droht im „internationalen Wettbewerb“ zurückzufallen. Sie fordern, ihre Profite auf dem Rücken der Arbeiter*innenklasse zu erhalten und zu steigern.

von Tom Hoffmann, Sol-Bundesleitung

Preisbereinigt ist die deutsche Wirtschaft um 0,3 Prozent im letzten Jahr geschrumpft. Die Bundesregierung geht für dieses Jahr von einem Wachstum von 0,3 Prozent aus. Der Internationale Währungsfonds rechnet gar nur mit 0,2 Prozent und sieht Deutschland im Tabellenkeller unter den G-7 Staaten und in Europa.

Diese Entwicklung ist nicht einfach Folge einer „verfehlten“ Politik der Ampel. Der exportabhängige deutsche Kapitalismus leidet unter der weiterhin schwachen globalen Nachfrage. Hinzu kommt der Trend zur Deglobalisierung und der gestiegene internationale Wettbewerb in zentralen Branchen wie der Automobilindustrie, was den Anteil Deutschlands am Welthandel weiter abzusenken droht. Gestiegene Energiepreise, Arbeitskräftemangel und ein riesiger Investitionsstau sind weitere strukturelle Probleme.

Diese Entwicklungen, teils über viele Jahre angewachsen, ergeben sich aus dem Drang nach schnellen Gewinnen, welcher diesem Wirtschaftssystem inhärent ist – und das wird auch von keiner der pro-kapitalistischen Parteien in Frage gestellt.

Börsenfȇte und Rekorddividenden

Diese Logik führt zu der absurden Situation, dass es an der Börse trotzdem weiter Höhenflüge gibt: Im Mai erreichte der DAX ein neues Rekordhoch. 53,8 Milliarden Euro gaben die vierzig Konzerne an Dividenden aus – 2,4 Prozent mehr als noch im letzten Jahr. Der Großteil dieser Milliardenzahlungen wird die Wirkung haben, den jetzt schon unfassbaren Reichtum der Super-Reichen weiter zu vermehren. Das ist das Symptom einer kranken Gesellschaft. Wie lange der Geldregen an der Börse angesichts der realen ökonomischen Probleme und den Gefahren einer globalen Finanzkrise anhält, ist wiederum eine andere Frage.

Dem stehen die seit Jahren angehäuften Verluste bei den realen Einkommen der Lohnabhängigen und Erwerbslosen gegenüber. Die Reallöhne lagen im letzten Jahr noch immer unter dem Stand von 2015. Zudem gibt es Stellenabbau, u.a. bei den Automobilzulieferern (Bosch, Continental, ZF u.a.) und in der Chemieindustrie (BASF, Bayer, Evonik, Lanxess). Miele baut jede zehnte Stelle ab und verlagert die Produktion aus Gütersloh nach Polen. Die Telekom will im IT-Betrieb 1300 von 5400 Stellen abbauen. Die Liste ließe sich fortsetzen.

Die genauen Gründe mögen sich im Einzelnen unterscheiden, aber der Stellenabbau findet überall angesichts der oben genannten wirtschaftlichen Rahmenbedingungen statt und hat letztlich zum Ziel „Kosten zu sparen“, um Renditen zu sichern.

Kapital fordert neue Agenda

All das verschärft die Polarisierung zwischen den sozialen Klassen. Doch die führenden Köpfe des deutschen Kapitals haben in den letzten Monaten mehr als deutlich gemacht, dass ihnen betriebliche Maßnahmen allein nicht ausreichen werden. Ebenso wenig sind sie zufrieden mit den bisherigen Regierungshaushalten. Sie drängen auf grundlegende politische „Reformen“, welche die Rechte der Lohnabhängigen und Erwerbslosen schleifen und bestimmte Investitionen, Steuersenkungen und Subventionen ermöglichen sollen. Sie wollen mehr Geschenke für „die Wirtschaft“ und gleichzeitig die weitere Aufrüstung der Bundeswehr – finanziert durch die breite Masse. Die Forderung nach einer neuen Agenda wird immer wieder laut – die Agenda 2010 war 2004 unter der rot-grünen Bundesregierung der bis dagin größte Angriff auf die sozialen Sicherungssysteme. Die Wunschlisten beinhalten Angriffe auf die Arbeitszeiten, auf das Renteneinstiegsalter, Sozialleistungen und das Streikrecht. Sie fordern damit einen großen Wurf im Klassenkampf von oben, um auf dem Rücken der Lohnabhängigen den deutschen Kapitalismus im internationalen Wettbewerb zu stärken.

