Rüstungsirrsinn stoppen

Bild von Günter Lohmeyer auf Pixabay

Führung der IG Metall sollte Verstaatlichung und Umstellung der Produktion statt Rüstungsaufträge fordern

Wenn eine Gewerkschaft der Bundesregierung einen Brief schreibt, um gegen den Kauf von Rüstungsgütern zu protestieren, ist eigentlich Grund zur Freude angesagt. Anders allerdings liegt die Sache im Fall des Briefs der Spitze der Industriegewerkschaft Metall (IG Metall) an das Kabinett unter Angela Merkel (CDU).

 Von Steve Hollasky, Dresden

Darin sprechen sich die Gewerkschaftsführer gegen einen milliardenschweren Rüstungsdeal mit dem US-amerikanischen Konzern Boeing aus. Der bietet der Bundeswehr gerade seine F/A-18F Super Hornet als Ersatz für seit den 1970er Jahren fliegende Tornados an. Geht es nach der Chefetage der IG Metall, dann sollen nicht die US Jets die in die Jahre gekommenen Kampfflugzeuge ersetzen, sondern der Eurofighter.

Der Kauf des Eurofighters, dessen Endmontage im oberbayerischen Manching erfolgt, sichere, laut Darstellung der IG Metall, in Deutschland gut 100.000 Arbeitsplätze. Daher, so die Argumentation der IG-Metall-Chefetage, solle das Verteidigungsministerium unter Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) auf ein heimisches Tötungsgerät setzen.

Geldschlucker

Das mehr als einmal wegen explodierender Kosten und technischer Mängel in die Schlagzeilen geratene Rüstungsprojekt Eurofighter ist eine britisch-spanisch-deutsche Co-Produktion unter dem Dach von Airbus, BAE Systems und Leonardo. Entwickelt seit den 1980er Jahren als angebliche Antwort auf sowjetische Kampfflugzeuge während des „Kalten Kriegs“, wurde das Projekt nach der Vereinigung der beiden deutschen Staaten und dem Ende des Stalinismus nicht etwa eingestampft, sondern in einem schier endlos langen und teuren Entwicklungsprozess zur Serienreife getrieben. Laut Angaben der „Zeit“ kostet ein Eurofighter gut 93,5 Millionen Euro pro Stück und damit etwa so viel wie ein kleines Krankenhaus.

Allerdings ist der Eurofighter zu diesem Preis wenig mehr als ein Stück Edelschrott, erhält man ihn doch ohne Bewaffnung. Auch die Umschulung des fliegenden Personals schlägt noch zu Buche. Mit einem Systempreis von bis zu 170 Millionen Euro pro Stück dürfen die Steuerzahler*innen inzwischen alles in allem schon rechnen. Immerhin 140 dieser Jagdflugzeuge hat die Bundesluftwaffe bereits beschafft. Nun sollen noch einmal achtzig veraltete Tornados ausgemustert und durch neues Gerät ersetzt werden.

Konkurrent Boeing

Scheinbar bietet sich da Boeings F/A-18F Super Hornet als kostengünstige Alternative an. Mit einem Systempreis von „nur“ 93 Millionen Euro pro Stück oder umgerechnet 93 Kindergärten kommt dieses militärische Fluggerät schon beinahe sparsam daher.

Nicht ganz unwichtig für Kramp-Karrenbauers Entscheidung dürfte die Rolle der Super Hornet als Atomwaffenträger sein. So haben etwa vierzig der auszumusternden Tornados der Bundesluftwaffe bislang die Aufgabe gehabt, im Rahmen der nuklearen Teilhabe Deutschlands im Kriegsfall Kernwaffen der USA ins Ziel zu tragen. Noch immer gehört die Drohung mit dem atomaren Erstschlag zur militärischen Doktrin der NATO und noch immer ist Deutschland bereit seinen Teil dazu beizutragen.

Und da verschafft die US-Regierung unter Donald Trump Boeing den entscheidenden Vorteil im Konkurrenzkampf mit Airbus. Die Super Hornet werde man in vergleichsweise kurzer Zeit als Atomwaffenträger zertifizieren, hieß es von Seiten der US-Regierung. Der Eurofighter müsste zunächst noch durchaus kostenintensiv zum Atomwaffenträger umgerüstet werden und hiernach in ein aufwändiges Zertifizierungsprozedere eintreten.

