Großbritannien: Eisenbahner*innen im Streik

Gegen Reallohnverlust und Arbeitsplatzvernichtung

Die letzten Monate kämpften nicht nur Eisenbahner*innen in Deutschland um höhere Löhne, verbesserte Arbeitsbedingungen und eine klare Zukunftsperspektive im Transportsektor. Auch die britische Transportarbeiter*innengewerkschaft RMT (National Union of Rail, Maritime and Transport Workers) rief mehrfach zu Streiks auf und mobilisierte die Arbeiter*innen.

von Jonas Grampp, Berlin

In Großbritannien sind die Preise 2022 um über elf Prozent gestiegen, im August 2023 waren es immer noch 6,7 Prozent. Grund genug, um in den Arbeitskampf einzutreten. Während der Coronazeit erhielten die Betreiber*innen des Schienenpersonennahverkehrs staatliche Zuwendungen, um den Betrieb trotz geringerer Fahrgastanzahl und gestiegenen Kosten aufrechtzuerhalten. Mit Ende der Pandemie strich die konservative Regierung die Zuwendungen und forderte die Verkehrsbetriebe auf, sich selbst über Wasser zu halten. Da  diese weiterhin auf Gewinn aus sind, wirkt sich dies direkt auf die Löhne und Arbeitsbedingungen aus.

Arbeitskampf

Nicht nur im Transportsektor sind die Einsparmaßnahmen und die Prekarisierung der Arbeitsbedingungen zu spüren. Der Kampf entbrannte, als neben den gestiegenen Preisen auch noch der Stellenabbau durch die Arbeitgeber*innen vorangetrieben wurde. Offengelegte Pläne zeigten, dass zum Beispiel Fahrkartenschalter weitestgehend abgeschafft werden sollten – ein Stellenabbau von rund 2300 Arbeitsplätzen. 

Seit Mai 2022 befinden sich die Mitarbeiter*innen im Transportsektor im Arbeitskampf. Erste große Streiks waren für das 70. Thronjubiläum von Queen Elisabeth II angekündigt. Durch den so aufgebauten Druck gab es laut RMT entscheidende Fortschritte, weshalb man diesen Streiktag absagte. Für die nachfolgenden Tage wurde der Aufruf nicht zurückgenommen. In 17 Urabstimmungen in England und Schottland stimmten von den 40.000 aufgerufenen Kolleginnen und Kollegen 89 Prozent für Streikaktionen.

Die RMT rief über Weihnachten 2022 zu einem viertägigen Streik auf. Selbst die Verbindungen zu den Londoner Flughäfen Stansted und Heathrow wurden abgeschnitten. Im März 2023 kam es zu flächendeckenden Streiks, an denen sich auch die Mitarbeitenden des öffentlichen Dienste, sowie Kolleg*innen aus dem Gesundheitsbereich beteiligten. Es war der größte Streik der weiter andauernden Streikwelle. Auch die Gewerkschaft ASLEF, die unter anderem die Fahrer*innen der Londoner U-Bahn (TFL) vertritt, rief zum Streik auf. Ihnen geht es insbesondere um eine Beendigung des Personalabbaus und eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen, wie einen Stopp der Rentenkürzungen. 

Im Juli 2023 rief die RMT 20.000 ihrer Mitglieder, darunter Zugbegleiter*innen, Zugführer*innen und Bahnhofspersonal auf, für drei weitere Tage die Arbeit niederzulegen, wenn kein neues Angebot vorgelegt werde. Laut RMT-Generalsekretär Mick Lynch legt die Regierung den Unternehmen Fesseln an und lässt nicht zu, dass sie ein Paket vorlegen, mit dem der Streit beigelegt werden kann. Das letzte vorgelegte Angebot aus dem Juni beinhaltet lediglich eine rückwirkende Lohnerhöhung von fünf Prozent für 2022. Das Verkehrsministerium lässt dazu verlautbaren, dass die Mitarbeitenden jetzt darüber abstimmen sollten, obwohl diese erst im Mai für weitere sechs Monate Streik stimmten, um ihre Forderungen zu erzwingen.

Während die Gewerkschaften klar machen, dass die Streiks bis mindestens Ende des Jahres andauern können, weist die Regierung die Schuld von sich und versucht die Bewegung zu spalten, indem auf verschiedene lokale Geldtöpfe zur Finanzierung verwiesen wird.

Lehren für Deutschland

Nicht nur in Großbritannien, sondern auch in Deutschland zeigt sich die Notwendigkeit von kämpferischen und demokratischen Gewerkschaften. Die Kampfkraft der Arbeiter*innenklasse ist beeindruckend, aber die Gewerkschaftsbürokrat*innen nutzen diese nur unzulänglich, weil sie sich als Sozialpartner*innen verstehen. Es ist notwendig die Gewerkschaften zu demokratisieren, indem Funktionsträger*innen jederzeit wähl- und abwählbar sind. Ebenso bedarf es einer Vernetzung kritischer Kolleg*innen, um eine Veränderung von der Basis aus anzustoßen. Diese darf aber nicht in der eigenen Gewerkschaft stehen bleiben. Werde dafür in der VKG – der Vernetzung kämpferischer Gewerkschafter*innen – aktiv.

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