Ob die Ampel-Parteien aber in der Lage und willens sind, alle diese Forderungen unmittelbar umzusetzen ist eine andere Frage. SPD, Grüne und FDP kennen die Wünsche des Kapitals und machen natürlich alle Politik im kapitalistischen Rahmen. Das hatte schon Angriffe und Kürzungen im Haushalt 2024 zur Folge, welche das Leben für die Masse teurer gemacht haben. Doch die Parteien haben auch unterschiedliche parteipolitische Interessen sowie Vorstellungen darüber, was der beste Weg für den deutschen Kapitalismus ist, wie man Investitionen finanzieren und Angriffe am besten umsetzen sollte. Diese Faktoren waren und sind kein unwichtiger Faktor bei den Regierungsstreits.

Wie wir schon zu Ende des letzten Jahres schrieben: „Die Auseinandersetzungen um den Haushalt zeigen auch die Zerrissenheit der Regierungsparteien, die die Spannungen und Differenzen in der herrschenden Klasse im Umgang mit der Krise ausdrücken. Die einen wollen auf Pump investieren und subventionieren (ohne die Reichen ernsthaft zur Kasse zu bitten und damit das Finanzierungsproblem in die Zukunft zu verschieben), die anderen wollen die Staatsausgaben nach den großen Rettungspaketen drosseln.Seit dem Urteil des Bundesverfassungsgericht über die „Sondervermögen“ ist der juristische Spielraum, diesem Konflikt aus dem Weg zu gehen, begrenzt worden.

FDP

Die FDP hat sich die vehemente Verteidigung der Schuldenbremse auf die Fahne geschrieben und muss angesichts von Umfragewerten an der 5-Prozent-Hürde um ihr parlamentarisches Überleben bangen.Zudem schließt sie Steuererhöhungen aus (allerdings kann sie damit nur Reiche meinen, denn die höhere CO2-Bepreisung, welche die Masse trifft, hat sie mitgetragen). Sie hat zuerst ein 12- und dann noch ein 5-Punkte-Papier verabschiedet, mit welchen sie in der Regierung Druck machen will. Sie will u.a. die sogenannte „Rente mit 63“ sowie das Bürgergeld in seiner jetzigen Form abschaffen und keine neuen Sozialleistungen für die nächsten drei Jahre. FDP-Finanzminister Lindner pocht zudem auf die Einhaltung seiner Vorgaben für den Haushalt 2025, für den verschiedene Minister*innen höhere Wünsche geäußert haben. Zahlen zwischen 15 und 30 Milliarden Euro kursieren, was den Umfang der nötigen Einsparungen angeht.

In der FDP spielen viele mit dem Gedanken, die Koalition zu verlassen. Die entsprechende Mitgliederbefragung ging im letzten Jahr nur knapp für einen Verbleib aus. Im Februar brachte Generalsekretär Djir-Sarai eine schwarz-gelbe Koalition ins Gespräch. Die Papiere aus Parteiführung und Fraktion wurden in den Medien mit dem sogenannten Lambsdorff-Papier verglichen. Doch anders als 1982, als die FDP die „sozialliberale“ Koalition mit der SPD darüber platzen ließ, gibt es keine schwarz-gelbe Mehrheit im Parlament. Das weist auf die grundlegenden Veränderungen im politischen System hin, die sich seit dem ereignet haben. Es gibt mehr Parteien und Union und SPD sind längst nicht mehr so stark wie früher – was Ausdruck der Instabilität und der strukturellen Krise des Kapitalismus ist.