Kapitalistischer Irrsinn

Selbst ohne Corona-Krise müsste das Tauziehen um das neue Beschaffungsprogramm der Bundeswehr Kopfschütteln auslösen: Da ist die Bundesregierung, die nicht auf den möglichen Einsatz von Atomwaffen verzichten will; da ist die US-Regierung, die Boeing ein Geschäft zuschanzen möchte und da ist eine Gewerkschaftsführung, die nach Aufrüstung ruft.

Aber im Angesicht der schlichten Tatsache, dass gerade italienische Ärztinnen und Ärzte trotz größter Aufopferung den Kampf gegen das Coronavirus in mehr als 2000 Fällen verloren haben; das Pflegepersonal in deutschen Krankenhäusern schon jetzt – vor Ankunft der größten Welle der Erkrankten – hoffnungslos überlastet ist; und gleichzeitig die Bundesregierung Milliarden in ein militärisches Programm pumpen möchte, in dem es nicht zuletzt darum geht die Möglichkeit des Atomwaffeneinsatzes gegen Zivilist*innen zu erhalten, kann man den Irrsinn eines auf Profit aufgebauten Wirtschaftssystems kaum deutlicher zeichnen.

Die Logik der IG-Metall-Führung

Folgt man der Logik der IG-Metall-Führung, könnte es an Rüstung nie genug sein. Auch der jetzt durch die Bundesregierung zu vergebende Auftrag wird irgendwann erfüllt sein. Und sollte er an Airbus erteilt werden, würde sich nach Auslieferung der zu ordernden Kampfflugzeuge die Frage nach einem Nachfolgeauftrag von Neuem stellen.

Damit wären auch die im Brief erwähnten 100.000 Beschäftigten dazu verdammt, auf den Export deutscher Rüstungsgüter zu hoffen. Schon jetzt liegt Deutschland an dritter Stelle im globalen Ranking der größten Waffenexporteure.

In der schlimmsten Phase der Griechenlandkrise, als dort Beschäftigte reihenweise entlassen wurden, exportierte Deutschland Eurofighter nach Griechenland. Dieses Geld fehlte dort dann automatisch bei den Ausgaben für Soziales. Täglich sterben am deutschen G3-Stumrgewehr mehr als hundert Menschen. Damit ist diese Waffe das tödlichste Rüstungsprodukt weltweit.

Folgt man der IG-Metall-Spitze, kann man aus dieser Situation nicht hinausfinden. Und genau deshalb ist deren Herangehen ein letzten Endes tödlicher Fehler.

Was müsste die IG Metall tun?

Man kann über die Qualität des Eurofighters zweifellos geteilter Ansicht sein. Dennoch handelt es sich im Grunde um ein Hightech-Produkt. Moderne Technik wird gerade, vielleicht mehr denn je, in der Medizin benötigt. Was die IG Metall also eigentlich fordern müsste, gerade um die Arbeitsplätze dauerhaft zu erhalten, wäre die Expertise der Beschäftigten bei der Herstellung dieses militärischen High-Tech-Produkts gesellschaftlich sinnvoll einzusetzen. Das würde in der Zeit der Corona-Krise die Umstellung der Produktion beispielsweise auf medizinische Ausrüstung bedeuten. Die Milliarden an frei werdenden Mitteln würden dann automatisch nicht für den Kauf und die Produktion von Rüstungsgütern eingesetzt werden, sondern zur Herstellung von Beatmungsgeräten und Computern zur Überwachung des Gesundheitszustandes schwer Erkrankter.

Doch wieso kommt Airbus nicht von selbst auf diese Idee? Wahrscheinlich aus einem ganz einfachen, ja banalen Grund: Mit der Herstellung des Eurofighters und des schon jetzt geplanten Nachfolgemusters, das mit Frankreich entwickelt werden soll, lässt sich bei Weitem mehr Geld verdienen.

Natürlich kann eine Gewerkschaft wie die IG Metall nicht umhin die Interessen der Beschäftigten nach höheren Löhnen, mehr Urlaub und kürzerer Arbeitszeit, auch in der Rüstungsindustrie zu vertreten. Dennoch muss sie die Verstaatlichung der Produktionsanlagen unter demokratischer Kontrolle eben dieser Beschäftigten fordern. Denn nur so und nicht in Form privaten Eigentums, kann die Produktion sinnvoll umgestellt und friedlichen Zwecken dienstbar gemacht werden.

Der Brief der IG-Metall-Führung vertritt im Grunde nicht die Interessen der Arbeiter*innen bei Airbus, sondern die der Rüstungskonzerne. In dieser Logik droht die IG Metall nicht viel mehr zu sein als ein Lobbyverband für eine tödliche Industrie.

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