„So kann es doch nicht weitergehen“

Berliner Krankenhausbewegung gestartet Interview mit Anja Voigt

Hallo Anja, in Berlin hat ver.di den Startschuss für die Berliner Krankenhausbewegung gegeben. Was ist geplant?

In der Berliner Krankenhausbewegung haben sich Kolleg*innen aus den beiden großen Häusern Charité und Vivantes zusammengeschlossen, um gemeinsam einen Entlastungstarifvertrag zu erstreiten. Es geht also um ausreichend Personal, gute Arbeitsbedingungen und somit auch bessere Patientenversorgung. Zeitgleich haben sich die Beschäftigten der Vivantes-Tochterunternehmen (also die outgesourcten Bereiche) aufgemacht, um den TVöD für sich zu erkämpfen.

Wir glauben, dass dieses Jahr ideal für die Durchsetzung unserer Forderungen ist. Erstens ist das Thema Personalmangel spätestens seit der Coronapandemie ins öffentliche Bewusstsein gerückt und zweitens eignet sich das Superwahljahr hervorragend, Druck auf die Politik auszuüben.

Nach und nach soll der Druck erhöht werden, beginnend mit einer Mehrheitspetition bis hin zur Drohung von Streiks vor den Wahlen am 26. September, wo zeitgleich Bundestag und Berliner Abgeordnetenhaus gewählt werden.

Was fordert ihr?

Mit einem Entlastungstarifvertrag  werden eine vernünftige Personalbemessung bzw. die Festsetzung von Personal-Patienten-Quotienten eingefordert. Und das nicht pauschalisiert für alle Bereiche, sondern ganz konkret für jeden einzelnen Bereich, jede Abteilung und jede Station im Krankenhaus. Das besondere ist, dass die Kolleg*innen aus den einzelnen Teams, die Quoten/Bemessungsschlüssel für ihre eigenen Arbeitsbereiche festlegen. Sie als Expert*innen  wissen am besten, wie viel Personal für eine gute Patientenversorgung in ihren Arbeitsbereichen nötig ist.

Der zweite wichtige Teil diese Entlastungstarifvertrages ist, dass es für die Arbeitgeberin auch Konsequenzen geben muss, wenn die festgelegten Personalvorgaben nicht eingehalten werden. Ich persönlich halte nichts von Strafzahlung oder dergleichen, sondern die Kolleg*innen, die in Unterbesetzung arbeiten, müssen eine direkte Entlastung für diese Belastungsschichten erfahren. Zusätzliche Freischichten, mehr Urlaub oder auch finanzielle Ausgleiche sind hier vorstellbar.

Wie ist die Resonanz bei den Kolleg*innen?

Viele Kolleg*innen hatten schon in der letzten Tarifrunde als Hauptforderung nicht unbedingt mehr Geld, sondern endlich mehr Personal. 

Viele Mitarbeiter*innen in Krankenhäusern sind sehr leidensfähig und haben jahrelang den fortschreitenden Personalabbau ausgehalten. Mittlerweile ist das Ausmaß aber für viele unerträglich und die schlechte Patientenversorgung nagt am Gewissen vieler Kolleg*innen. Einen Satz, den ich immer wieder höre, ist: “So kann es doch nicht weiter gehen!”. 

Deshalb bin ich mir sehr sicher, dass die Bewegung richtig groß werden wird.

Ich sehe schon 5000 Menschen im Sommer vorm Roten Rathaus demonstrieren.

 Wichtig ist, dass es uns gelingt, die Mehrheit der Beschäftigten zu mobilisieren und dass sie sich endlich ihrer eigenen Stärke bewusst werden. Gut wäre dafür auch eine entsprechende öffentliche Wahrnehmung und Unterstützung. Hier ist die Bewegung gerade dabei, Bündnispartner zu gewinnen. Dazu möchte ich gerne auf den 21.04. auf unsere Stadtversammlung verweisen: https://www.redseat.de/stadtversammlung

Anja Voigt ist Krankenschwester bei Vivantes Neukölln und aktiv bei ver.di. Sie referiert auch bei der nächsten online-Konferenz der bundesweiten Vernetzung  “Aktive im Gesundheitsbereich für eine kämpferische ver.di”: Freitag, 23.4.2021 18 Uhr.  Für die Anmeldung einfach eine email an kh-aktivenkonferenz@web.de senden.

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