SPD und Grüne

In SPD und Grünen gibt es unterschiedliche Positionen, beide Parteien müssen aber auch mit schlechten Ergebnissen bei den nächsten Wahlen rechnen (wobei die Grünen im Bund auf dem Niveau der letzten Bundestagswahl liegen, die SPD hingegen sich wieder historischen Tiefstwerten nähert). Olaf Scholz hat sich im Streit um die Schuldenbremse und den Haushalt 2025 auf die Seite von Lindner und seine Kürzungsforderungen geschlagen. Gleichzeitig schließt er Verschlechterungen bei der Rente aus und versucht mit der Forderung nach einer schrittweisen Mindestlohnerhöhung auf 15 Euro eine „soziale“ Seite zu zeigen. Das ist vor allem Wahlkampf. Die Forderung nach 12 Euro hatte großen Anteil am SPD-Sieg bei der letzten Wahl – seit dem ist er aber lediglich um je 41 Cent pro Jahr gestiegen.

In beiden Parteien gibt es außerdem Flügel, die befürchten, dass große Angriffe den „sozialen Frieden“ gefährden und Widerstand provozieren. Sie würden lieber Schulden aufnehmen und das Problem in die Zukunft verschieben. Gleichzeitig gibt es in der SPD Forderungen nach einer Umgehung bzw. einer Reform der Schuldenbremse, u.a. von Verteidigungsminister Pistorius, der mehr Geld für die Bundeswehr will. Auch die Grünen fordern das. Das wäre in der Hinsicht auch im Interesse des deutschen Kapitalismus, welcher aufgrund seiner ökonomischen Position, anders als andere Länder in der Lage wäre, mit mit einem etwas höheren Schuldenniveau trotz steigender Zinsen zu leben. Viele kapitalistischen Kommentator*innen forderten deshalb zuletzt eine Reform, um dafür bestimmte Investitionen zu tätigen, die dazu dienen, die militärische Wirkmacht zu steigern, im internationalen Wettbewerb mit staatlicher Unterstützung zu bestehen oder die Profitbedingungen im Inneren zu verbessern. Laut Deutschen Städte- und Gemeindebund beträgt allein der kommunale „Investitionsstau“ 186 Milliarden Euro, mehr als die Hälfte davon entfallen auf Straßen und Schulen.

Im Interesse das Kapitals wäre ein Mix aus einer gewissen Lockerung der Schuldenbremse und umfassenden Angriffen auf die Rechte und Lebensbedingungen der Arbeiter*innenklasse. Dass die Ampel dazu im vom Kapital gewünschten Umfang fähig ist, scheint unwahrscheinlich – in dieser Legislatur wird mit der FDP eine Reform der Schuldenbremse nicht zu machen sein und dass sich die SPD kurz vor den wichtigen Wahlen in Ostdeutschland zu größeren Angriffen auf die Rente oder das Arbeitszeitgesetz einlässt, ist zwar nicht ausgeschlossen, aber schwer vorstellbar.

Tatsächlich ist auch ein vorzeitiges Ende der Koalition möglich. Ein potenzieller Bruchpunkt ist der Haushalt 2025. Noch ist unklar, wie groß die Lücke zwischen erwarteten Einnahmen und geplanten Ausgaben genau ist. Der politische Druck wird sich außerdem spätestens nach den EU- und Landtagswahlen erhöhen, wenn diese auch zur Abrechnung mit den Regierenden genutzt werden und absehbar schlechte Ergebnisse eintrudeln.

Wahlen in Thüringen

Die Thüringer Kommunalwahlen waren dafür ein Vorgeschmack. Die regierenden Parteien in Bund (SPD, Grüne und FDP) und Land (Linke, SPD, Grüne) haben jeweils Sitze verloren. Die CDU konnte ihren Stimmenanteil halten und einige Sitze gewinnen. Deutliche gegenüber der letzten Wahl legen AfD und freie Wähler*innengruppen zu. Damit setzt sich der Trend der letzten Landtagswahlen in Hessen und Bayern in gewisser Hinsicht fort, dass die regierenden Parteien abgestraft werden. Das BSW zog aus dem Stand teils zweistellig in vier Kreistage ein (trat aber auch nur begrenzt an).

