Wagenknechts neue Partei: keine Alternative

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Hoffnungen auf Politik für Arbeiter*innen werden enttäuscht werden

Im Januar wurde das “Bündnis Sahra Wagenknecht” (BSW) als Partei gegründet. Seitdem wirbelt diese die Meinungsumfragen durcheinander. Viel spricht dafür, dass sich die politische Landschaft nun ändern wird. Aber ist das BSW eine Alternative zur Linkspartei und eine Interessenvertretung für Lohnabhängige und sozial Benachteiligte?

Von Hans Neumann, Lemgo

Aus Teilen der CDU wird zur Zeit eine Änderung des Unvereinbarkeitsbeschlusses zur Linkspartei gefordert. Der ehemalige Ostbeauftragte der Bundesregierung, Marco Wanderwitz, stellte leider treffend fest, dass sich Die Linke in weiten Teilen “entradikalisiert” habe. 

Vor einer wirklich sozialistischen Partei müssten prokapitalistische Politiker*innen in Zeiten wie diesen vor Angst zittern, weil mit ihr keine gemeinsame Sache zu machen wäre. Stattdessen lässt Die Linke den Raum für fundamentale Opposition gegen das Establishment frei und ermöglicht es so dem BSW und der AfD diesen – scheinbar – zu füllen.

Wagenknecht als Alternative?

Kein Wunder, dass nun viele Menschen Hoffnungen in das BSW setzen. Ob die öffentliche Kampagne Sevim Dağdelens mit der US-Abgeordneten Ilhan Omar für einen sofortigen und dauerhaften Waffenstillstands in Gaza, die deutliche Forderung nach Abrüstung, die klare Verurteilung der EU-Verfassung oder die Forderungen nach der Besteuerung von Reichen: Solche Handlungen und Aussagen werden bei vielen Menschen auf Unterstützung treffen. 

Gleichzeitig bleiben viele Positionen unkonkret. Begriffe wie „Vernunft“, „Freiheit“ und „Gerechtigkeit“ bieten viel Spielraum, mit eigenen Vorstellungen gefüllt zu werden und “sich” darin wiederzufinden. Kein Wunder, dass das BSW scheinbar aus allen politischen Lagern Stimmen mobilisieren kann. 

Im Vergleich zur Linkspartei ist das BSW jedoch ein Schritt nach rechts und weg von sozialistischer Politik und der Idee, dass Veränderungen durch die Selbstaktivität der Millionen Lohnabhängigen erreicht werden muss. Die Linke wird diesem sozialistischen Anspruch nicht gerecht, das BSW hat diesen gar nicht und verbreitet die Illusion, dass sich soziale Verbesserungen dauerhaft im Kapitalismus umsetzen ließen

Eine Partei des “kleinen Mannes”?

Auch wenn das BSW versucht, sich als Partei der “kleinen Leute” darzustellen, entspricht das nicht der Realität. Unter den 44 Erstmitgliedern finden sich u.a. Unternehmer, Ärzte, Professoren, Abgeordnete und Theologen.

In einem Interview im “Freitag” vom 20.12.23 erklärte Wagenknecht bereits, wen sie vertreten wolle. Sie behauptete, dass die deutsche Wirtschaft „fähige Unternehmer“ brauche, denn der “Unternehmer, der sein Unternehmen aufgebaut hat und führt, ist doch kein Feind, sondern erbringt eine wichtige Leistung.” Das BSW steht für Marktwirtschaft und Privateigentum an den Produktionsmitteln und versucht, die sich widersprechenden Klasseninteressen zwischen Kapital und Arbeit zu versöhnen.

Die Forderungen nach Verbesserungen für Lohnabhängige und sozial Benachteiligte müssen vor diesem Hintergrund betrachtet werden. Die entscheidende Frage ist: wie können diese erreicht werden. Diese wird vom BSW nicht beantwortet bzw. der Eindruck erweckt, dies ginge, wenn nur genügend Menschen das BSW wählen. Von Selbstorganisation und Massenmobilisierung ist nicht die Rede. 

Ein solcher Ansatz wird früher oder später an seine Grenzen stoßen: Entweder wird damit lediglich die Unmöglichkeit dauerhafter Reformen im Rahmen des Kapitalismus demonstriert, oder es werden gar nicht erst Verbesserungen für die lohnabhängige Bevölkerung gefordert. Dass Sahra Wagenknecht schon eine grundsätzliche Bereitschaft erklärt hat, auch mit der CDU eine Regierungskoalition zu bilden, zeigt, dass sie in Sachen Kompromissbereitschaft der Linke-Führung in nichts nachstehen wird. 

Migration

Nicht zuletzt die Positionen des BSW zum Thema Asyl und Migration zeigen, dass die neue Partei dazu keine links-internationalistische , sondern eher eine populistisch-nationale Haltung einnimmt. Während das Parteiprogramm sich in sehr allgemeiner Form zum Asylrecht für Verfolgte bekennt, soll dies jedoch möglichst nicht in Deutschland realisiert werden, wie es der Spitzenkandidat zur Europawahl, Fabio de Masi, formulierte. Von der Rücknahme der Einschränkungen des Asylrechts ist keine Rede. Die BSW-Bundestagsabgeordneten haben kürzlich dafür gestimmt, unter anderem Marokko als sicheren Drittstaat anzuerkennen – ein Staat, der Teile der Westsahara besetzt!

Sahra Wagenknecht lässt kaum eine Gelegenheit aus, eine Begrenzung der Einwanderung zu fordern und vermittelt damit den Eindruck, Einwanderung sei für soziale Missstände verantwortlich, was nicht der Fall ist. Damit trägt das BSW zur Spaltung der arbeitenden Bevölkerung bei und beteiligt sich daran, von den wahren Ursachen der Probleme abzulenken. Das schwächt den Widerstand gegen die Herrschenden. Kein Wunder, dass das BSW überdurchschnittlich viel Unterstützung bei AfD-Wähler*innen genießt.

Arbeiter*innenpartei nötig!

Der Zuspruch für das BSW zeigt den Bedarf nach einer Alternative zu den etablierten Parteien. Eine Partei, die konsequent die Interessen der Lohnabhängigen und sozial Benachteiligten vertritt, ist dringend nötig. Aufgrund seiner politischen Ausrichtung ist nicht davon auszugehen, dass das BSW einen Schritt in Richtung einer solchen Partei darstellt. Die Linken, die trotzdem in die neue Partei gehen, fordern wir auf, darin für sozialistische und antirassistische Positionen zu kämpfen und Klassenkämpfe und soziale Bewegungen zu unterstützen – auch wenn wir davon ausgehen, dass das BSW nicht für eine solche Politik zu gewinnen ist. Deshalb setzen wir uns in der Linkspartei weiterhin für einen kämpferischen und sozialistischen Kurswechsel ein und bauen mit der Sol gleichzeitig eine marxistische Organisation auf, die einen Beitrag dazu leisten kann, dass zukünftige sozialistische Massenparteien die Fehler der Vergangenheit vermeiden. 

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