AfD

Eine von manchen befürchteter „blauer Durchmarsch“ blieb in Thüringen aus. Im Sommer letztes Jahr wurde hier in Sonneberg noch der erste AfD-Landrat gewählt (mit 46,7 im 1. und 52,8 Prozent im 2. Durchgang). Nun erhielt sie keine Ergebnisse mehr von über 35 Prozent. Ob sie bei den Stichwahlen nachlegt ist fraglich, allerdings könnte sie in Brandenburg und Sachsen erfolgreicher sein, wo am 9. Juni ebenfalls gewählt wird. Die Skandale rund um die Spitzenkandidaten zur EU-Wahl, Krahl und Bystron, haben die Partei aber auch in bundesweiten Umfragen zurückgeworfen. Zu Beginn des Jahres gab es außerdem große Proteste gegen die AfD. Trotzdem ist unverkennbar, dass sich die Partei etabliert und einen Wähler*innenkern entwickelt hat und insbesondere in Ostdeutschland hohe Ergebnisse einfahren kann. Die AfD bleibt deshalb eine ernste Gefahr. Sie profitiert von der enormen Unzufriedenheit und kanalisiert wachsende soziale Ängste, indem sie Migrant*innen zu Sündenböcken macht. Sie ist dazu aber auch nur in der Lage, weil es keine starke und glaubwürdige linke Alternative gibt.

Linke

Denn es ist kein Zufall, dass Die Linke auch in Thüringen, wo sie mit Bodo Ramelow den einzigen Ministerpräsidenten stellt, verloren hat. Bundesweit wird sie in manchen Umfragen schon nicht mehr aufgeführt und liegt sie mittlerweile unter der 5-Prozent-Hürde. Wie wir das an anderer Stelle erklärt haben, hängt dass insbesondere mit der Politik der Partei zusammen, wo sie Verantwortung in Regierungen mit pro-kapitalistischen Parteien übernimmt. Sie macht dort keinen grundlegenden Unterschied, trägt den Status Quo in Land und leider auch immer wieder im Bundesrat mit. In Thüringen regiert sie in einer Minderheitsregierung mit SPD und Grünen – hat dort aber unter anderem nicht verhindert, dass sich der Lehrer*innenmangel weiter verschärft oder bezahlbarer Wohnraum in Städten knapper wird. Laut einer Umfrage von Anfang Mai würde Die Linke ihr Wahlergebnis von 2019 heute fast halbieren. Das hält Bodo Ramelow nicht davon ab, wieder und wieder für ein Bündnis mit der CDU nach den nächsten Wahlen zu argumentieren.

Im Bundestag ist Die Linke seit der Abspaltung der BSWler nur noch eine Gruppe und keine Fraktion mehr. Seitdem kann aber auch von einer Linksentwicklung der Linken keine Rede sein. Das Bündnis zwischen Bewegungslinken und Reformer*innen in Parteiführung und Fraktion ist vor allem davon geprägt, inhaltliche Differenzen unter den Teppich zu kehren. Ein paar mehr Bezüge zu „Antikapitalismus“ können nicht darüber hinwegtäuschen, dass Kritik an der Regierungspraxis in Thüringen und Bremen quasi nicht zu vernehmen ist und Spitzenkandidat*innen und Mandatsträger*innen widerspruchslos Waffenlieferungen an die Ukraine oder Israels Krieg in Gaza verteidigen können.

BSW

Sahra Wagenknecht und Co. können hingegen auf gute Ergebnisse bei der EU- und den Landtagswahlen hoffen. Umfragen bescheinigten ihr ein hohes Wähler*innenpotenzial. Je nach Wahlausgang könnte dann zum Beispiel in Sachsen keine Regierungsmehrheit ohne AfD, CDU oder BSW möglich sein. Dass Sahra Wagenknecht aber ebenfalls schon ihre Bereitschaft zur Koalition mit der CDU verkündet hat, zeigt wie wenig politischen Wandel sich arbeitende Menschen von der neuen Partei erwarten dürfen. Wagenknechts Projekt hat einen Weg weg von linken, sozialistischen und hin zu marktwirtschaftlichen und nationalistischen Ideen eingeschlagen. Dass das BSW nicht auf Selbstorganisation und -aktivität setzt, zeigt auch der bürokratische Parteiaufbau, welcher die Mitgliedschaftsentwicklung stark von oben kontrolliert.

Angriffe möglich

Die tektonischen Platten des politischen Systems werden sich also bei den kommenden Wahlen weiter verschieben. Eine Erholung der Ampel-Parteien ist schwer vorstellbar und ein Koalitions-Aus möglich, wenn die Parteien zum Beispiel aus Landtagen fliegen (auch SPD und Grüne nähern sich in manchen Bundesländern der Fünf-Prozent-Marke). Das heißt nicht, dass es bis dahin nicht zu neuen Angriffen der Bundesregierung kommen kann! Im Gegenteil: Der Bundeshaushalt für 2025 wird weitere Kürzungen zulasten der arbeitenden Bevölkerung bedeuten, wann er auch kommt. Es gibt zum Beispiel schon Berichte, dass Beamte des Finanzministeriums die Abschaffung der Steuerbefreiung von Sonn-, Feiertags- und Nachtzuschlägen prüfen. Gleichzeitig schlug Lindner die Steuerbefreiung auf geleistete Überstunden vor, was aber die Tendenz zur formalen Teilzeit bzw. zu faktisch längeren Arbeitszeiten verstärken würde. Im Moment werden mehr als 1,3 Milliarden Überstunden geleistet, weniger als die Hälfte davon bezahlt.

Der Haushalt für dieses Jahr war schon ein Kürzungshaushalt.Auch wenn die Ampel nicht den gewünschten großen Wurf des Kapitals zustande bringt, wird sie womöglich „Vorarbeit“ leisten.Auf kommunaler Ebene drohen ebenfalls Kürzungen. Die Gewerkschaften müssen deshalb schon jetzt den Widerstand gegen jegliche Kürzungen stärken und sich auf größere Angriffe in der Zukunft, womöglich durch eine CDU-geführte Bundesregierung, vorbereiten – Appelle an die Regierenden werden keine Wirkung haben.

CDU-Regierung

Alles deutet im Moment auf eine CDU-Kanzlerschaft nach den nächsten Wahlen hin – und das Kapital dürfte darauf hoffen, dass diese dann die nötige Stärke aufbringt, um größere Angriffe zu vollziehen. Sehr viel spricht dafür, dass Friedrich Merz der Kandidat wird und die Union die Reihen hinter ihm schließt, um die relativ guten Umfragewerte nicht zu gefährden. Auf dem CDU-Parteitag kündigte Merz schon eine „Agenda 2030“ und u.a. die Abschaffung des Bürgergelds an. Mittlerweile zeigt sich Merz auch offener für Reformen der Schuldenbremse, knüpft diese aber an Sozialkürzungen als Bedingung. Doch das sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass es auch in der Union unterschiedliche Flügel gibt, deren Kämpfe in Zukunft wieder ausbrechen können – zum Beispiel entlang der Frage des Umgangs mit AfD, BSW und Linke nach den ostdeutschen Landtagswahlen.

Die Union wird aber auf Koalitionspartnerinnen angewiesen sein. Ein Zweier-Bündnis mit der FDP wird nicht ausreichen – wenn die Partei es überhaupt ins Parlament schafft. Allein mit der SPD wird es ebenfalls knapp werden. Merz hält sich deshalb bewusst die Option offen, mit den Grünen zu koalieren und hat seinen Ton ihnen gegenüber schon verändert. Dass SPD und Grüne keine Garanten gegen Sozialabbau sind, haben sie bewiesen, als sie 2004 selbst die Agenda 2010 umsetzten.

Eine nächste Regierung, welche im Klassenkampf von oben einige Gänge höher schalten will, wird auf eine Arbeiter*innenklasse treffen, die in den letzten zwei Jahren neue Streikerfahrungen gesammelt hat. Wut über die unsoziale Ampel-Politik hat sich aufgestaut, wenngleich es noch keine massenhaften Sozialproteste gab. Aber die CDU würde eine nächste Wahl nicht gewinnen, weil sie so große Unterstützung für ihr Programm genießt, sondern weil die Ampel-Parteien so unbeliebt sind.

Eines steht fest: Es gibt keine Aussicht auf Stabilität und einen Rückgang sozialer Kämpfe. Im Gegenteil steuert Deutschland größeren gesellschaftlichen Auseinandersetzungen entgegen. Umso wichtiger, dass sich die Gewerkschaften, Linken und sozialen Bewegungen schon jetzt darauf vorbereiten, zusammenkommen und diskutieren, mit welchem Programm diese Kämpfe gewonnen werden können.